den, der sie abgeschossen, traf Meriones rechts in die Weiche, daß er sterbend von seinem Vater Pylamenes auf den Wagen gerettet werden mußte. Das erbitterte den Paris und er schoß dem Korinthier Euchenor, der ihm eben in den Weg kam, den Pfeil durch Ohr und Backen, daß dieser entseelt zu Boden sank.
So kämpften sie dort; Hektor ahnete indessen nicht, daß zur Linken der Schiffe der Sieg sich auf die Seite der Griechen hinneigte, sondern wo er zuerst durchs Thor hereingesprungen, und die Mauer am niedrigsten gebaut war, fuhr er fort, siegreich in die Schlachtreihen der Achiver einzubrechen. Vergebens wehrten ihn anfangs die Böotier, Thessalier, Lokrer, Athener ab: sie vermochten nicht, ihn hinwegzudrängen. Wie zwei Stiere am Pflug wandelten die beiden Ajax dicht aneinander: vom Tela¬ monier wichen die Seinigen nicht, lauter entschlossene Männer, aber die Lokrer, den stehenden Kampf nicht aushaltend, waren ihrem Ajax nicht auf den Fersen ge¬ folgt; denn voll Zuversicht waren sie ohne Helme, Schilde und Lanzen, mit Bogen und wollenen Schleudern allein bewaffnet, gen Troja gezogen, und hatten früher mit ihren Geschossen manche trojanische Schaar gesprengt. Auch jetzt bedrängten sie die Troer, sich verbergend und von ferne herschießend, mit ihren Pfeilen, und richteten selbst so keine geringe Verwirrung unter ihnen an.
Und wirklich wären die Trojaner jetzt, von Schiffen und Zelten zurückgetrieben, mit Schmach in ihre Stadt geworfen worden, hätte nicht Polydamas dem trotzigen Hektor so zugeredet: "Verschmähest du denn allen Rath, Freund, weil du im Kampf der Kühnere bist? siehest du nicht, wie die Flamme des Krieges über dir zusammen¬
den, der ſie abgeſchoſſen, traf Meriones rechts in die Weiche, daß er ſterbend von ſeinem Vater Pylamenes auf den Wagen gerettet werden mußte. Das erbitterte den Paris und er ſchoß dem Korinthier Euchenor, der ihm eben in den Weg kam, den Pfeil durch Ohr und Backen, daß dieſer entſeelt zu Boden ſank.
So kämpften ſie dort; Hektor ahnete indeſſen nicht, daß zur Linken der Schiffe der Sieg ſich auf die Seite der Griechen hinneigte, ſondern wo er zuerſt durchs Thor hereingeſprungen, und die Mauer am niedrigſten gebaut war, fuhr er fort, ſiegreich in die Schlachtreihen der Achiver einzubrechen. Vergebens wehrten ihn anfangs die Böotier, Theſſalier, Lokrer, Athener ab: ſie vermochten nicht, ihn hinwegzudrängen. Wie zwei Stiere am Pflug wandelten die beiden Ajax dicht aneinander: vom Tela¬ monier wichen die Seinigen nicht, lauter entſchloſſene Männer, aber die Lokrer, den ſtehenden Kampf nicht aushaltend, waren ihrem Ajax nicht auf den Ferſen ge¬ folgt; denn voll Zuverſicht waren ſie ohne Helme, Schilde und Lanzen, mit Bogen und wollenen Schleudern allein bewaffnet, gen Troja gezogen, und hatten früher mit ihren Geſchoſſen manche trojaniſche Schaar geſprengt. Auch jetzt bedrängten ſie die Troer, ſich verbergend und von ferne herſchießend, mit ihren Pfeilen, und richteten ſelbſt ſo keine geringe Verwirrung unter ihnen an.
Und wirklich wären die Trojaner jetzt, von Schiffen und Zelten zurückgetrieben, mit Schmach in ihre Stadt geworfen worden, hätte nicht Polydamas dem trotzigen Hektor ſo zugeredet: „Verſchmäheſt du denn allen Rath, Freund, weil du im Kampf der Kühnere biſt? ſieheſt du nicht, wie die Flamme des Krieges über dir zuſammen¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="196"/>
den, der ſie abgeſchoſſen, traf Meriones rechts in die<lb/>
Weiche, daß er ſterbend von ſeinem Vater Pylamenes<lb/>
auf den Wagen gerettet werden mußte. Das erbitterte<lb/>
den Paris und er ſchoß dem Korinthier Euchenor, der ihm<lb/>
eben in den Weg kam, den Pfeil durch Ohr und Backen,<lb/>
daß dieſer entſeelt zu Boden ſank.</p><lb/><p>So kämpften ſie dort; Hektor ahnete indeſſen nicht,<lb/>
daß zur Linken der Schiffe der Sieg ſich auf die Seite der<lb/>
Griechen hinneigte, ſondern wo er zuerſt durchs Thor<lb/>
hereingeſprungen, und die Mauer am niedrigſten gebaut<lb/>
war, fuhr er fort, ſiegreich in die Schlachtreihen der<lb/>
Achiver einzubrechen. Vergebens wehrten ihn anfangs die<lb/>
Böotier, Theſſalier, Lokrer, Athener ab: ſie vermochten<lb/>
nicht, ihn hinwegzudrängen. Wie zwei Stiere am Pflug<lb/>
wandelten die beiden Ajax dicht aneinander: vom Tela¬<lb/>
monier wichen die Seinigen nicht, lauter entſchloſſene<lb/>
Männer, aber die Lokrer, den ſtehenden Kampf nicht<lb/>
aushaltend, waren ihrem Ajax nicht auf den Ferſen ge¬<lb/>
folgt; denn voll Zuverſicht waren ſie ohne Helme, Schilde<lb/>
und Lanzen, mit Bogen und wollenen Schleudern allein<lb/>
bewaffnet, gen Troja gezogen, und hatten früher mit ihren<lb/>
Geſchoſſen manche trojaniſche Schaar geſprengt. Auch<lb/>
jetzt bedrängten ſie die Troer, ſich verbergend und von<lb/>
ferne herſchießend, mit ihren Pfeilen, und richteten ſelbſt<lb/>ſo keine geringe Verwirrung unter ihnen an.</p><lb/><p>Und wirklich wären die Trojaner jetzt, von Schiffen<lb/>
und Zelten zurückgetrieben, mit Schmach in ihre Stadt<lb/>
geworfen worden, hätte nicht Polydamas dem trotzigen<lb/>
Hektor ſo zugeredet: „Verſchmäheſt du denn allen Rath,<lb/>
Freund, weil du im Kampf der Kühnere biſt? ſieheſt du<lb/>
nicht, wie die Flamme des Krieges über dir zuſammen¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[196/0218]
den, der ſie abgeſchoſſen, traf Meriones rechts in die
Weiche, daß er ſterbend von ſeinem Vater Pylamenes
auf den Wagen gerettet werden mußte. Das erbitterte
den Paris und er ſchoß dem Korinthier Euchenor, der ihm
eben in den Weg kam, den Pfeil durch Ohr und Backen,
daß dieſer entſeelt zu Boden ſank.
So kämpften ſie dort; Hektor ahnete indeſſen nicht,
daß zur Linken der Schiffe der Sieg ſich auf die Seite der
Griechen hinneigte, ſondern wo er zuerſt durchs Thor
hereingeſprungen, und die Mauer am niedrigſten gebaut
war, fuhr er fort, ſiegreich in die Schlachtreihen der
Achiver einzubrechen. Vergebens wehrten ihn anfangs die
Böotier, Theſſalier, Lokrer, Athener ab: ſie vermochten
nicht, ihn hinwegzudrängen. Wie zwei Stiere am Pflug
wandelten die beiden Ajax dicht aneinander: vom Tela¬
monier wichen die Seinigen nicht, lauter entſchloſſene
Männer, aber die Lokrer, den ſtehenden Kampf nicht
aushaltend, waren ihrem Ajax nicht auf den Ferſen ge¬
folgt; denn voll Zuverſicht waren ſie ohne Helme, Schilde
und Lanzen, mit Bogen und wollenen Schleudern allein
bewaffnet, gen Troja gezogen, und hatten früher mit ihren
Geſchoſſen manche trojaniſche Schaar geſprengt. Auch
jetzt bedrängten ſie die Troer, ſich verbergend und von
ferne herſchießend, mit ihren Pfeilen, und richteten ſelbſt
ſo keine geringe Verwirrung unter ihnen an.
Und wirklich wären die Trojaner jetzt, von Schiffen
und Zelten zurückgetrieben, mit Schmach in ihre Stadt
geworfen worden, hätte nicht Polydamas dem trotzigen
Hektor ſo zugeredet: „Verſchmäheſt du denn allen Rath,
Freund, weil du im Kampf der Kühnere biſt? ſieheſt du
nicht, wie die Flamme des Krieges über dir zuſammen¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/218>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.