rücklings, wie er gekommen war. Indessen hatten sich die Schwestern Medusa's vom Lager erhoben. Sie er¬ blickten den Rumpf der getödteten Schwester und erho¬ ben sich auf ihren Fittichen, den Räuber zu verfolgen. Diesen aber verbarg der Nymphenhelm vor ihren Augen und sie konnten ihn nirgends inne werden. In der Luft faßten inzwischen den Perseus die Winde und schleuderten ihn, wie Regengewölk, bald da bald dorthin; als er über den Sandwüsten Libyens schwebte, rieselten blutige Tro¬ pfen vom Medusenhaupte auf die Erde nieder, welche sie auffing und zu bunten Schlangen belebte. Seitdem ist jenes Erdreich an feindseligen Nattern so ergiebig. Perseus flog nun weiter westwärts und senkte sich endlich im Reiche des Königes Atlas nieder, um ein wenig zu rasten. Dieser hütete einen Hain voll goldener Früchte mit einem gewaltigen Drachen. Umsonst bat der Besieger der Gorgone ihn um ein Obdach. Für sein goldenes Besitzthum bange, stieß ihn Atlas unbarmherzig von sei¬ nem Pallaste fort. Da ergrimmte Perseus und sprach: "Du willst mir nichts gönnen: empfange du wenigstens ein Geschenk von mir." Er holte die Gorgo aus seinem Schubsacke hervor, wandte sich ab und streckte sie dem König Atlas entgegen. Groß wie der König war, wurde er augenblicklich zu Stein und in einen Berg ver¬ wandelt, Bart und Haupthaar dehnten sich zu Wäldern aus; Schultern, Hände und Gebein wurden Felsrücken; sein Haupt wuchs als hoher Gipfel in die Wolken. Per¬ seus nahm seine Fittiche wieder, und schnallte sie sich an die Sohlen, hängte sich den Schubsack um, setzte den Helm auf und schwang sich in die Lüfte. Auf seinem Fluge kam er an eine Küste Aethiopiens, wo der König Cepheus
rücklings, wie er gekommen war. Indeſſen hatten ſich die Schweſtern Meduſa's vom Lager erhoben. Sie er¬ blickten den Rumpf der getödteten Schweſter und erho¬ ben ſich auf ihren Fittichen, den Räuber zu verfolgen. Dieſen aber verbarg der Nymphenhelm vor ihren Augen und ſie konnten ihn nirgends inne werden. In der Luft faßten inzwiſchen den Perſeus die Winde und ſchleuderten ihn, wie Regengewölk, bald da bald dorthin; als er über den Sandwüſten Libyens ſchwebte, rieſelten blutige Tro¬ pfen vom Meduſenhaupte auf die Erde nieder, welche ſie auffing und zu bunten Schlangen belebte. Seitdem iſt jenes Erdreich an feindſeligen Nattern ſo ergiebig. Perſeus flog nun weiter weſtwärts und ſenkte ſich endlich im Reiche des Königes Atlas nieder, um ein wenig zu raſten. Dieſer hütete einen Hain voll goldener Früchte mit einem gewaltigen Drachen. Umſonſt bat der Beſieger der Gorgone ihn um ein Obdach. Für ſein goldenes Beſitzthum bange, ſtieß ihn Atlas unbarmherzig von ſei¬ nem Pallaſte fort. Da ergrimmte Perſeus und ſprach: „Du willſt mir nichts gönnen: empfange du wenigſtens ein Geſchenk von mir.“ Er holte die Gorgo aus ſeinem Schubſacke hervor, wandte ſich ab und ſtreckte ſie dem König Atlas entgegen. Groß wie der König war, wurde er augenblicklich zu Stein und in einen Berg ver¬ wandelt, Bart und Haupthaar dehnten ſich zu Wäldern aus; Schultern, Hände und Gebein wurden Felsrücken; ſein Haupt wuchs als hoher Gipfel in die Wolken. Per¬ ſeus nahm ſeine Fittiche wieder, und ſchnallte ſie ſich an die Sohlen, hängte ſich den Schubſack um, ſetzte den Helm auf und ſchwang ſich in die Lüfte. Auf ſeinem Fluge kam er an eine Küſte Aethiopiens, wo der König Cepheus
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0086"n="60"/>
rücklings, wie er gekommen war. Indeſſen hatten ſich<lb/>
die Schweſtern Meduſa's vom Lager erhoben. Sie er¬<lb/>
blickten den Rumpf der getödteten Schweſter und erho¬<lb/>
ben ſich auf ihren Fittichen, den Räuber zu verfolgen.<lb/>
Dieſen aber verbarg der Nymphenhelm vor ihren Augen<lb/>
und ſie konnten ihn nirgends inne werden. In der Luft<lb/>
faßten inzwiſchen den Perſeus die Winde und ſchleuderten<lb/>
ihn, wie Regengewölk, bald da bald dorthin; als er über<lb/>
den Sandwüſten Libyens ſchwebte, rieſelten blutige Tro¬<lb/>
pfen vom Meduſenhaupte auf die Erde nieder, welche<lb/>ſie auffing und zu bunten Schlangen belebte. Seitdem<lb/>
iſt jenes Erdreich an feindſeligen Nattern ſo ergiebig.<lb/>
Perſeus flog nun weiter weſtwärts und ſenkte ſich endlich<lb/>
im Reiche des Königes Atlas nieder, um ein wenig zu<lb/>
raſten. Dieſer hütete einen Hain voll goldener Früchte<lb/>
mit einem gewaltigen Drachen. Umſonſt bat der Beſieger<lb/>
der Gorgone ihn um ein Obdach. Für ſein goldenes<lb/>
Beſitzthum bange, ſtieß ihn Atlas unbarmherzig von ſei¬<lb/>
nem Pallaſte fort. Da ergrimmte Perſeus und ſprach:<lb/>„Du willſt mir nichts gönnen: empfange du wenigſtens<lb/>
ein Geſchenk von mir.“ Er holte die Gorgo aus ſeinem<lb/>
Schubſacke hervor, wandte ſich ab und ſtreckte ſie dem<lb/>
König Atlas entgegen. Groß wie der König war,<lb/>
wurde er augenblicklich zu Stein und in einen Berg ver¬<lb/>
wandelt, Bart und Haupthaar dehnten ſich zu Wäldern<lb/>
aus; Schultern, Hände und Gebein wurden Felsrücken;<lb/>ſein Haupt wuchs als hoher Gipfel in die Wolken. Per¬<lb/>ſeus nahm ſeine Fittiche wieder, und ſchnallte ſie ſich an<lb/>
die Sohlen, hängte ſich den Schubſack um, ſetzte den Helm<lb/>
auf und ſchwang ſich in die Lüfte. Auf ſeinem Fluge<lb/>
kam er an eine Küſte Aethiopiens, wo der König Cepheus<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[60/0086]
rücklings, wie er gekommen war. Indeſſen hatten ſich
die Schweſtern Meduſa's vom Lager erhoben. Sie er¬
blickten den Rumpf der getödteten Schweſter und erho¬
ben ſich auf ihren Fittichen, den Räuber zu verfolgen.
Dieſen aber verbarg der Nymphenhelm vor ihren Augen
und ſie konnten ihn nirgends inne werden. In der Luft
faßten inzwiſchen den Perſeus die Winde und ſchleuderten
ihn, wie Regengewölk, bald da bald dorthin; als er über
den Sandwüſten Libyens ſchwebte, rieſelten blutige Tro¬
pfen vom Meduſenhaupte auf die Erde nieder, welche
ſie auffing und zu bunten Schlangen belebte. Seitdem
iſt jenes Erdreich an feindſeligen Nattern ſo ergiebig.
Perſeus flog nun weiter weſtwärts und ſenkte ſich endlich
im Reiche des Königes Atlas nieder, um ein wenig zu
raſten. Dieſer hütete einen Hain voll goldener Früchte
mit einem gewaltigen Drachen. Umſonſt bat der Beſieger
der Gorgone ihn um ein Obdach. Für ſein goldenes
Beſitzthum bange, ſtieß ihn Atlas unbarmherzig von ſei¬
nem Pallaſte fort. Da ergrimmte Perſeus und ſprach:
„Du willſt mir nichts gönnen: empfange du wenigſtens
ein Geſchenk von mir.“ Er holte die Gorgo aus ſeinem
Schubſacke hervor, wandte ſich ab und ſtreckte ſie dem
König Atlas entgegen. Groß wie der König war,
wurde er augenblicklich zu Stein und in einen Berg ver¬
wandelt, Bart und Haupthaar dehnten ſich zu Wäldern
aus; Schultern, Hände und Gebein wurden Felsrücken;
ſein Haupt wuchs als hoher Gipfel in die Wolken. Per¬
ſeus nahm ſeine Fittiche wieder, und ſchnallte ſie ſich an
die Sohlen, hängte ſich den Schubſack um, ſetzte den Helm
auf und ſchwang ſich in die Lüfte. Auf ſeinem Fluge
kam er an eine Küſte Aethiopiens, wo der König Cepheus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/86>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.