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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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darwögen und noch mehr verhießen. Ja, wenn dich Pria¬
mus mir selbst mit Gold aufwägen wollte!" "Ich kenne
dich," stöhnte Hektor sterbend, "ich ahnte, daß du nicht zu
erweichen seyn würdest; dein Herz ist eisern! Aber denk'
an mich, wenn die Götter mich rächen, und am hohen,
skäischen Thore du vom Geschosse Phöbus Apollo's ge¬
troffen im Staube endest, wie jetzt ich!" Mit dieser
Weissagung verließ Hektor's Seele den Leib und flog
zum Hades hinunter. Achilles aber rief der fliehenden
nach: "Stirb du; mein Loos empfang' ich, wann Jupiter
und die Götter wollen!" So sprach er und zog den
Speer aus dem Leichnam, legte ihn bei Seite, und zog die
eigene, blutige Rüstung von den Schultern des Gemordeten.

Nun kamen aus dem griechischen Heere viel Streiter
herbeigelaufen und betrachteten den Wuchs und die hohe
Bildung des todten Hektor bewundernd, und mancher
sprach, ihn anrührend: "Wunderbar, wie viel sanfter ist
doch der Mann nun zu betasten, als da er den Feuer¬
brand in unsere Schiffe schleuderte!" Jetzt stellte sich
Achilles mitten unter das Volk und sprach: "Freunde und
Helden! Nachdem die Götter mir verliehen haben, diesen
Mann hier zu bändigen, der uns mehr Böses gethan hat,
als alle andern zusammen, so laßt uns in unserer Rüstung
die Stadt ein wenig auskundschaften, um zu erforschen,
ob sie uns wohl die Burg räumen werden, oder ob sie es
wagen, uns auch ohne Hektor Widerstand zu leisten. Aber
was rede ich? Liegt nicht mein Freund Patroklus noch
unbestattet bei den Schiffen? Darum stimmet den Siegs¬
gesang an, ihr Männer, und laßt uns vor allen Dingen
meinem Freunde das Sühnopfer bringen, das ich ihm
geschlachtet habe!"

darwögen und noch mehr verhießen. Ja, wenn dich Pria¬
mus mir ſelbſt mit Gold aufwägen wollte!“ „Ich kenne
dich,” ſtöhnte Hektor ſterbend, „ich ahnte, daß du nicht zu
erweichen ſeyn würdeſt; dein Herz iſt eiſern! Aber denk'
an mich, wenn die Götter mich rächen, und am hohen,
ſkäiſchen Thore du vom Geſchoſſe Phöbus Apollo's ge¬
troffen im Staube endeſt, wie jetzt ich!“ Mit dieſer
Weiſſagung verließ Hektor's Seele den Leib und flog
zum Hades hinunter. Achilles aber rief der fliehenden
nach: „Stirb du; mein Loos empfang' ich, wann Jupiter
und die Götter wollen!“ So ſprach er und zog den
Speer aus dem Leichnam, legte ihn bei Seite, und zog die
eigene, blutige Rüſtung von den Schultern des Gemordeten.

Nun kamen aus dem griechiſchen Heere viel Streiter
herbeigelaufen und betrachteten den Wuchs und die hohe
Bildung des todten Hektor bewundernd, und mancher
ſprach, ihn anrührend: „Wunderbar, wie viel ſanfter iſt
doch der Mann nun zu betaſten, als da er den Feuer¬
brand in unſere Schiffe ſchleuderte!“ Jetzt ſtellte ſich
Achilles mitten unter das Volk und ſprach: „Freunde und
Helden! Nachdem die Götter mir verliehen haben, dieſen
Mann hier zu bändigen, der uns mehr Böſes gethan hat,
als alle andern zuſammen, ſo laßt uns in unſerer Rüſtung
die Stadt ein wenig auskundſchaften, um zu erforſchen,
ob ſie uns wohl die Burg räumen werden, oder ob ſie es
wagen, uns auch ohne Hektor Widerſtand zu leiſten. Aber
was rede ich? Liegt nicht mein Freund Patroklus noch
unbeſtattet bei den Schiffen? Darum ſtimmet den Siegs¬
geſang an, ihr Männer, und laßt uns vor allen Dingen
meinem Freunde das Sühnopfer bringen, das ich ihm
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[286/0308] darwögen und noch mehr verhießen. Ja, wenn dich Pria¬ mus mir ſelbſt mit Gold aufwägen wollte!“ „Ich kenne dich,” ſtöhnte Hektor ſterbend, „ich ahnte, daß du nicht zu erweichen ſeyn würdeſt; dein Herz iſt eiſern! Aber denk' an mich, wenn die Götter mich rächen, und am hohen, ſkäiſchen Thore du vom Geſchoſſe Phöbus Apollo's ge¬ troffen im Staube endeſt, wie jetzt ich!“ Mit dieſer Weiſſagung verließ Hektor's Seele den Leib und flog zum Hades hinunter. Achilles aber rief der fliehenden nach: „Stirb du; mein Loos empfang' ich, wann Jupiter und die Götter wollen!“ So ſprach er und zog den Speer aus dem Leichnam, legte ihn bei Seite, und zog die eigene, blutige Rüſtung von den Schultern des Gemordeten. Nun kamen aus dem griechiſchen Heere viel Streiter herbeigelaufen und betrachteten den Wuchs und die hohe Bildung des todten Hektor bewundernd, und mancher ſprach, ihn anrührend: „Wunderbar, wie viel ſanfter iſt doch der Mann nun zu betaſten, als da er den Feuer¬ brand in unſere Schiffe ſchleuderte!“ Jetzt ſtellte ſich Achilles mitten unter das Volk und ſprach: „Freunde und Helden! Nachdem die Götter mir verliehen haben, dieſen Mann hier zu bändigen, der uns mehr Böſes gethan hat, als alle andern zuſammen, ſo laßt uns in unſerer Rüſtung die Stadt ein wenig auskundſchaften, um zu erforſchen, ob ſie uns wohl die Burg räumen werden, oder ob ſie es wagen, uns auch ohne Hektor Widerſtand zu leiſten. Aber was rede ich? Liegt nicht mein Freund Patroklus noch unbeſtattet bei den Schiffen? Darum ſtimmet den Siegs¬ geſang an, ihr Männer, und laßt uns vor allen Dingen meinem Freunde das Sühnopfer bringen, das ich ihm geſchlachtet habe!“

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/308>, abgerufen am 22.11.2024.