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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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Voll Dankes warf sich Kadmus auf der fremden
Erde nieder und küßte sie. Hierauf wollte er dem Jupiter
opfern, und hieß die Diener sich aufmachen um ihm
Wasser aus lebendigem Quell zum Trankopfer zu holen.
Dort war ein altes Gehölz, das noch von keinem Beile
jemals ausgehauen worden war, mitten darin bildete
durch zusammengefügtes Felsgestein, mit Gestrüppe und
Strauchwerk verwachsen, eine Kluft, reich an Quellwasser,
ein niedriges Gewölbe. In dieser Höhle versteckt ruhte
ein grausamer Drache. Weithin sah man seinen rothen
Kamm schimmern, aus den Augen sprühte Feuer, sein
Leib schwoll von Gift, mit drei Zungen zischte er, und
mit drei Reihen Zähne war sein Rachen bewaffnet. Wie
nun die Phönizier den Hain betreten hatten, und der
Krug, niedergelassen, in den Wellen plätscherte, streckte
der bläuliche Drache plötzlich sein Haupt weit aus der
Höhle und erhub ein entsetzliches Zischen. Die Schöpf¬
urnen entgleiteten der Hand der Diener, und vor Schrecken
stockte ihnen das Blut im Leibe. Der Drache aber ver¬
wickelte seine schuppigen Ringe zum schlüpfrigen Knäuel,
dann krümmte er sich im Bogensprunge, und über die
Hälfte aufgerichtet schaute er auf den Wald herab. Dann
reckte er sich gegen die Phönizier aus, tödtete die Einen
durch seinen Biß, die andern erdrückte er mit seiner Um¬
schlingung, noch andere erstickte sein bloßer Anhauch und
wieder andere brachte sein giftiger Geifer um.

Kadmus wußte nicht, warum seine Diener so lange
zauderten. Zuletzt machte er sich auf, selbst nach ihnen zu
schauen. Er deckte sich mit dem Felle, das er einem Lö¬
wen abgezogen hatte, nahm Lanze und Wurfspieß mit sich,
dazu ein Herz, das besser war, als jede Waffe. Das

Voll Dankes warf ſich Kadmus auf der fremden
Erde nieder und küßte ſie. Hierauf wollte er dem Jupiter
opfern, und hieß die Diener ſich aufmachen um ihm
Waſſer aus lebendigem Quell zum Trankopfer zu holen.
Dort war ein altes Gehölz, das noch von keinem Beile
jemals ausgehauen worden war, mitten darin bildete
durch zuſammengefügtes Felsgeſtein, mit Geſtrüppe und
Strauchwerk verwachſen, eine Kluft, reich an Quellwaſſer,
ein niedriges Gewölbe. In dieſer Höhle verſteckt ruhte
ein grauſamer Drache. Weithin ſah man ſeinen rothen
Kamm ſchimmern, aus den Augen ſprühte Feuer, ſein
Leib ſchwoll von Gift, mit drei Zungen ziſchte er, und
mit drei Reihen Zähne war ſein Rachen bewaffnet. Wie
nun die Phönizier den Hain betreten hatten, und der
Krug, niedergelaſſen, in den Wellen plätſcherte, ſtreckte
der bläuliche Drache plötzlich ſein Haupt weit aus der
Höhle und erhub ein entſetzliches Ziſchen. Die Schöpf¬
urnen entgleiteten der Hand der Diener, und vor Schrecken
ſtockte ihnen das Blut im Leibe. Der Drache aber ver¬
wickelte ſeine ſchuppigen Ringe zum ſchlüpfrigen Knäuel,
dann krümmte er ſich im Bogenſprunge, und über die
Hälfte aufgerichtet ſchaute er auf den Wald herab. Dann
reckte er ſich gegen die Phönizier aus, tödtete die Einen
durch ſeinen Biß, die andern erdrückte er mit ſeiner Um¬
ſchlingung, noch andere erſtickte ſein bloßer Anhauch und
wieder andere brachte ſein giftiger Geifer um.

Kadmus wußte nicht, warum ſeine Diener ſo lange
zauderten. Zuletzt machte er ſich auf, ſelbſt nach ihnen zu
ſchauen. Er deckte ſich mit dem Felle, das er einem Lö¬
wen abgezogen hatte, nahm Lanze und Wurfſpieß mit ſich,
dazu ein Herz, das beſſer war, als jede Waffe. Das

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[45/0071] Voll Dankes warf ſich Kadmus auf der fremden Erde nieder und küßte ſie. Hierauf wollte er dem Jupiter opfern, und hieß die Diener ſich aufmachen um ihm Waſſer aus lebendigem Quell zum Trankopfer zu holen. Dort war ein altes Gehölz, das noch von keinem Beile jemals ausgehauen worden war, mitten darin bildete durch zuſammengefügtes Felsgeſtein, mit Geſtrüppe und Strauchwerk verwachſen, eine Kluft, reich an Quellwaſſer, ein niedriges Gewölbe. In dieſer Höhle verſteckt ruhte ein grauſamer Drache. Weithin ſah man ſeinen rothen Kamm ſchimmern, aus den Augen ſprühte Feuer, ſein Leib ſchwoll von Gift, mit drei Zungen ziſchte er, und mit drei Reihen Zähne war ſein Rachen bewaffnet. Wie nun die Phönizier den Hain betreten hatten, und der Krug, niedergelaſſen, in den Wellen plätſcherte, ſtreckte der bläuliche Drache plötzlich ſein Haupt weit aus der Höhle und erhub ein entſetzliches Ziſchen. Die Schöpf¬ urnen entgleiteten der Hand der Diener, und vor Schrecken ſtockte ihnen das Blut im Leibe. Der Drache aber ver¬ wickelte ſeine ſchuppigen Ringe zum ſchlüpfrigen Knäuel, dann krümmte er ſich im Bogenſprunge, und über die Hälfte aufgerichtet ſchaute er auf den Wald herab. Dann reckte er ſich gegen die Phönizier aus, tödtete die Einen durch ſeinen Biß, die andern erdrückte er mit ſeiner Um¬ ſchlingung, noch andere erſtickte ſein bloßer Anhauch und wieder andere brachte ſein giftiger Geifer um. Kadmus wußte nicht, warum ſeine Diener ſo lange zauderten. Zuletzt machte er ſich auf, ſelbſt nach ihnen zu ſchauen. Er deckte ſich mit dem Felle, das er einem Lö¬ wen abgezogen hatte, nahm Lanze und Wurfſpieß mit ſich, dazu ein Herz, das beſſer war, als jede Waffe. Das

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/71>, abgerufen am 22.11.2024.