und als den Ueberbringer froher Botschaft bekränzten, fand er andere in tiefe Trauer versenkt, die seinen fröh¬ lichen Worten gar kein Gehör schenkten. Endlich löste sich ihm das Räthsel durch die erst allmählich sich ver¬ breitende Nachricht vom Tode des Königes Aegeus. Der Herold nahm nun zwar die Kränze in Empfang, schmückte aber damit nicht seine Stirne, sondern nur den Herolds¬ stab und kehrte so zum Gestade zurück. Hier fand er den Theseus noch im Tempel mit der Darbringung des Dank¬ opfers beschäftigt, er blieb daher vor der Thüre des Tempels stehen, damit die heilige Handlung nicht durch die Trauernachricht gestört würde. Sobald das Brand¬ opfer ausgegossen war, meldete er des Aegeus Ende. Theseus warf sich, vom Schmerz wie vom Blitze getrof¬ fen zur Erde, und als er sich wieder aufgerafft hatte, eilten alle, nicht unter Freudenjubel, wie sie es sich ge¬ dacht hatten, sondern unter Wehgeschrei und Klageruf in die Stadt.
Theseus als König.
Nachdem Theseus unter vielen Klagen seinen Vater bestattet hatte, weihte er dem Apollo, was er ihm gelobt hatte. Das Schiff, in welchem er mit den attischen Jüng¬ lingen und Jungfrauen abgefahren und gerettet zurückge¬ kehrt war, ein Fahrzeug von dreißig Rudern, wurde zum ewigen Andenken von den Athenern aufbewahrt, indem das abgängige Holz immer wieder durch neues ersetzt ward. Und so wurde dieser heilige Ueberrest alter Hel¬
und als den Ueberbringer froher Botſchaft bekränzten, fand er andere in tiefe Trauer verſenkt, die ſeinen fröh¬ lichen Worten gar kein Gehör ſchenkten. Endlich löste ſich ihm das Räthſel durch die erſt allmählich ſich ver¬ breitende Nachricht vom Tode des Königes Aegeus. Der Herold nahm nun zwar die Kränze in Empfang, ſchmückte aber damit nicht ſeine Stirne, ſondern nur den Herolds¬ ſtab und kehrte ſo zum Geſtade zurück. Hier fand er den Theſeus noch im Tempel mit der Darbringung des Dank¬ opfers beſchäftigt, er blieb daher vor der Thüre des Tempels ſtehen, damit die heilige Handlung nicht durch die Trauernachricht geſtört würde. Sobald das Brand¬ opfer ausgegoſſen war, meldete er des Aegeus Ende. Theſeus warf ſich, vom Schmerz wie vom Blitze getrof¬ fen zur Erde, und als er ſich wieder aufgerafft hatte, eilten alle, nicht unter Freudenjubel, wie ſie es ſich ge¬ dacht hatten, ſondern unter Wehgeſchrei und Klageruf in die Stadt.
Theſeus als König.
Nachdem Theſeus unter vielen Klagen ſeinen Vater beſtattet hatte, weihte er dem Apollo, was er ihm gelobt hatte. Das Schiff, in welchem er mit den attiſchen Jüng¬ lingen und Jungfrauen abgefahren und gerettet zurückge¬ kehrt war, ein Fahrzeug von dreißig Rudern, wurde zum ewigen Andenken von den Athenern aufbewahrt, indem das abgängige Holz immer wieder durch neues erſetzt ward. Und ſo wurde dieſer heilige Ueberreſt alter Hel¬
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und als den Ueberbringer froher Botſchaft bekränzten,
fand er andere in tiefe Trauer verſenkt, die ſeinen fröh¬
lichen Worten gar kein Gehör ſchenkten. Endlich löste
ſich ihm das Räthſel durch die erſt allmählich ſich ver¬
breitende Nachricht vom Tode des Königes Aegeus. Der
Herold nahm nun zwar die Kränze in Empfang, ſchmückte
aber damit nicht ſeine Stirne, ſondern nur den Herolds¬
ſtab und kehrte ſo zum Geſtade zurück. Hier fand er den
Theſeus noch im Tempel mit der Darbringung des Dank¬
opfers beſchäftigt, er blieb daher vor der Thüre des
Tempels ſtehen, damit die heilige Handlung nicht durch
die Trauernachricht geſtört würde. Sobald das Brand¬
opfer ausgegoſſen war, meldete er des Aegeus Ende.
Theſeus warf ſich, vom Schmerz wie vom Blitze getrof¬
fen zur Erde, und als er ſich wieder aufgerafft hatte,
eilten alle, nicht unter Freudenjubel, wie ſie es ſich ge¬
dacht hatten, ſondern unter Wehgeſchrei und Klageruf in
die Stadt.
Theſeus als König .
Nachdem Theſeus unter vielen Klagen ſeinen Vater
beſtattet hatte, weihte er dem Apollo, was er ihm gelobt
hatte. Das Schiff, in welchem er mit den attiſchen Jüng¬
lingen und Jungfrauen abgefahren und gerettet zurückge¬
kehrt war, ein Fahrzeug von dreißig Rudern, wurde zum
ewigen Andenken von den Athenern aufbewahrt, indem
das abgängige Holz immer wieder durch neues erſetzt
ward. Und ſo wurde dieſer heilige Ueberreſt alter Hel¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/316>, abgerufen am 17.11.2024.
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