so lange mit dem Schild, bis zwei Freunde den schwer Aufstöhnenden nach den Schiffen getragen hatten.
Nun aber stärkte Jupiter den Trojanern den Muth wieder. Wüthend und mit funkelnden Augen drang Hektor mit den Ersten voran, und verfolgte die Griechen, wie ein Hund den gehetzten Eber im Bergwalde verfolgt, in¬ dem er immer jeden Aeußersten, der ihm in den Wurf kam, niederstreckte. Die Griechen wurden wieder zu den Schiffen zusammengedrängt und beteten geängstet zu ihren Göttern. Das erbarmte Juno, und zu Athene gewendet sprach sie: "Wollen wir das sterbende Volk der Danaer immer noch nicht retten? Siehst du nicht, wie unerträglich Hektor dort unten wüthet, welches Blutbad er schon an¬ gerichtet hat!" "Ja, mein Vater ist grausam," antwortete Minerva, "er hat ganz vergessen, wie getreulich ich seinem Sohne Herkules auf allen Abentheuern zur Seite gestan¬ den bin. Aber die Schmeichlerin Thetis hat ihn mit ihren Liebkosungen bestochen und nun bin ich ihm verhaßt geworden. Doch, denke ich, nennt er mich einmal wieder sein blauäugiges Töchterlein. Hilf mir den Wagen an¬ schirren, Here, ich selbst will zum Vater nach dem Ida hinabeilen!"
Aber Jupiter ergrimmte, als er dieß inne wurde, und seine windschnelle Botin Iris mußte den Wagen aufhal¬ ten, als er mit den beiden Göttinnen eben durch das vor¬ derste Thor des Olympus hindurchfuhr. Auf seine zornige Botschaft lenkten diese um, und bald erschien Zeus auf dem Donnerwagen selbst wieder, daß die Höhen des Götterbergs vor seinem Nahen erbebten. Aber er blieb taub gegen die Bitten der Gemahlin und der Tochter. "Noch größeren Sieg der Trojaner sollst du morgen
ſo lange mit dem Schild, bis zwei Freunde den ſchwer Aufſtöhnenden nach den Schiffen getragen hatten.
Nun aber ſtärkte Jupiter den Trojanern den Muth wieder. Wüthend und mit funkelnden Augen drang Hektor mit den Erſten voran, und verfolgte die Griechen, wie ein Hund den gehetzten Eber im Bergwalde verfolgt, in¬ dem er immer jeden Aeußerſten, der ihm in den Wurf kam, niederſtreckte. Die Griechen wurden wieder zu den Schiffen zuſammengedrängt und beteten geängſtet zu ihren Göttern. Das erbarmte Juno, und zu Athene gewendet ſprach ſie: „Wollen wir das ſterbende Volk der Danaer immer noch nicht retten? Siehſt du nicht, wie unerträglich Hektor dort unten wüthet, welches Blutbad er ſchon an¬ gerichtet hat!“ „Ja, mein Vater iſt grauſam,“ antwortete Minerva, „er hat ganz vergeſſen, wie getreulich ich ſeinem Sohne Herkules auf allen Abentheuern zur Seite geſtan¬ den bin. Aber die Schmeichlerin Thetis hat ihn mit ihren Liebkoſungen beſtochen und nun bin ich ihm verhaßt geworden. Doch, denke ich, nennt er mich einmal wieder ſein blauäugiges Töchterlein. Hilf mir den Wagen an¬ ſchirren, Here, ich ſelbſt will zum Vater nach dem Ida hinabeilen!“
Aber Jupiter ergrimmte, als er dieß inne wurde, und ſeine windſchnelle Botin Iris mußte den Wagen aufhal¬ ten, als er mit den beiden Göttinnen eben durch das vor¬ derſte Thor des Olympus hindurchfuhr. Auf ſeine zornige Botſchaft lenkten dieſe um, und bald erſchien Zeus auf dem Donnerwagen ſelbſt wieder, daß die Höhen des Götterbergs vor ſeinem Nahen erbebten. Aber er blieb taub gegen die Bitten der Gemahlin und der Tochter. „Noch größeren Sieg der Trojaner ſollſt du morgen
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ſo lange mit dem Schild, bis zwei Freunde den ſchwer
Aufſtöhnenden nach den Schiffen getragen hatten.
Nun aber ſtärkte Jupiter den Trojanern den Muth
wieder. Wüthend und mit funkelnden Augen drang Hektor
mit den Erſten voran, und verfolgte die Griechen, wie
ein Hund den gehetzten Eber im Bergwalde verfolgt, in¬
dem er immer jeden Aeußerſten, der ihm in den Wurf
kam, niederſtreckte. Die Griechen wurden wieder zu den
Schiffen zuſammengedrängt und beteten geängſtet zu ihren
Göttern. Das erbarmte Juno, und zu Athene gewendet
ſprach ſie: „Wollen wir das ſterbende Volk der Danaer
immer noch nicht retten? Siehſt du nicht, wie unerträglich
Hektor dort unten wüthet, welches Blutbad er ſchon an¬
gerichtet hat!“ „Ja, mein Vater iſt grauſam,“ antwortete
Minerva, „er hat ganz vergeſſen, wie getreulich ich ſeinem
Sohne Herkules auf allen Abentheuern zur Seite geſtan¬
den bin. Aber die Schmeichlerin Thetis hat ihn mit
ihren Liebkoſungen beſtochen und nun bin ich ihm verhaßt
geworden. Doch, denke ich, nennt er mich einmal wieder
ſein blauäugiges Töchterlein. Hilf mir den Wagen an¬
ſchirren, Here, ich ſelbſt will zum Vater nach dem Ida
hinabeilen!“
Aber Jupiter ergrimmte, als er dieß inne wurde, und
ſeine windſchnelle Botin Iris mußte den Wagen aufhal¬
ten, als er mit den beiden Göttinnen eben durch das vor¬
derſte Thor des Olympus hindurchfuhr. Auf ſeine zornige
Botſchaft lenkten dieſe um, und bald erſchien Zeus auf
dem Donnerwagen ſelbſt wieder, daß die Höhen des
Götterbergs vor ſeinem Nahen erbebten. Aber er blieb
taub gegen die Bitten der Gemahlin und der Tochter.
„Noch größeren Sieg der Trojaner ſollſt du morgen
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/180>, abgerufen am 25.11.2024.
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