Feuerbränden von Eichen und ungeheuren Felsenstücken, den Olymp zu stürmen.
Nun war den Göttern ein Orakelspruch ertheilt wor¬ den, daß von den Himmlischen Keiner der Giganten ver¬ nichtet werden könnte, und diese nur dann sterben würden, wenn ein Sterblicher mitkämpfte. Gäa hatte dieß in Erfahrung gebracht, und suchte deßwegen nach einem Arzneimittel, das ihre Söhne, auch gegenüber von Sterblichen, unverletzlich machte. Auch war wirklich ein solches Kraut gewachsen: aber Jupiter kam ihr zuvor; er verbot der Morgenröthe, dem Mond und der Sonne, zu scheinen, und während Gäa in der Finsterniß herum¬ suchte, schnitt er die Arzneikräuter eilig selbst ab, und ließ seinen Sohn Herkules durch Minerva zur Theilnahme am Kampfe auffordern.
Auf dem Olympus war inzwischen der Streit schon entbrannt. Mars hatte seinen Kriegswagen mit den wiehern¬ den Rossen mitten in die dichteste Schaar der heranstürzenden Feinde gelenkt. Sein goldner Schild brannte heller, als Feuer, schimmernd flatterte die Mähne seines Helmes. Im Kampf¬ getümmel durchbohrte er den Giganten Pelorus, dessen Füße zwei lebendige Schlangen waren. Dann fuhr er über die sich krümmenden Glieder des Gefallenen zermalmend mit seinem Wagen hin; aber erst bei des sterblichen Her¬ kules Anblick, der eben die letzte Stufe des Olymps er¬ stiegen hatte, hauchte das Ungeheuer seine drei Seelen aus. Herkules sah sich auf dem Schlachtfeld um, und erkohr sich ein Ziel seines Bogens: sein Pfeilschuß streckte den Alcioneus nieder, der alsbald in die Tiefe stürzte, aber sobald er seinen Heimathboden berührt hatte, mit erneuter Lebens¬ kraft sich wieder erhob. Auf den Rath der Minerva stieg
Feuerbränden von Eichen und ungeheuren Felſenſtücken, den Olymp zu ſtürmen.
Nun war den Göttern ein Orakelſpruch ertheilt wor¬ den, daß von den Himmliſchen Keiner der Giganten ver¬ nichtet werden könnte, und dieſe nur dann ſterben würden, wenn ein Sterblicher mitkämpfte. Gäa hatte dieß in Erfahrung gebracht, und ſuchte deßwegen nach einem Arzneimittel, das ihre Söhne, auch gegenüber von Sterblichen, unverletzlich machte. Auch war wirklich ein ſolches Kraut gewachſen: aber Jupiter kam ihr zuvor; er verbot der Morgenröthe, dem Mond und der Sonne, zu ſcheinen, und während Gäa in der Finſterniß herum¬ ſuchte, ſchnitt er die Arzneikräuter eilig ſelbſt ab, und ließ ſeinen Sohn Herkules durch Minerva zur Theilnahme am Kampfe auffordern.
Auf dem Olympus war inzwiſchen der Streit ſchon entbrannt. Mars hatte ſeinen Kriegswagen mit den wiehern¬ den Roſſen mitten in die dichteſte Schaar der heranſtürzenden Feinde gelenkt. Sein goldner Schild brannte heller, als Feuer, ſchimmernd flatterte die Mähne ſeines Helmes. Im Kampf¬ getümmel durchbohrte er den Giganten Pelorus, deſſen Füße zwei lebendige Schlangen waren. Dann fuhr er über die ſich krümmenden Glieder des Gefallenen zermalmend mit ſeinem Wagen hin; aber erſt bei des ſterblichen Her¬ kules Anblick, der eben die letzte Stufe des Olymps er¬ ſtiegen hatte, hauchte das Ungeheuer ſeine drei Seelen aus. Herkules ſah ſich auf dem Schlachtfeld um, und erkohr ſich ein Ziel ſeines Bogens: ſein Pfeilſchuß ſtreckte den Alcioneus nieder, der alsbald in die Tiefe ſtürzte, aber ſobald er ſeinen Heimathboden berührt hatte, mit erneuter Lebens¬ kraft ſich wieder erhob. Auf den Rath der Minerva ſtieg
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Feuerbränden von Eichen und ungeheuren Felſenſtücken,
den Olymp zu ſtürmen.
Nun war den Göttern ein Orakelſpruch ertheilt wor¬
den, daß von den Himmliſchen Keiner der Giganten ver¬
nichtet werden könnte, und dieſe nur dann ſterben würden,
wenn ein Sterblicher mitkämpfte. Gäa hatte dieß in
Erfahrung gebracht, und ſuchte deßwegen nach einem
Arzneimittel, das ihre Söhne, auch gegenüber von
Sterblichen, unverletzlich machte. Auch war wirklich ein
ſolches Kraut gewachſen: aber Jupiter kam ihr zuvor;
er verbot der Morgenröthe, dem Mond und der Sonne,
zu ſcheinen, und während Gäa in der Finſterniß herum¬
ſuchte, ſchnitt er die Arzneikräuter eilig ſelbſt ab, und
ließ ſeinen Sohn Herkules durch Minerva zur Theilnahme
am Kampfe auffordern.
Auf dem Olympus war inzwiſchen der Streit ſchon
entbrannt. Mars hatte ſeinen Kriegswagen mit den wiehern¬
den Roſſen mitten in die dichteſte Schaar der heranſtürzenden
Feinde gelenkt. Sein goldner Schild brannte heller, als Feuer,
ſchimmernd flatterte die Mähne ſeines Helmes. Im Kampf¬
getümmel durchbohrte er den Giganten Pelorus, deſſen
Füße zwei lebendige Schlangen waren. Dann fuhr er über
die ſich krümmenden Glieder des Gefallenen zermalmend
mit ſeinem Wagen hin; aber erſt bei des ſterblichen Her¬
kules Anblick, der eben die letzte Stufe des Olymps er¬
ſtiegen hatte, hauchte das Ungeheuer ſeine drei Seelen
aus. Herkules ſah ſich auf dem Schlachtfeld um, und
erkohr ſich ein Ziel ſeines Bogens: ſein Pfeilſchuß ſtreckte den
Alcioneus nieder, der alsbald in die Tiefe ſtürzte, aber ſobald
er ſeinen Heimathboden berührt hatte, mit erneuter Lebens¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/238>, abgerufen am 22.11.2024.
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