Himmel und Erde waren geschaffen: das Meer wogte in seinen Ufern, und die Fische spielten darin; in den Lüften sangen beflügelt die Vögel; der Erdboden wimmelte von Thieren. Aber noch fehlte es an dem Geschöpfe, dessen Leib so beschaffen war, daß der Geist in ihm Woh¬ nung machen und von ihm aus die Erdenwelt beherrschen konnte. Da betrat Prometheus die Erde, ein Sprößling des alten Göttergeschlechtes, das Jupiter entthront hatte, ein Sohn des erdgebornen Uranussohnes Japetus, kluger Erfindung voll. Dieser wußte wohl, daß im Erdboden der Same des Himmels schlummere; darum nahm er vom Thone, befeuchtete denselben mit dem Wasser des Flusses, knetete ihn und formte daraus ein Gebilde, nach dem Ebenbilde der Götter, der Herren der Welt. Diesen sei¬ nen Erdenkloß zu beleben, entlehnte er allenthalben von den Thierseelen gute und böse Eigenschaften und schloß sie in die Brust des Menschen ein. Unter den Himmli¬ schen hatte er eine Freundin, Minerva, die Göttin der Weisheit. Diese bewunderte die Schöpfung des Titanen¬ sohnes und blies dem halbbeseelten Bilde den Geist, den göttlichen Athem ein.
So entstanden die ersten Menschen und füllten bald vervielfältigt die Erde. Lange aber wußten diese nicht, wie sie sich ihrer edlen Glieder und des empfangenen Götterfunkens bedienen sollten. Sehend sahen sie umsonst,
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Prometheus.
Himmel und Erde waren geſchaffen: das Meer wogte in ſeinen Ufern, und die Fiſche ſpielten darin; in den Lüften ſangen beflügelt die Vögel; der Erdboden wimmelte von Thieren. Aber noch fehlte es an dem Geſchöpfe, deſſen Leib ſo beſchaffen war, daß der Geiſt in ihm Woh¬ nung machen und von ihm aus die Erdenwelt beherrſchen konnte. Da betrat Prometheus die Erde, ein Sprößling des alten Göttergeſchlechtes, das Jupiter entthront hatte, ein Sohn des erdgebornen Uranusſohnes Japetus, kluger Erfindung voll. Dieſer wußte wohl, daß im Erdboden der Same des Himmels ſchlummere; darum nahm er vom Thone, befeuchtete denſelben mit dem Waſſer des Fluſſes, knetete ihn und formte daraus ein Gebilde, nach dem Ebenbilde der Götter, der Herren der Welt. Dieſen ſei¬ nen Erdenkloß zu beleben, entlehnte er allenthalben von den Thierſeelen gute und böſe Eigenſchaften und ſchloß ſie in die Bruſt des Menſchen ein. Unter den Himmli¬ ſchen hatte er eine Freundin, Minerva, die Göttin der Weisheit. Dieſe bewunderte die Schöpfung des Titanen¬ ſohnes und blies dem halbbeſeelten Bilde den Geiſt, den göttlichen Athem ein.
So entſtanden die erſten Menſchen und füllten bald vervielfältigt die Erde. Lange aber wußten dieſe nicht, wie ſie ſich ihrer edlen Glieder und des empfangenen Götterfunkens bedienen ſollten. Sehend ſahen ſie umſonſt,
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Prometheus.
Himmel und Erde waren geſchaffen: das Meer wogte
in ſeinen Ufern, und die Fiſche ſpielten darin; in den
Lüften ſangen beflügelt die Vögel; der Erdboden wimmelte
von Thieren. Aber noch fehlte es an dem Geſchöpfe,
deſſen Leib ſo beſchaffen war, daß der Geiſt in ihm Woh¬
nung machen und von ihm aus die Erdenwelt beherrſchen
konnte. Da betrat Prometheus die Erde, ein Sprößling
des alten Göttergeſchlechtes, das Jupiter entthront hatte,
ein Sohn des erdgebornen Uranusſohnes Japetus, kluger
Erfindung voll. Dieſer wußte wohl, daß im Erdboden
der Same des Himmels ſchlummere; darum nahm er vom
Thone, befeuchtete denſelben mit dem Waſſer des Fluſſes,
knetete ihn und formte daraus ein Gebilde, nach dem
Ebenbilde der Götter, der Herren der Welt. Dieſen ſei¬
nen Erdenkloß zu beleben, entlehnte er allenthalben von
den Thierſeelen gute und böſe Eigenſchaften und ſchloß
ſie in die Bruſt des Menſchen ein. Unter den Himmli¬
ſchen hatte er eine Freundin, Minerva, die Göttin der
Weisheit. Dieſe bewunderte die Schöpfung des Titanen¬
ſohnes und blies dem halbbeſeelten Bilde den Geiſt, den
göttlichen Athem ein.
So entſtanden die erſten Menſchen und füllten bald
vervielfältigt die Erde. Lange aber wußten dieſe nicht,
wie ſie ſich ihrer edlen Glieder und des empfangenen
Götterfunkens bedienen ſollten. Sehend ſahen ſie umſonſt,
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/29>, abgerufen am 17.11.2024.
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