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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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zu Jupiter, daß er ein Wunder thun und ihre kleinen
Söhne, Akarnan und Amphoterus, plötzlich mannbar wer¬
den lassen sollte, damit sie die Mörder ihres Vaters be¬
strafen könnten. Da Kallirrhoe schuldlos war, erhörte
Jupiter ihre Bitte, und die Söhne, die als unmündige
Knaben zu Bette gegangen waren, erwachten als bärtige
Männer voll Thatkraft und Rachelust. Sie zogen aus und
wandten sich zuerst nach Tegea. Hier kamen sie gerade
um dieselbe Zeit an, als die Söhne des Phegeus, Pro¬
nous und Agenor, mit ihrer unglücklichen Schwester, Ar¬
sinoe, dort angelangt und im Begriffe waren, nach Del¬
phi zu reisen, um dort den heillosen Schmuck Aphrodi¬
tens im Tempel Apollo's als Weihgeschenk niederzulegen.
Diese wußten nicht, wen sie vor sich hatten, als die bär¬
tigen Jünglinge auf sie eindrangen, den Mord ihres Va¬
ters zu rächen, und ehe sie den Grund des Angriffes er¬
fahren hatten, waren sie erschlagen. Die Söhne Alkmäons
rechtfertigten sich bei Agapenor und erzählten ihm den
wahren Hergang der Sachen; sie wandten sich dann
nach Psophis, traten hier in den Pallast und tödteten den
König Phegeus mitsammt seiner Gemahlin. Verfolgt und
gerettet verkündeten sie ihrer Mutter die vollbrachte Rache;
dann zogen sie nach Delphi und legten, nach dem Rath
ihres Großvaters Achelous, Halsband und Schleier als
Weihgeschenk im Tempel Apollos nieder. Als dieß gesche¬
hen war, erlosch der Fluch, der auf dem Hause des Am¬
phiaraus gelegen, und seine Enkel, die Söhne Alkmäons und
Kalirrhoe's sammelten Ansiedler in Epirus und gründeten
Akarnanien. Klytius, der Sohn Alkmäons und Arsinoe's hatte
nach des Vaters Ermordung seine mütterlichen Verwandten
mit Abscheu verlassen und in Elis eine Zuflucht gefunden.

Schwab, das klassische Alterthum. I. 25

zu Jupiter, daß er ein Wunder thun und ihre kleinen
Söhne, Akarnan und Amphoterus, plötzlich mannbar wer¬
den laſſen ſollte, damit ſie die Mörder ihres Vaters be¬
ſtrafen könnten. Da Kallirrhoe ſchuldlos war, erhörte
Jupiter ihre Bitte, und die Söhne, die als unmündige
Knaben zu Bette gegangen waren, erwachten als bärtige
Männer voll Thatkraft und Racheluſt. Sie zogen aus und
wandten ſich zuerſt nach Tegea. Hier kamen ſie gerade
um dieſelbe Zeit an, als die Söhne des Phegeus, Pro¬
nous und Agenor, mit ihrer unglücklichen Schweſter, Ar¬
ſinoe, dort angelangt und im Begriffe waren, nach Del¬
phi zu reiſen, um dort den heilloſen Schmuck Aphrodi¬
tens im Tempel Apollo's als Weihgeſchenk niederzulegen.
Dieſe wußten nicht, wen ſie vor ſich hatten, als die bär¬
tigen Jünglinge auf ſie eindrangen, den Mord ihres Va¬
ters zu rächen, und ehe ſie den Grund des Angriffes er¬
fahren hatten, waren ſie erſchlagen. Die Söhne Alkmäons
rechtfertigten ſich bei Agapenor und erzählten ihm den
wahren Hergang der Sachen; ſie wandten ſich dann
nach Pſophis, traten hier in den Pallaſt und tödteten den
König Phegeus mitſammt ſeiner Gemahlin. Verfolgt und
gerettet verkündeten ſie ihrer Mutter die vollbrachte Rache;
dann zogen ſie nach Delphi und legten, nach dem Rath
ihres Großvaters Achelous, Halsband und Schleier als
Weihgeſchenk im Tempel Apollos nieder. Als dieß geſche¬
hen war, erloſch der Fluch, der auf dem Hauſe des Am¬
phiaraus gelegen, und ſeine Enkel, die Söhne Alkmäons und
Kalirrhoe's ſammelten Anſiedler in Epirus und gründeten
Akarnanien. Klytius, der Sohn Alkmäons und Arſinoe's hatte
nach des Vaters Ermordung ſeine mütterlichen Verwandten
mit Abſcheu verlaſſen und in Elis eine Zuflucht gefunden.

Schwab, das klaſſiſche Alterthum. I. 25
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[385/0411] zu Jupiter, daß er ein Wunder thun und ihre kleinen Söhne, Akarnan und Amphoterus, plötzlich mannbar wer¬ den laſſen ſollte, damit ſie die Mörder ihres Vaters be¬ ſtrafen könnten. Da Kallirrhoe ſchuldlos war, erhörte Jupiter ihre Bitte, und die Söhne, die als unmündige Knaben zu Bette gegangen waren, erwachten als bärtige Männer voll Thatkraft und Racheluſt. Sie zogen aus und wandten ſich zuerſt nach Tegea. Hier kamen ſie gerade um dieſelbe Zeit an, als die Söhne des Phegeus, Pro¬ nous und Agenor, mit ihrer unglücklichen Schweſter, Ar¬ ſinoe, dort angelangt und im Begriffe waren, nach Del¬ phi zu reiſen, um dort den heilloſen Schmuck Aphrodi¬ tens im Tempel Apollo's als Weihgeſchenk niederzulegen. Dieſe wußten nicht, wen ſie vor ſich hatten, als die bär¬ tigen Jünglinge auf ſie eindrangen, den Mord ihres Va¬ ters zu rächen, und ehe ſie den Grund des Angriffes er¬ fahren hatten, waren ſie erſchlagen. Die Söhne Alkmäons rechtfertigten ſich bei Agapenor und erzählten ihm den wahren Hergang der Sachen; ſie wandten ſich dann nach Pſophis, traten hier in den Pallaſt und tödteten den König Phegeus mitſammt ſeiner Gemahlin. Verfolgt und gerettet verkündeten ſie ihrer Mutter die vollbrachte Rache; dann zogen ſie nach Delphi und legten, nach dem Rath ihres Großvaters Achelous, Halsband und Schleier als Weihgeſchenk im Tempel Apollos nieder. Als dieß geſche¬ hen war, erloſch der Fluch, der auf dem Hauſe des Am¬ phiaraus gelegen, und ſeine Enkel, die Söhne Alkmäons und Kalirrhoe's ſammelten Anſiedler in Epirus und gründeten Akarnanien. Klytius, der Sohn Alkmäons und Arſinoe's hatte nach des Vaters Ermordung ſeine mütterlichen Verwandten mit Abſcheu verlaſſen und in Elis eine Zuflucht gefunden. Schwab, das klaſſiſche Alterthum. I. 25

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/411>, abgerufen am 25.11.2024.