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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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Am andern Morgen aber soll Idäus, unser Herold, zu
den Schiffen der Griechen gehen, und denselben das fried¬
same Wort meines Sohnes Paris verkündigen, zugleich
sie erforschen, ob sie geneigt seyen, uns Waffenruhe zu
gewähren, bis wir unsere Todten verbrannt haben. Kön¬
nen wir uns nicht vereinigen, so mag nachher die Feld¬
schlacht wieder beginnen."

So geschah es. Am andern Morgen erschien Idäus
als Herold vor den Griechen und meldete das Anerbieten
des Paris und den Vorschlag des Königes. Als die Hel¬
den der Danaer solches hörten, blieben Alle lange stumm.
Endlich begann Diomedes: "Laßt euch doch nicht einfallen,
ihr Griechen, die Schätze anzunehmen, auch nicht, wenn
ihr Helena dazu bekämet. Der Einfältigste wird ja wohl
hieraus erkennen, daß die Trojaner bereits mit dem Unter¬
gang bedroht sind!" Diesem Worte jauchzten die Fürsten
alle Beifall zu und Agamemnon sprach jetzt zu dem He¬
rolde: "Du hast selbst den Bescheid der Griechen, was
den Vorschlag des Paris betrifft, vernommen; die Ver¬
brennung der Todten aber soll euch keineswegs verweigert
seyn; der Donnerer selbst soll diese unsere Zusage hören!"
Mit diesen Worten hub er den Scepter gen Himmel.
Idäus kehrte nach Troja zurück und traf den Rath der
Trojaner wieder versammelt. Auf die willkommene Bot¬
schaft wurde es schnell in der Stadt lebendig; die Einen
holten die Leichname, die Andern Holz aus der Waldung.
Und ganz dasselbe geschah im Schiffslager der Griechen.
Friedlich begegneten im Strahl der Morgensonne Feinde
den Feinden, und suchten ihre Todten, Einer an der Seite
des Andern. Schwer war der Gegner vom Freunde zu
erkennen, wie die Leichname blutig und der Rüstungen

Am andern Morgen aber ſoll Idäus, unſer Herold, zu
den Schiffen der Griechen gehen, und denſelben das fried¬
ſame Wort meines Sohnes Paris verkündigen, zugleich
ſie erforſchen, ob ſie geneigt ſeyen, uns Waffenruhe zu
gewähren, bis wir unſere Todten verbrannt haben. Kön¬
nen wir uns nicht vereinigen, ſo mag nachher die Feld¬
ſchlacht wieder beginnen.“

So geſchah es. Am andern Morgen erſchien Idäus
als Herold vor den Griechen und meldete das Anerbieten
des Paris und den Vorſchlag des Königes. Als die Hel¬
den der Danaer ſolches hörten, blieben Alle lange ſtumm.
Endlich begann Diomedes: „Laßt euch doch nicht einfallen,
ihr Griechen, die Schätze anzunehmen, auch nicht, wenn
ihr Helena dazu bekämet. Der Einfältigſte wird ja wohl
hieraus erkennen, daß die Trojaner bereits mit dem Unter¬
gang bedroht ſind!“ Dieſem Worte jauchzten die Fürſten
alle Beifall zu und Agamemnon ſprach jetzt zu dem He¬
rolde: „Du haſt ſelbſt den Beſcheid der Griechen, was
den Vorſchlag des Paris betrifft, vernommen; die Ver¬
brennung der Todten aber ſoll euch keineswegs verweigert
ſeyn; der Donnerer ſelbſt ſoll dieſe unſere Zuſage hören!“
Mit dieſen Worten hub er den Scepter gen Himmel.
Idäus kehrte nach Troja zurück und traf den Rath der
Trojaner wieder verſammelt. Auf die willkommene Bot¬
ſchaft wurde es ſchnell in der Stadt lebendig; die Einen
holten die Leichname, die Andern Holz aus der Waldung.
Und ganz daſſelbe geſchah im Schiffslager der Griechen.
Friedlich begegneten im Strahl der Morgenſonne Feinde
den Feinden, und ſuchten ihre Todten, Einer an der Seite
des Andern. Schwer war der Gegner vom Freunde zu
erkennen, wie die Leichname blutig und der Rüſtungen

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[151/0173] Am andern Morgen aber ſoll Idäus, unſer Herold, zu den Schiffen der Griechen gehen, und denſelben das fried¬ ſame Wort meines Sohnes Paris verkündigen, zugleich ſie erforſchen, ob ſie geneigt ſeyen, uns Waffenruhe zu gewähren, bis wir unſere Todten verbrannt haben. Kön¬ nen wir uns nicht vereinigen, ſo mag nachher die Feld¬ ſchlacht wieder beginnen.“ So geſchah es. Am andern Morgen erſchien Idäus als Herold vor den Griechen und meldete das Anerbieten des Paris und den Vorſchlag des Königes. Als die Hel¬ den der Danaer ſolches hörten, blieben Alle lange ſtumm. Endlich begann Diomedes: „Laßt euch doch nicht einfallen, ihr Griechen, die Schätze anzunehmen, auch nicht, wenn ihr Helena dazu bekämet. Der Einfältigſte wird ja wohl hieraus erkennen, daß die Trojaner bereits mit dem Unter¬ gang bedroht ſind!“ Dieſem Worte jauchzten die Fürſten alle Beifall zu und Agamemnon ſprach jetzt zu dem He¬ rolde: „Du haſt ſelbſt den Beſcheid der Griechen, was den Vorſchlag des Paris betrifft, vernommen; die Ver¬ brennung der Todten aber ſoll euch keineswegs verweigert ſeyn; der Donnerer ſelbſt ſoll dieſe unſere Zuſage hören!“ Mit dieſen Worten hub er den Scepter gen Himmel. Idäus kehrte nach Troja zurück und traf den Rath der Trojaner wieder verſammelt. Auf die willkommene Bot¬ ſchaft wurde es ſchnell in der Stadt lebendig; die Einen holten die Leichname, die Andern Holz aus der Waldung. Und ganz daſſelbe geſchah im Schiffslager der Griechen. Friedlich begegneten im Strahl der Morgenſonne Feinde den Feinden, und ſuchten ihre Todten, Einer an der Seite des Andern. Schwer war der Gegner vom Freunde zu erkennen, wie die Leichname blutig und der Rüſtungen

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/173>, abgerufen am 25.11.2024.