ruhen lassen. Ein andermal mögen sie die Feldschlacht erneuern, weil ihr, du und Here, doch nicht ruhet, bis ihr die hohe Stadt Troja verwüstet habt!" Ihm antwortete Athene: "Fernhintreffer, es sey, wie du sagst; und in derselben Absicht bin auch ich vom Olymp herabgekommen. Aber sage mir, wie gedenkst du den Männerkampf zu stillen?" "Wir wollen," sprach Apollo, "dem gewaltigen Hektor seinen Muth noch steigern, daß er einen der Da¬ naer zum entscheidenden Zweikampf herausfordert, laß uns denn sehen, was diese thun." Athene war das zufrieden.
Das Gespräch der Unsterblichen hatte der Seher He¬ lenus in seiner Seele vernommen; eilig trat er zu Hektor und sprach: "Weiser Sohn des Priamus, wolltest du dießmal meinem Rathe gehorchen, der ich dein liebender Bruder bin? Heiß die andern Alle, Trojaner und Grie¬ chen, vom Streite ruhen; du selbst aber fordre den Tapfer¬ sten aller Achiver zur Entscheidung heraus. Du kannst es ohne Gefahr; denn, glaube meinem Seherworte, der Tod ist noch nicht über dich verhängt."
Hektor freute sich dieses Worts. Er hemmte die tro¬ janischen Heerhaufen und trat, den Speer in der Mitte haltend, zwischen die kämpfenden Heere, und auf dieses Zeichen ruhte alsbald der Streit auf beiden Seiten, denn auch Agamemnon hieß seine Griechen sich lagern. Minerva und Apollo aber setzten sich beide in Gestalt zweier Geier auf Jupiters Buche und freuten sich des Männergewühls, bis beide Ordnungen, von Schilden, Helmen und hervor¬ ragenden Lanzen dicht umstarrt, gedrängt dasaßen, nur so viel sich regend, als das Meer, wenn das Gekräusel des Westes darüber hinschauert. In der Mitte beider Völker begann jetzt Hektor: "Trojaner und ihr Griechen, höret,
ruhen laſſen. Ein andermal mögen ſie die Feldſchlacht erneuern, weil ihr, du und Here, doch nicht ruhet, bis ihr die hohe Stadt Troja verwüſtet habt!“ Ihm antwortete Athene: „Fernhintreffer, es ſey, wie du ſagſt; und in derſelben Abſicht bin auch ich vom Olymp herabgekommen. Aber ſage mir, wie gedenkſt du den Männerkampf zu ſtillen?“ „Wir wollen,“ ſprach Apollo, „dem gewaltigen Hektor ſeinen Muth noch ſteigern, daß er einen der Da¬ naer zum entſcheidenden Zweikampf herausfordert, laß uns denn ſehen, was dieſe thun.“ Athene war das zufrieden.
Das Geſpräch der Unſterblichen hatte der Seher He¬ lenus in ſeiner Seele vernommen; eilig trat er zu Hektor und ſprach: „Weiſer Sohn des Priamus, wollteſt du dießmal meinem Rathe gehorchen, der ich dein liebender Bruder bin? Heiß die andern Alle, Trojaner und Grie¬ chen, vom Streite ruhen; du ſelbſt aber fordre den Tapfer¬ ſten aller Achiver zur Entſcheidung heraus. Du kannſt es ohne Gefahr; denn, glaube meinem Seherworte, der Tod iſt noch nicht über dich verhängt.“
Hektor freute ſich dieſes Worts. Er hemmte die tro¬ janiſchen Heerhaufen und trat, den Speer in der Mitte haltend, zwiſchen die kämpfenden Heere, und auf dieſes Zeichen ruhte alsbald der Streit auf beiden Seiten, denn auch Agamemnon hieß ſeine Griechen ſich lagern. Minerva und Apollo aber ſetzten ſich beide in Geſtalt zweier Geier auf Jupiters Buche und freuten ſich des Männergewühls, bis beide Ordnungen, von Schilden, Helmen und hervor¬ ragenden Lanzen dicht umſtarrt, gedrängt daſaßen, nur ſo viel ſich regend, als das Meer, wenn das Gekräuſel des Weſtes darüber hinſchauert. In der Mitte beider Völker begann jetzt Hektor: „Trojaner und ihr Griechen, höret,
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ruhen laſſen. Ein andermal mögen ſie die Feldſchlacht
erneuern, weil ihr, du und Here, doch nicht ruhet, bis ihr
die hohe Stadt Troja verwüſtet habt!“ Ihm antwortete
Athene: „Fernhintreffer, es ſey, wie du ſagſt; und in
derſelben Abſicht bin auch ich vom Olymp herabgekommen.
Aber ſage mir, wie gedenkſt du den Männerkampf zu
ſtillen?“ „Wir wollen,“ ſprach Apollo, „dem gewaltigen
Hektor ſeinen Muth noch ſteigern, daß er einen der Da¬
naer zum entſcheidenden Zweikampf herausfordert, laß uns
denn ſehen, was dieſe thun.“ Athene war das zufrieden.
Das Geſpräch der Unſterblichen hatte der Seher He¬
lenus in ſeiner Seele vernommen; eilig trat er zu Hektor
und ſprach: „Weiſer Sohn des Priamus, wollteſt du
dießmal meinem Rathe gehorchen, der ich dein liebender
Bruder bin? Heiß die andern Alle, Trojaner und Grie¬
chen, vom Streite ruhen; du ſelbſt aber fordre den Tapfer¬
ſten aller Achiver zur Entſcheidung heraus. Du kannſt es
ohne Gefahr; denn, glaube meinem Seherworte, der Tod
iſt noch nicht über dich verhängt.“
Hektor freute ſich dieſes Worts. Er hemmte die tro¬
janiſchen Heerhaufen und trat, den Speer in der Mitte
haltend, zwiſchen die kämpfenden Heere, und auf dieſes
Zeichen ruhte alsbald der Streit auf beiden Seiten, denn
auch Agamemnon hieß ſeine Griechen ſich lagern. Minerva
und Apollo aber ſetzten ſich beide in Geſtalt zweier Geier
auf Jupiters Buche und freuten ſich des Männergewühls,
bis beide Ordnungen, von Schilden, Helmen und hervor¬
ragenden Lanzen dicht umſtarrt, gedrängt daſaßen, nur ſo
viel ſich regend, als das Meer, wenn das Gekräuſel des
Weſtes darüber hinſchauert. In der Mitte beider Völker
begann jetzt Hektor: „Trojaner und ihr Griechen, höret,
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/166>, abgerufen am 24.11.2024.
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