ihr Uebrigen alle ruhig, doch die Waffen in der Hand, im Schiffe bleiben; nur ich, die Söhne des Phrixus und zwei aus eurer Mitte wollen uns nach dem Pallaste des Königes Acetes aufmachen. Hier will ich es versuchen und ihn zuerst mit höflichen Worten fragen, ob er das goldene Vließ in Güte uns überlassen wolle. Nun zweifle ich nicht: er wird die Bittenden, auf seine Stärke trotz¬ end, abweisen. Wir aber werden auf diese Weise aus seinem eigenen Munde die Gewißheit erhalten, was uns zu thun ist. Und wer kann es verbürgen, daß unsere Worte nicht doch vielleicht ihn günstig stimmen werden? Hat doch auch früher die Rede über ihn vermocht, daß er den unschuldigen Phrixus, der vor seiner Stiefmutter floh, in den Schutz seiner Gastfreundschaft aufnahm." Die jungen Helden billigten alle die Rede Jasons. So griff er selbst zum Friedensstabe des Merkurius und verließ mit des Phrixus Söhnen und mit seinen Genossen Telamon und Augeas das Schiff. Sie betraten ein mit Weiden bewachsenes Feld, das circäische genannt; hier sahen sie mit Schaudern eine Menge Leichen an Ketten aufgehängt. Doch waren es keine Verbrecher oder gemordete Fremd¬ linge; vielmehr galt es in Kolchis für einen Frevel, die Männer zu verbrennen oder in die Erde zu begra¬ ben, sondern sie hängten sie, in rohe Stierfelle gewickelt, an den Bäumen auf, ferne von der Stadt, und überlie¬ ßen sie der Luft zum Austrocknen. Nur die Weiber wur¬ den, damit die Erde nicht zu kurz käme, in diese begraben.
Die Kolchier waren ein gar zahlreiches Volk; da¬ mit nun Jason und seine Begleiter von ihnen und dem Mißtrauen des Königes Aeetes keine Gefahr liefen, hängte Juno, die Beschirmerin der Argonauten, so lang sie un¬
ihr Uebrigen alle ruhig, doch die Waffen in der Hand, im Schiffe bleiben; nur ich, die Söhne des Phrixus und zwei aus eurer Mitte wollen uns nach dem Pallaſte des Königes Acetes aufmachen. Hier will ich es verſuchen und ihn zuerſt mit höflichen Worten fragen, ob er das goldene Vließ in Güte uns überlaſſen wolle. Nun zweifle ich nicht: er wird die Bittenden, auf ſeine Stärke trotz¬ end, abweiſen. Wir aber werden auf dieſe Weiſe aus ſeinem eigenen Munde die Gewißheit erhalten, was uns zu thun iſt. Und wer kann es verbürgen, daß unſere Worte nicht doch vielleicht ihn günſtig ſtimmen werden? Hat doch auch früher die Rede über ihn vermocht, daß er den unſchuldigen Phrixus, der vor ſeiner Stiefmutter floh, in den Schutz ſeiner Gaſtfreundſchaft aufnahm.“ Die jungen Helden billigten alle die Rede Jaſons. So griff er ſelbſt zum Friedensſtabe des Merkurius und verließ mit des Phrixus Söhnen und mit ſeinen Genoſſen Telamon und Augeas das Schiff. Sie betraten ein mit Weiden bewachſenes Feld, das circäiſche genannt; hier ſahen ſie mit Schaudern eine Menge Leichen an Ketten aufgehängt. Doch waren es keine Verbrecher oder gemordete Fremd¬ linge; vielmehr galt es in Kolchis für einen Frevel, die Männer zu verbrennen oder in die Erde zu begra¬ ben, ſondern ſie hängten ſie, in rohe Stierfelle gewickelt, an den Bäumen auf, ferne von der Stadt, und überlie¬ ßen ſie der Luft zum Austrocknen. Nur die Weiber wur¬ den, damit die Erde nicht zu kurz käme, in dieſe begraben.
Die Kolchier waren ein gar zahlreiches Volk; da¬ mit nun Jaſon und ſeine Begleiter von ihnen und dem Mißtrauen des Königes Aeetes keine Gefahr liefen, hängte Juno, die Beſchirmerin der Argonauten, ſo lang ſie un¬
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ihr Uebrigen alle ruhig, doch die Waffen in der Hand,
im Schiffe bleiben; nur ich, die Söhne des Phrixus und
zwei aus eurer Mitte wollen uns nach dem Pallaſte des
Königes Acetes aufmachen. Hier will ich es verſuchen
und ihn zuerſt mit höflichen Worten fragen, ob er das
goldene Vließ in Güte uns überlaſſen wolle. Nun zweifle
ich nicht: er wird die Bittenden, auf ſeine Stärke trotz¬
end, abweiſen. Wir aber werden auf dieſe Weiſe aus
ſeinem eigenen Munde die Gewißheit erhalten, was uns
zu thun iſt. Und wer kann es verbürgen, daß unſere
Worte nicht doch vielleicht ihn günſtig ſtimmen werden? Hat
doch auch früher die Rede über ihn vermocht, daß er den
unſchuldigen Phrixus, der vor ſeiner Stiefmutter floh,
in den Schutz ſeiner Gaſtfreundſchaft aufnahm.“ Die
jungen Helden billigten alle die Rede Jaſons. So griff
er ſelbſt zum Friedensſtabe des Merkurius und verließ mit
des Phrixus Söhnen und mit ſeinen Genoſſen Telamon
und Augeas das Schiff. Sie betraten ein mit Weiden
bewachſenes Feld, das circäiſche genannt; hier ſahen ſie
mit Schaudern eine Menge Leichen an Ketten aufgehängt.
Doch waren es keine Verbrecher oder gemordete Fremd¬
linge; vielmehr galt es in Kolchis für einen Frevel,
die Männer zu verbrennen oder in die Erde zu begra¬
ben, ſondern ſie hängten ſie, in rohe Stierfelle gewickelt,
an den Bäumen auf, ferne von der Stadt, und überlie¬
ßen ſie der Luft zum Austrocknen. Nur die Weiber wur¬
den, damit die Erde nicht zu kurz käme, in dieſe begraben.
Die Kolchier waren ein gar zahlreiches Volk; da¬
mit nun Jaſon und ſeine Begleiter von ihnen und dem
Mißtrauen des Königes Aeetes keine Gefahr liefen, hängte
Juno, die Beſchirmerin der Argonauten, ſo lang ſie un¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/146>, abgerufen am 09.11.2024.
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