Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

sammen saßen, das Urtheil zu fällen, trat Phyleus, von
Herkules aufgefordert, auf, zeugte gegen seinen eigenen
Vater und erklärte, daß dieser allerdings über einen Lohn
mit Herkules übereingekommen sey. Augias wartete den
Spruch nicht ab, er ergrimmte und befahl dem Sohne wie
dem Fremdling, sein Reich auf der Stelle zu verlassen.

Herkules kehrte nun unter neuen Abentheuern zu
Eurystheus zurück. Dieser aber wollte die eben vollbrachte
Arbeit nicht gültig sein lassen, weil Herkules Lohn dafür
gefordert habe. Dennoch schickte er ihn sogleich wieder
auf ein sechstes Abentheuer aus: und gab ihm auf, die
Stymphaliden zu verjagen. Dieß waren ungeheure Raub¬
vögel, so groß wie Kraniche, mit eisernen Flügeln, Schnä¬
beln und Klauen versehen. Sie hausten um den See
Stymphalis in Arkadien und besaßen die Macht, ihre
Federn wie Pfeile abzudrücken und mit ihren Schnäbeln
selbst eherne Panzer zu durchbrechen; dadurch richteten
sie in der Umgegend unter Menschen und Vieh große
Verwüstungen an, und wir kennen sie schon vom Ar¬
gonautenzuge her. Herkules, des Wanderns gewohnt,
langte nach kurzer Reise bey dem See an, der, von ei¬
nem großen Gehölze dicht umschattet, ruhte. In die¬
sen Wald hatte sich eben eine unermeßliche Schaar je¬
ner Vögel geflüchtet, aus Furcht, von den Wölfen ge¬
raubt zu werden. Herkules stand rathlos da, als er die
ungeheure Menge erblickte, und nicht wußte, wie er über
so viele Feinde Meister werden sollte. Auf einmal fühlte
er einen leichten Schlag auf der Schulter; hinter sich
blickend ward er Minerven's Riesenerscheinung gewahr,
die ihm zwei mächtige eherne Klappern in die Hände gab,
welche Vulkanus ihr verfertigt hatte; sie bedeutete ihm,

ſammen ſaßen, das Urtheil zu fällen, trat Phyleus, von
Herkules aufgefordert, auf, zeugte gegen ſeinen eigenen
Vater und erklärte, daß dieſer allerdings über einen Lohn
mit Herkules übereingekommen ſey. Augias wartete den
Spruch nicht ab, er ergrimmte und befahl dem Sohne wie
dem Fremdling, ſein Reich auf der Stelle zu verlaſſen.

Herkules kehrte nun unter neuen Abentheuern zu
Euryſtheus zurück. Dieſer aber wollte die eben vollbrachte
Arbeit nicht gültig ſein laſſen, weil Herkules Lohn dafür
gefordert habe. Dennoch ſchickte er ihn ſogleich wieder
auf ein ſechstes Abentheuer aus: und gab ihm auf, die
Stymphaliden zu verjagen. Dieß waren ungeheure Raub¬
vögel, ſo groß wie Kraniche, mit eiſernen Flügeln, Schnä¬
beln und Klauen verſehen. Sie hausten um den See
Stymphalis in Arkadien und beſaßen die Macht, ihre
Federn wie Pfeile abzudrücken und mit ihren Schnäbeln
ſelbſt eherne Panzer zu durchbrechen; dadurch richteten
ſie in der Umgegend unter Menſchen und Vieh große
Verwüſtungen an, und wir kennen ſie ſchon vom Ar¬
gonautenzuge her. Herkules, des Wanderns gewohnt,
langte nach kurzer Reiſe bey dem See an, der, von ei¬
nem großen Gehölze dicht umſchattet, ruhte. In die¬
ſen Wald hatte ſich eben eine unermeßliche Schaar je¬
ner Vögel geflüchtet, aus Furcht, von den Wölfen ge¬
raubt zu werden. Herkules ſtand rathlos da, als er die
ungeheure Menge erblickte, und nicht wußte, wie er über
ſo viele Feinde Meiſter werden ſollte. Auf einmal fühlte
er einen leichten Schlag auf der Schulter; hinter ſich
blickend ward er Minerven's Rieſenerſcheinung gewahr,
die ihm zwei mächtige eherne Klappern in die Hände gab,
welche Vulkanus ihr verfertigt hatte; ſie bedeutete ihm,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0250" n="224"/>
&#x017F;ammen &#x017F;aßen, das Urtheil zu fällen, trat Phyleus, von<lb/>
Herkules aufgefordert, auf, zeugte gegen &#x017F;einen eigenen<lb/>
Vater und erklärte, daß die&#x017F;er allerdings über einen Lohn<lb/>
mit Herkules übereingekommen &#x017F;ey. Augias wartete den<lb/>
Spruch nicht ab, er ergrimmte und befahl dem Sohne wie<lb/>
dem Fremdling, &#x017F;ein Reich auf der Stelle zu verla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Herkules kehrte nun unter neuen Abentheuern zu<lb/>
Eury&#x017F;theus zurück. Die&#x017F;er aber wollte die eben vollbrachte<lb/>
Arbeit nicht gültig &#x017F;ein la&#x017F;&#x017F;en, weil Herkules Lohn dafür<lb/>
gefordert habe. Dennoch &#x017F;chickte er ihn &#x017F;ogleich wieder<lb/>
auf ein &#x017F;echstes Abentheuer aus: und gab ihm auf, die<lb/>
Stymphaliden zu verjagen. Dieß waren ungeheure Raub¬<lb/>
vögel, &#x017F;o groß wie Kraniche, mit ei&#x017F;ernen Flügeln, Schnä¬<lb/>
beln und Klauen ver&#x017F;ehen. Sie hausten um den See<lb/>
Stymphalis in Arkadien und be&#x017F;aßen die Macht, ihre<lb/>
Federn wie Pfeile abzudrücken und mit ihren Schnäbeln<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t eherne Panzer zu durchbrechen; dadurch richteten<lb/>
&#x017F;ie in der Umgegend unter Men&#x017F;chen und Vieh große<lb/>
Verwü&#x017F;tungen an, und wir kennen &#x017F;ie &#x017F;chon vom Ar¬<lb/>
gonautenzuge her. Herkules, des Wanderns gewohnt,<lb/>
langte nach kurzer Rei&#x017F;e bey dem See an, der, von ei¬<lb/>
nem großen Gehölze dicht um&#x017F;chattet, ruhte. In die¬<lb/>
&#x017F;en Wald hatte &#x017F;ich eben eine unermeßliche Schaar je¬<lb/>
ner Vögel geflüchtet, aus Furcht, von den Wölfen ge¬<lb/>
raubt zu werden. Herkules &#x017F;tand rathlos da, als er die<lb/>
ungeheure Menge erblickte, und nicht wußte, wie er über<lb/>
&#x017F;o viele Feinde Mei&#x017F;ter werden &#x017F;ollte. Auf einmal fühlte<lb/>
er einen leichten Schlag auf der Schulter; hinter &#x017F;ich<lb/>
blickend ward er Minerven's Rie&#x017F;ener&#x017F;cheinung gewahr,<lb/>
die ihm zwei mächtige eherne Klappern in die Hände gab,<lb/>
welche Vulkanus ihr verfertigt hatte; &#x017F;ie bedeutete ihm,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0250] ſammen ſaßen, das Urtheil zu fällen, trat Phyleus, von Herkules aufgefordert, auf, zeugte gegen ſeinen eigenen Vater und erklärte, daß dieſer allerdings über einen Lohn mit Herkules übereingekommen ſey. Augias wartete den Spruch nicht ab, er ergrimmte und befahl dem Sohne wie dem Fremdling, ſein Reich auf der Stelle zu verlaſſen. Herkules kehrte nun unter neuen Abentheuern zu Euryſtheus zurück. Dieſer aber wollte die eben vollbrachte Arbeit nicht gültig ſein laſſen, weil Herkules Lohn dafür gefordert habe. Dennoch ſchickte er ihn ſogleich wieder auf ein ſechstes Abentheuer aus: und gab ihm auf, die Stymphaliden zu verjagen. Dieß waren ungeheure Raub¬ vögel, ſo groß wie Kraniche, mit eiſernen Flügeln, Schnä¬ beln und Klauen verſehen. Sie hausten um den See Stymphalis in Arkadien und beſaßen die Macht, ihre Federn wie Pfeile abzudrücken und mit ihren Schnäbeln ſelbſt eherne Panzer zu durchbrechen; dadurch richteten ſie in der Umgegend unter Menſchen und Vieh große Verwüſtungen an, und wir kennen ſie ſchon vom Ar¬ gonautenzuge her. Herkules, des Wanderns gewohnt, langte nach kurzer Reiſe bey dem See an, der, von ei¬ nem großen Gehölze dicht umſchattet, ruhte. In die¬ ſen Wald hatte ſich eben eine unermeßliche Schaar je¬ ner Vögel geflüchtet, aus Furcht, von den Wölfen ge¬ raubt zu werden. Herkules ſtand rathlos da, als er die ungeheure Menge erblickte, und nicht wußte, wie er über ſo viele Feinde Meiſter werden ſollte. Auf einmal fühlte er einen leichten Schlag auf der Schulter; hinter ſich blickend ward er Minerven's Rieſenerſcheinung gewahr, die ihm zwei mächtige eherne Klappern in die Hände gab, welche Vulkanus ihr verfertigt hatte; ſie bedeutete ihm,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/250
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/250>, abgerufen am 23.11.2024.