Sohn des Peleus aber rief mit Frohlocken: "So liege du denn, du armes Geschöpf, den Raubvögeln und Hunden zur Waide! Wer hat dich auch mit mir kämpfen geheißen? Du hofftest wohl unermeßliche Gaben aus der Hand des Königs Priamus als Kampfpreis zu empfangen, dafür, daß du so viele Griechen erschlagen hast! Aber ein an¬ derer Lohn wurde dir zu Theil!" So sprach er, und zog ihr und dem Pferde den Speer aus dem Leibe, und noch zückten beide. Dann nahm er ihr den Helm vom Haupte ab, und betrachtete das Antlitz der Verschiedenen. Obgleich von Blut und Staube bedeckt, waren doch ihre edeln Züge auch im Tode noch voll Anmuth, und die Griechen, die den Leichnam umringten, mußten alle über die über¬ irdische Schönheit der Jungfrau staunen, die, der nach heisser Gebirgsjagd schlummernden Diana ähnlich, in vol¬ ler Waffenrüstung dalag. Achilles selbst, als er sie länger betrachtete, fühlte sich von überschleichendem Schmerze bestrickt, und mußte sich gestehen, daß die Fürstin, anstatt von ihm getödtet zu werden, viel eher verdient hätte, als herrliche Gattin mit ihm in Phthia einzuziehen.
In den tiefsten Schmerz aber versank der Vater der Amazone, der Kriegsgott, über ihrem Tode. Wie ein Blitz mit rollendem Donner stürzte er sich bewaffnet vom Olymp herunter auf die Erde, und schritt über die Gipfel und Schluchten des Berges Ida hin, daß Gebirg und Thal unter seinem Schritte erbebten. Und sicherlich hätte er den Griechen das Verderben gebracht, wenn ihn nicht Jupiter, der Freund der Danaer, durch ein furchtbares Gewitter gewarnt hätte, das sich Schlag auf Schlag über seinem Haupte entlud, und in welchem er die Stimme seines allmächtigen Vaters vernahm, so daß Mars, so
Sohn des Peleus aber rief mit Frohlocken: „So liege du denn, du armes Geſchöpf, den Raubvögeln und Hunden zur Waide! Wer hat dich auch mit mir kämpfen geheißen? Du hoffteſt wohl unermeßliche Gaben aus der Hand des Königs Priamus als Kampfpreis zu empfangen, dafür, daß du ſo viele Griechen erſchlagen haſt! Aber ein an¬ derer Lohn wurde dir zu Theil!“ So ſprach er, und zog ihr und dem Pferde den Speer aus dem Leibe, und noch zückten beide. Dann nahm er ihr den Helm vom Haupte ab, und betrachtete das Antlitz der Verſchiedenen. Obgleich von Blut und Staube bedeckt, waren doch ihre edeln Züge auch im Tode noch voll Anmuth, und die Griechen, die den Leichnam umringten, mußten alle über die über¬ irdiſche Schönheit der Jungfrau ſtaunen, die, der nach heiſſer Gebirgsjagd ſchlummernden Diana ähnlich, in vol¬ ler Waffenrüſtung dalag. Achilles ſelbſt, als er ſie länger betrachtete, fühlte ſich von überſchleichendem Schmerze beſtrickt, und mußte ſich geſtehen, daß die Fürſtin, anſtatt von ihm getödtet zu werden, viel eher verdient hätte, als herrliche Gattin mit ihm in Phthia einzuziehen.
In den tiefſten Schmerz aber verſank der Vater der Amazone, der Kriegsgott, über ihrem Tode. Wie ein Blitz mit rollendem Donner ſtürzte er ſich bewaffnet vom Olymp herunter auf die Erde, und ſchritt über die Gipfel und Schluchten des Berges Ida hin, daß Gebirg und Thal unter ſeinem Schritte erbebten. Und ſicherlich hätte er den Griechen das Verderben gebracht, wenn ihn nicht Jupiter, der Freund der Danaer, durch ein furchtbares Gewitter gewarnt hätte, das ſich Schlag auf Schlag über ſeinem Haupte entlud, und in welchem er die Stimme ſeines allmächtigen Vaters vernahm, ſo daß Mars, ſo
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Sohn des Peleus aber rief mit Frohlocken: „So liege du
denn, du armes Geſchöpf, den Raubvögeln und Hunden
zur Waide! Wer hat dich auch mit mir kämpfen geheißen?
Du hoffteſt wohl unermeßliche Gaben aus der Hand des
Königs Priamus als Kampfpreis zu empfangen, dafür,
daß du ſo viele Griechen erſchlagen haſt! Aber ein an¬
derer Lohn wurde dir zu Theil!“ So ſprach er, und zog
ihr und dem Pferde den Speer aus dem Leibe, und noch
zückten beide. Dann nahm er ihr den Helm vom Haupte
ab, und betrachtete das Antlitz der Verſchiedenen. Obgleich
von Blut und Staube bedeckt, waren doch ihre edeln
Züge auch im Tode noch voll Anmuth, und die Griechen,
die den Leichnam umringten, mußten alle über die über¬
irdiſche Schönheit der Jungfrau ſtaunen, die, der nach
heiſſer Gebirgsjagd ſchlummernden Diana ähnlich, in vol¬
ler Waffenrüſtung dalag. Achilles ſelbſt, als er ſie länger
betrachtete, fühlte ſich von überſchleichendem Schmerze
beſtrickt, und mußte ſich geſtehen, daß die Fürſtin, anſtatt
von ihm getödtet zu werden, viel eher verdient hätte, als
herrliche Gattin mit ihm in Phthia einzuziehen.
In den tiefſten Schmerz aber verſank der Vater der
Amazone, der Kriegsgott, über ihrem Tode. Wie ein
Blitz mit rollendem Donner ſtürzte er ſich bewaffnet vom
Olymp herunter auf die Erde, und ſchritt über die Gipfel
und Schluchten des Berges Ida hin, daß Gebirg und
Thal unter ſeinem Schritte erbebten. Und ſicherlich hätte
er den Griechen das Verderben gebracht, wenn ihn nicht
Jupiter, der Freund der Danaer, durch ein furchtbares
Gewitter gewarnt hätte, das ſich Schlag auf Schlag über
ſeinem Haupte entlud, und in welchem er die Stimme
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/350>, abgerufen am 25.11.2024.
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