röthe am Himmel aufstieg, fragte er den Gast nach sei¬ ner Herkunft und seinen Absichten. Da sagte ihm Belle¬ rophontes, daß er von seinem Eidam Prötus komme und wies ihm als Beglaubigungsschreiben das Täfelchen vor. Als der König Jobates den Sinn der mörderischen Zeichen erkannte, erschrack er in tiefster Seele, denn er hatte den edeln Jüngling sehr lieb gewonnen. Doch mochte er nicht denken, daß sein Schwiegersohn ohne gewichtige Ursache die Todesstrafe über den Unglücklichen verhänge; glaubte also, dieser müsse durchaus ein todeswürdiges Verbrechen verübt haben. Aber auch er konnte sich nicht entschlie¬ ßen, den Menschen, der so lange sein Gast gewesen war, und durch sein ganzes Benehmen sich seine Zuneigung zu erwerben gewußt hatte, geradezu umzubringen. Er ge¬ dachte ihm deßwegen nur Kämpfe aufzutragen, in denen er nothwendig zu Grunde gehen müßte. Zuerst ließ er ihn das Ungeheuer Chimära erlegen, das Lycien verwü¬ stete, und das göttlicher, nicht menschlicher Art empor¬ gewachsen war. Der gräßliche Typhon hatte es mit der riesigen Schlange Echidna gezeugt. Vorn war es ein Löwe, hinten ein Drache, in der Mitte eine Ziege, aus seinem Rachen ging Feuer und entsetzlicher Gluthauch. Die Götter selbst trugen Mitleiden mit dem schuldlosen Jüngling, als sie sahen, welcher Gefahr er ausgesetzt wurde. Sie schickten ihm auf seinem Wege zu dem Un¬ geheuer das unsterbliche Flügelroß Pegasus, das Nep¬ tunus mit der Medusa gezeugt hatte. Wie konnte ihm aber dieses helfen? Das göttliche Pferd hatte nie einen sterblichen Reiter getragen. Es ließ sich nicht einfangen und nicht zähmen. Müde von seinen vergeblichen An¬ strengungen war der Jüngling Quell Pirene, wo er
Schwab, das klass. Alterthum. I. 18
röthe am Himmel aufſtieg, fragte er den Gaſt nach ſei¬ ner Herkunft und ſeinen Abſichten. Da ſagte ihm Belle¬ rophontes, daß er von ſeinem Eidam Prötus komme und wies ihm als Beglaubigungsſchreiben das Täfelchen vor. Als der König Jobates den Sinn der mörderiſchen Zeichen erkannte, erſchrack er in tiefſter Seele, denn er hatte den edeln Jüngling ſehr lieb gewonnen. Doch mochte er nicht denken, daß ſein Schwiegerſohn ohne gewichtige Urſache die Todesſtrafe über den Unglücklichen verhänge; glaubte alſo, dieſer müſſe durchaus ein todeswürdiges Verbrechen verübt haben. Aber auch er konnte ſich nicht entſchlie¬ ßen, den Menſchen, der ſo lange ſein Gaſt geweſen war, und durch ſein ganzes Benehmen ſich ſeine Zuneigung zu erwerben gewußt hatte, geradezu umzubringen. Er ge¬ dachte ihm deßwegen nur Kämpfe aufzutragen, in denen er nothwendig zu Grunde gehen müßte. Zuerſt ließ er ihn das Ungeheuer Chimära erlegen, das Lycien verwü¬ ſtete, und das göttlicher, nicht menſchlicher Art empor¬ gewachſen war. Der gräßliche Typhon hatte es mit der rieſigen Schlange Echidna gezeugt. Vorn war es ein Löwe, hinten ein Drache, in der Mitte eine Ziege, aus ſeinem Rachen ging Feuer und entſetzlicher Gluthauch. Die Götter ſelbſt trugen Mitleiden mit dem ſchuldloſen Jüngling, als ſie ſahen, welcher Gefahr er ausgeſetzt wurde. Sie ſchickten ihm auf ſeinem Wege zu dem Un¬ geheuer das unſterbliche Flügelroß Pegaſus, das Nep¬ tunus mit der Meduſa gezeugt hatte. Wie konnte ihm aber dieſes helfen? Das göttliche Pferd hatte nie einen ſterblichen Reiter getragen. Es ließ ſich nicht einfangen und nicht zähmen. Müde von ſeinen vergeblichen An¬ ſtrengungen war der Jüngling Quell Pirene, wo er
Schwab, das klaſſ. Alterthum. I. 18
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röthe am Himmel aufſtieg, fragte er den Gaſt nach ſei¬
ner Herkunft und ſeinen Abſichten. Da ſagte ihm Belle¬
rophontes, daß er von ſeinem Eidam Prötus komme und
wies ihm als Beglaubigungsſchreiben das Täfelchen vor.
Als der König Jobates den Sinn der mörderiſchen Zeichen
erkannte, erſchrack er in tiefſter Seele, denn er hatte den
edeln Jüngling ſehr lieb gewonnen. Doch mochte er nicht
denken, daß ſein Schwiegerſohn ohne gewichtige Urſache
die Todesſtrafe über den Unglücklichen verhänge; glaubte
alſo, dieſer müſſe durchaus ein todeswürdiges Verbrechen
verübt haben. Aber auch er konnte ſich nicht entſchlie¬
ßen, den Menſchen, der ſo lange ſein Gaſt geweſen war,
und durch ſein ganzes Benehmen ſich ſeine Zuneigung zu
erwerben gewußt hatte, geradezu umzubringen. Er ge¬
dachte ihm deßwegen nur Kämpfe aufzutragen, in denen
er nothwendig zu Grunde gehen müßte. Zuerſt ließ er
ihn das Ungeheuer Chimära erlegen, das Lycien verwü¬
ſtete, und das göttlicher, nicht menſchlicher Art empor¬
gewachſen war. Der gräßliche Typhon hatte es mit der
rieſigen Schlange Echidna gezeugt. Vorn war es ein
Löwe, hinten ein Drache, in der Mitte eine Ziege, aus
ſeinem Rachen ging Feuer und entſetzlicher Gluthauch.
Die Götter ſelbſt trugen Mitleiden mit dem ſchuldloſen
Jüngling, als ſie ſahen, welcher Gefahr er ausgeſetzt
wurde. Sie ſchickten ihm auf ſeinem Wege zu dem Un¬
geheuer das unſterbliche Flügelroß Pegaſus, das Nep¬
tunus mit der Meduſa gezeugt hatte. Wie konnte ihm
aber dieſes helfen? Das göttliche Pferd hatte nie einen
ſterblichen Reiter getragen. Es ließ ſich nicht einfangen
und nicht zähmen. Müde von ſeinen vergeblichen An¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/299>, abgerufen am 25.11.2024.
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