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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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gel ein, banden das Schiff am Strande an, und indem
sie sich um den Grabhügel stellten, benetzten sie ihn mit
Trankopfern und verbrannten geschlachtete Schafe. Dann
fuhren sie weiter und weiter und gelangten endlich zur
Mündung des Flusses Termodon. Diesem glich kein an¬
derer Strom auf der Erde: aus einer einzigen Quelle
tief in den Bergen entsprungen, theilte er sich bald in
eine Menge kleinerer Arme, und stürmte in so viel Aus¬
flüssen ins Meer, daß nur viere zu einem Hundert fehl¬
ten. Sie wimmelten wie eine Menge Schlangen in die
offene See. An dem breitesten Ausflusse wohnten die
Amazonen. Dieses Weibervolk stammte vom Gotte Mars
ab und liebte die Werke des Krieges. Hätten die Argo¬
nauten hier gelandet, so wären sie ohne Zweifel in einen
blutigen Krieg mit den Frauen gerathen, denn diese wa¬
ren den tapfersten Helden im Kampfe gewachsen. Sie
wohnten nicht in einer Stadt vereinigt, sondern auf dem
Lande zerstreut und in einzelne Stämme getrennt. Ein
günstiger Westwind hielt die Argonauten von diesem krie¬
gerischen Weibervolke fern. Nach der Fahrt eines Tags
und einer Nacht kamen sie, wie ihnen Phineus geweissagt
hatte, an das Land der Chalyber. Diese pflügten nicht
das Erdreich, pflanzten keine fruchttragenden Bäume,
weideten keine Herden auf der thauigen Wiese, sie gru¬
ben nur Erz und Eisen aus dem rauhen Boden und
tauschten gegen dieses ihre Lebensmittel ein. Keine Sonne
ging ihnen ohne schwere Arbeit auf, in schwarzer Nacht
und dichtem Rauche verbrachten sie arbeitend ihren Tag.

Noch an mancherlei Völkern kamen sie vorüber. Als
sie einer Insel, mit Namen Aretia, oder Marsinsel,
gegenüber waren, flog ihnen ein Bewohner dieses Ei¬

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gel ein, banden das Schiff am Strande an, und indem
ſie ſich um den Grabhügel ſtellten, benetzten ſie ihn mit
Trankopfern und verbrannten geſchlachtete Schafe. Dann
fuhren ſie weiter und weiter und gelangten endlich zur
Mündung des Fluſſes Termodon. Dieſem glich kein an¬
derer Strom auf der Erde: aus einer einzigen Quelle
tief in den Bergen entſprungen, theilte er ſich bald in
eine Menge kleinerer Arme, und ſtürmte in ſo viel Aus¬
flüſſen ins Meer, daß nur viere zu einem Hundert fehl¬
ten. Sie wimmelten wie eine Menge Schlangen in die
offene See. An dem breiteſten Ausfluſſe wohnten die
Amazonen. Dieſes Weibervolk ſtammte vom Gotte Mars
ab und liebte die Werke des Krieges. Hätten die Argo¬
nauten hier gelandet, ſo wären ſie ohne Zweifel in einen
blutigen Krieg mit den Frauen gerathen, denn dieſe wa¬
ren den tapferſten Helden im Kampfe gewachſen. Sie
wohnten nicht in einer Stadt vereinigt, ſondern auf dem
Lande zerſtreut und in einzelne Stämme getrennt. Ein
günſtiger Weſtwind hielt die Argonauten von dieſem krie¬
geriſchen Weibervolke fern. Nach der Fahrt eines Tags
und einer Nacht kamen ſie, wie ihnen Phineus geweiſſagt
hatte, an das Land der Chalyber. Dieſe pflügten nicht
das Erdreich, pflanzten keine fruchttragenden Bäume,
weideten keine Herden auf der thauigen Wieſe, ſie gru¬
ben nur Erz und Eiſen aus dem rauhen Boden und
tauſchten gegen dieſes ihre Lebensmittel ein. Keine Sonne
ging ihnen ohne ſchwere Arbeit auf, in ſchwarzer Nacht
und dichtem Rauche verbrachten ſie arbeitend ihren Tag.

Noch an mancherlei Völkern kamen ſie vorüber. Als
ſie einer Inſel, mit Namen Aretia, oder Marsinſel,
gegenüber waren, flog ihnen ein Bewohner dieſes Ei¬

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[115/0141] gel ein, banden das Schiff am Strande an, und indem ſie ſich um den Grabhügel ſtellten, benetzten ſie ihn mit Trankopfern und verbrannten geſchlachtete Schafe. Dann fuhren ſie weiter und weiter und gelangten endlich zur Mündung des Fluſſes Termodon. Dieſem glich kein an¬ derer Strom auf der Erde: aus einer einzigen Quelle tief in den Bergen entſprungen, theilte er ſich bald in eine Menge kleinerer Arme, und ſtürmte in ſo viel Aus¬ flüſſen ins Meer, daß nur viere zu einem Hundert fehl¬ ten. Sie wimmelten wie eine Menge Schlangen in die offene See. An dem breiteſten Ausfluſſe wohnten die Amazonen. Dieſes Weibervolk ſtammte vom Gotte Mars ab und liebte die Werke des Krieges. Hätten die Argo¬ nauten hier gelandet, ſo wären ſie ohne Zweifel in einen blutigen Krieg mit den Frauen gerathen, denn dieſe wa¬ ren den tapferſten Helden im Kampfe gewachſen. Sie wohnten nicht in einer Stadt vereinigt, ſondern auf dem Lande zerſtreut und in einzelne Stämme getrennt. Ein günſtiger Weſtwind hielt die Argonauten von dieſem krie¬ geriſchen Weibervolke fern. Nach der Fahrt eines Tags und einer Nacht kamen ſie, wie ihnen Phineus geweiſſagt hatte, an das Land der Chalyber. Dieſe pflügten nicht das Erdreich, pflanzten keine fruchttragenden Bäume, weideten keine Herden auf der thauigen Wieſe, ſie gru¬ ben nur Erz und Eiſen aus dem rauhen Boden und tauſchten gegen dieſes ihre Lebensmittel ein. Keine Sonne ging ihnen ohne ſchwere Arbeit auf, in ſchwarzer Nacht und dichtem Rauche verbrachten ſie arbeitend ihren Tag. Noch an mancherlei Völkern kamen ſie vorüber. Als ſie einer Inſel, mit Namen Aretia, oder Marsinſel, gegenüber waren, flog ihnen ein Bewohner dieſes Ei¬ 8 *

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/141>, abgerufen am 24.11.2024.