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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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wie Jason. Dieser aber nahm seinen Schild wieder auf
und warf ihn am Riemen hinter den Rücken; dann griff
er auch wieder zu dem Helme voll Drachenzähne, faßte
seine Lanze und zwang mit ihren Stichen die zornigen
und Flammen sprühenden Stiere, den Pflug zu ziehen.
Durch ihre Kraft und den mächtigen Pflüger wurde der
Boden tief aufgerissen und die gewaltigen Erdschollen
krachten in den Furchen. Jason selbst folgte mit festem
Tritt und säte die Zähne in den aufgepflügten Boden,
vorsichtig rückwärts blickend, ob die aufkeimende Giganten¬
saat sich nicht gegen ihn erhebe; die Thiere aber arbeiteten
sich mit ihren ehernen Hufen vorwärts. Als noch der dritte
Theil des Tages übrig war, am hellen Nachmittage, war
das ganze Blachfeld, obgleich es vier Jaucherte faßte, von
dem unermüdlichen Pflüger umgeackert, und nun wurden
die Stiere vom Pflug erlöst; diese schreckte der Held mit sei¬
nen Waffen, daß sie über das offene Feld hin flohen; er selbst
kehrte zum Schiffe zurück, so lange er die Furchen noch
leer von Erdgebornen sah. Mit lautem Zuruf umringten
ihn von allen Seiten die Genossen: er jedoch sprach nichts,
sondern füllte seinen Helm mit Flußwasser und löschte
seinen brennenden Durst. Dann prüfte er die Gelenke
seiner Knie und erfüllte sein Herz mit neuer Streitlust,
wie ein schäumender Eber seine Zähne gegen die Jäger
wetzt. Denn schon waren das ganze Feld entlang die
Giganten hervorgekeimt: der ganze Marshain starrte
von Schilden und spitzen Lanzen und erglänzte von Hel¬
men, so daß der Schimmer durch die Luft bis zum Him¬
mel emporblitzte. Da gedachte Jason an das Wort der
schlauen Medea: er faßte einen großen runden Stein
auf dem Felde, vier kräftige Männer hätten ihn nicht

wie Jaſon. Dieſer aber nahm ſeinen Schild wieder auf
und warf ihn am Riemen hinter den Rücken; dann griff
er auch wieder zu dem Helme voll Drachenzähne, faßte
ſeine Lanze und zwang mit ihren Stichen die zornigen
und Flammen ſprühenden Stiere, den Pflug zu ziehen.
Durch ihre Kraft und den mächtigen Pflüger wurde der
Boden tief aufgeriſſen und die gewaltigen Erdſchollen
krachten in den Furchen. Jaſon ſelbſt folgte mit feſtem
Tritt und ſäte die Zähne in den aufgepflügten Boden,
vorſichtig rückwärts blickend, ob die aufkeimende Giganten¬
ſaat ſich nicht gegen ihn erhebe; die Thiere aber arbeiteten
ſich mit ihren ehernen Hufen vorwärts. Als noch der dritte
Theil des Tages übrig war, am hellen Nachmittage, war
das ganze Blachfeld, obgleich es vier Jaucherte faßte, von
dem unermüdlichen Pflüger umgeackert, und nun wurden
die Stiere vom Pflug erlöst; dieſe ſchreckte der Held mit ſei¬
nen Waffen, daß ſie über das offene Feld hin flohen; er ſelbſt
kehrte zum Schiffe zurück, ſo lange er die Furchen noch
leer von Erdgebornen ſah. Mit lautem Zuruf umringten
ihn von allen Seiten die Genoſſen: er jedoch ſprach nichts,
ſondern füllte ſeinen Helm mit Flußwaſſer und löſchte
ſeinen brennenden Durſt. Dann prüfte er die Gelenke
ſeiner Knie und erfüllte ſein Herz mit neuer Streitluſt,
wie ein ſchäumender Eber ſeine Zähne gegen die Jäger
wetzt. Denn ſchon waren das ganze Feld entlang die
Giganten hervorgekeimt: der ganze Marshain ſtarrte
von Schilden und ſpitzen Lanzen und erglänzte von Hel¬
men, ſo daß der Schimmer durch die Luft bis zum Him¬
mel emporblitzte. Da gedachte Jaſon an das Wort der
ſchlauen Medea: er faßte einen großen runden Stein
auf dem Felde, vier kräftige Männer hätten ihn nicht

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[142/0168] wie Jaſon. Dieſer aber nahm ſeinen Schild wieder auf und warf ihn am Riemen hinter den Rücken; dann griff er auch wieder zu dem Helme voll Drachenzähne, faßte ſeine Lanze und zwang mit ihren Stichen die zornigen und Flammen ſprühenden Stiere, den Pflug zu ziehen. Durch ihre Kraft und den mächtigen Pflüger wurde der Boden tief aufgeriſſen und die gewaltigen Erdſchollen krachten in den Furchen. Jaſon ſelbſt folgte mit feſtem Tritt und ſäte die Zähne in den aufgepflügten Boden, vorſichtig rückwärts blickend, ob die aufkeimende Giganten¬ ſaat ſich nicht gegen ihn erhebe; die Thiere aber arbeiteten ſich mit ihren ehernen Hufen vorwärts. Als noch der dritte Theil des Tages übrig war, am hellen Nachmittage, war das ganze Blachfeld, obgleich es vier Jaucherte faßte, von dem unermüdlichen Pflüger umgeackert, und nun wurden die Stiere vom Pflug erlöst; dieſe ſchreckte der Held mit ſei¬ nen Waffen, daß ſie über das offene Feld hin flohen; er ſelbſt kehrte zum Schiffe zurück, ſo lange er die Furchen noch leer von Erdgebornen ſah. Mit lautem Zuruf umringten ihn von allen Seiten die Genoſſen: er jedoch ſprach nichts, ſondern füllte ſeinen Helm mit Flußwaſſer und löſchte ſeinen brennenden Durſt. Dann prüfte er die Gelenke ſeiner Knie und erfüllte ſein Herz mit neuer Streitluſt, wie ein ſchäumender Eber ſeine Zähne gegen die Jäger wetzt. Denn ſchon waren das ganze Feld entlang die Giganten hervorgekeimt: der ganze Marshain ſtarrte von Schilden und ſpitzen Lanzen und erglänzte von Hel¬ men, ſo daß der Schimmer durch die Luft bis zum Him¬ mel emporblitzte. Da gedachte Jaſon an das Wort der ſchlauen Medea: er faßte einen großen runden Stein auf dem Felde, vier kräftige Männer hätten ihn nicht

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/168>, abgerufen am 24.11.2024.