Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

und enteilte dann, ohne ein gutes oder böses Wort zu
sprechen. Dem verzweifelnden Könige, der von Dienern
begleitet, welche die Leiche seines einzigen Sohnes tru¬
gen, jammernd in den Pallast zurückkehrte, kam die Nach¬
richt entgegen, daß im Innern des Hauses seine Gemah¬
lin entseelt in ihrem Blute liege, mit einer tiefen Schwert¬
wunde im Herzen.


Bestattung der thebanischen Helden .

Vom ganzen Stamme des Oedipus war jetzt, außer zwei
Söhnen der gefallenen Brüder, nur noch Ismene übrig.
Von ihr erzählt die Sage nichts; sie starb unvermählt
oder kinderlos, und mit ihrem Tode erlosch das unselige
Geschlecht. Von den sieben Helden, die gegen Thebe aus¬
gezogen waren, entkam dem unglücklichen Sturme und
der letzten Schlacht der König Adrastus allein, den sein
unsterbliches Roß, Arion, von Neptunus und Ceres er¬
zeugt, auf geflügelter Flucht rettete. Er erreichte glücklich
Athen, nahm dort seine Zuflucht als Schutzflehender an
den Altar der Barmherzigkeit, und flehte, einen Oelzweig
in der Hand, die Athener an, ihn zu unterstützen, daß
er die vor Thebe gefallenen Helden und Mitbürger zu
ehrlicher Bestattung sich erstreiten könnte. Die Athener
erhörten seinen Wunsch und zogen unter Theseus mit
ihm zu Felde. Die Thebaner wurden gezwungen, die Be¬
erdigung zu gestatten. Nun errichtete Adrastus den Leich¬
namen der gefallenen Helden sieben gethürmte Scheiter¬
haufen und hielt am Asopus, dem Apollo zu Ehren, ein
Wettrennen. Als der Scheiterhaufen des Kapaneus brannte,

und enteilte dann, ohne ein gutes oder böſes Wort zu
ſprechen. Dem verzweifelnden Könige, der von Dienern
begleitet, welche die Leiche ſeines einzigen Sohnes tru¬
gen, jammernd in den Pallaſt zurückkehrte, kam die Nach¬
richt entgegen, daß im Innern des Hauſes ſeine Gemah¬
lin entſeelt in ihrem Blute liege, mit einer tiefen Schwert¬
wunde im Herzen.


Beſtattung der thebaniſchen Helden .

Vom ganzen Stamme des Oedipus war jetzt, außer zwei
Söhnen der gefallenen Brüder, nur noch Iſmene übrig.
Von ihr erzählt die Sage nichts; ſie ſtarb unvermählt
oder kinderlos, und mit ihrem Tode erloſch das unſelige
Geſchlecht. Von den ſieben Helden, die gegen Thebe aus¬
gezogen waren, entkam dem unglücklichen Sturme und
der letzten Schlacht der König Adraſtus allein, den ſein
unſterbliches Roß, Arion, von Neptunus und Ceres er¬
zeugt, auf geflügelter Flucht rettete. Er erreichte glücklich
Athen, nahm dort ſeine Zuflucht als Schutzflehender an
den Altar der Barmherzigkeit, und flehte, einen Oelzweig
in der Hand, die Athener an, ihn zu unterſtützen, daß
er die vor Thebe gefallenen Helden und Mitbürger zu
ehrlicher Beſtattung ſich erſtreiten könnte. Die Athener
erhörten ſeinen Wunſch und zogen unter Theſeus mit
ihm zu Felde. Die Thebaner wurden gezwungen, die Be¬
erdigung zu geſtatten. Nun errichtete Adraſtus den Leich¬
namen der gefallenen Helden ſieben gethürmte Scheiter¬
haufen und hielt am Aſopus, dem Apollo zu Ehren, ein
Wettrennen. Als der Scheiterhaufen des Kapaneus brannte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0403" n="377"/>
und enteilte dann, ohne ein gutes oder bö&#x017F;es Wort zu<lb/>
&#x017F;prechen. Dem verzweifelnden Könige, der von Dienern<lb/>
begleitet, welche die Leiche &#x017F;eines einzigen Sohnes tru¬<lb/>
gen, jammernd in den Palla&#x017F;t zurückkehrte, kam die Nach¬<lb/>
richt entgegen, daß im Innern des Hau&#x017F;es &#x017F;eine Gemah¬<lb/>
lin ent&#x017F;eelt in ihrem Blute liege, mit einer tiefen Schwert¬<lb/>
wunde im Herzen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr #g">Be&#x017F;tattung der thebani&#x017F;chen Helden</hi> <hi rendition="#g">.</hi><lb/>
            </head>
            <p>Vom ganzen Stamme des Oedipus war jetzt, außer zwei<lb/>
Söhnen der gefallenen Brüder, nur noch I&#x017F;mene übrig.<lb/>
Von ihr erzählt die Sage nichts; &#x017F;ie &#x017F;tarb unvermählt<lb/>
oder kinderlos, und mit ihrem Tode erlo&#x017F;ch das un&#x017F;elige<lb/>
Ge&#x017F;chlecht. Von den &#x017F;ieben Helden, die gegen Thebe aus¬<lb/>
gezogen waren, entkam dem unglücklichen Sturme und<lb/>
der letzten Schlacht der König Adra&#x017F;tus allein, den &#x017F;ein<lb/>
un&#x017F;terbliches Roß, Arion, von Neptunus und Ceres er¬<lb/>
zeugt, auf geflügelter Flucht rettete. Er erreichte glücklich<lb/>
Athen, nahm dort &#x017F;eine Zuflucht als Schutzflehender an<lb/>
den Altar der Barmherzigkeit, und flehte, einen Oelzweig<lb/>
in der Hand, die Athener an, ihn zu unter&#x017F;tützen, daß<lb/>
er die vor Thebe gefallenen Helden und Mitbürger zu<lb/>
ehrlicher Be&#x017F;tattung &#x017F;ich er&#x017F;treiten könnte. Die Athener<lb/>
erhörten &#x017F;einen Wun&#x017F;ch und zogen unter The&#x017F;eus mit<lb/>
ihm zu Felde. Die Thebaner wurden gezwungen, die Be¬<lb/>
erdigung zu ge&#x017F;tatten. Nun errichtete Adra&#x017F;tus den Leich¬<lb/>
namen der gefallenen Helden &#x017F;ieben gethürmte Scheiter¬<lb/>
haufen und hielt am A&#x017F;opus, dem Apollo zu Ehren, ein<lb/>
Wettrennen. Als der Scheiterhaufen des Kapaneus brannte,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377/0403] und enteilte dann, ohne ein gutes oder böſes Wort zu ſprechen. Dem verzweifelnden Könige, der von Dienern begleitet, welche die Leiche ſeines einzigen Sohnes tru¬ gen, jammernd in den Pallaſt zurückkehrte, kam die Nach¬ richt entgegen, daß im Innern des Hauſes ſeine Gemah¬ lin entſeelt in ihrem Blute liege, mit einer tiefen Schwert¬ wunde im Herzen. Beſtattung der thebaniſchen Helden . Vom ganzen Stamme des Oedipus war jetzt, außer zwei Söhnen der gefallenen Brüder, nur noch Iſmene übrig. Von ihr erzählt die Sage nichts; ſie ſtarb unvermählt oder kinderlos, und mit ihrem Tode erloſch das unſelige Geſchlecht. Von den ſieben Helden, die gegen Thebe aus¬ gezogen waren, entkam dem unglücklichen Sturme und der letzten Schlacht der König Adraſtus allein, den ſein unſterbliches Roß, Arion, von Neptunus und Ceres er¬ zeugt, auf geflügelter Flucht rettete. Er erreichte glücklich Athen, nahm dort ſeine Zuflucht als Schutzflehender an den Altar der Barmherzigkeit, und flehte, einen Oelzweig in der Hand, die Athener an, ihn zu unterſtützen, daß er die vor Thebe gefallenen Helden und Mitbürger zu ehrlicher Beſtattung ſich erſtreiten könnte. Die Athener erhörten ſeinen Wunſch und zogen unter Theſeus mit ihm zu Felde. Die Thebaner wurden gezwungen, die Be¬ erdigung zu geſtatten. Nun errichtete Adraſtus den Leich¬ namen der gefallenen Helden ſieben gethürmte Scheiter¬ haufen und hielt am Aſopus, dem Apollo zu Ehren, ein Wettrennen. Als der Scheiterhaufen des Kapaneus brannte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/403
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/403>, abgerufen am 25.11.2024.