Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Frühetägiges mächtigen Adlers/ rauberischen Habichts/ oder prächtigen und hof-färtigen Pfauens? Wann die geistliche Braut an einem andern Ort die Augen ihres Bräutigams lobet/ spricht sie: Seine Augen sind wie Tauben Augen an den Wasserbächen. Nemlich weil die Tauben sich nicht wie die Endten und Gänse ins Wasser tauchen/ und darauff schwimmen/ sondern halten sich an dem Ufer deß Flusses/ oder Stran- de der Wasser/ in welchen sie die ihnen nachstellende Raubvögel se- hen/ und sich für ihnen hüten können. Scheinet also/ der Psalmist ha- be darmit so viel bitten wollen/ daß er sich in dem strengen und reissen- den Weltstrom/ und trübem Gewässer der eusserlichen Geschäfften nit zu sehr vertieffen/ sondern nur an dem Ufer und Strande der weltli- chen Sorgen und Händel halten möge. HErr mein Gott/ auß Liebe und Verwunderung deiner hohen Majestät werde ich gezwungen diesen Wunsch zu thun/ den du dir gnädiglich wol gefallen lassen wollest. Verwirff nicht diese meine schwache Zuversicht und zarte Hoffnung/ die deinen Namen bekennet/ der doch nicht zu nennen ist/ die dich zu sehen wünschet/ der du doch nicht gesehen werden kanst. Verleihe mir/ daß ich an dem Ufer der weltlichen Unruhe allezeit den Himmel und deine unermeßliche Majestät betrachte/ und mich mit gantzem Hertzen solchen Betrachtungen ergebe/ die auff dieser Welt nicht auffhören/ sondern biß in den Himmel währen. Jch begehre zwar dieses gar spat von dir/ nachdeme ich so viel edler Stunden in weltlichen Händeln übel angewendet. Du kanst aber machen/ daß diese meine spate Reue ernstlich seye/ und noch zu rechter Zeit ge- schehe/ wann du nach deiner Erbarmung das jenige ersetzen wirst/ was meinem Wissen und Gewissen abgehet. HErr/ wann ich zugleich dich und mich betrachte/ so reuet es mich/ Ort
Fruͤhetaͤgiges maͤchtigen Adlers/ rauberiſchen Habichts/ oder praͤchtigen und hof-faͤrtigen Pfauens? Wann die geiſtliche Braut an einem andern Ort die Augen ihres Braͤutigams lobet/ ſpricht ſie: Seine Augen ſind wie Tauben Augen an den Waſſerbaͤchen. Nemlich weil die Tauben ſich nicht wie die Endten und Gaͤnſe ins Waſſer tauchen/ und darauff ſchwim̃en/ ſondern halten ſich an dem Ufer deß Fluſſes/ oder Stran- de der Waſſer/ in welchen ſie die ihnen nachſtellende Raubvoͤgel ſe- hen/ und ſich fuͤr ihnen huͤten koͤnnen. Scheinet alſo/ der Pſalmiſt ha- be darmit ſo viel bitten wollen/ daß er ſich in dem ſtrengen und reiſſen- den Weltſtrom/ und truͤbem Gewaͤſſer der euſſerlichen Geſchaͤfften nit zu ſehr vertieffen/ ſondern nur an dem Ufer uñ Strande der weltli- chen Sorgen und Haͤndel halten moͤge. HErꝛ mein Gott/ auß Liebe und Verwunderung deiner hohen Majeſtaͤt werde ich gezwungen dieſen Wunſch zu thun/ den du dir gnaͤdiglich wol gefallen laſſen wolleſt. Verwirff nicht dieſe meine ſchwache Zuverſicht und zarte Hoffnung/ die deinen Namen bekennet/ der doch nicht zu nennen iſt/ die dich zu ſehen wuͤnſchet/ der du doch nicht geſehen werden kanſt. Verleihe mir/ daß ich an dem Ufer der weltlichen Unruhe allezeit den Himmel und deine unermeßliche Majeſtaͤt betrachte/ und mich mit gantzem Hertzen ſolchen Betrachtungen ergebe/ die auff dieſer Welt nicht auffhoͤren/ ſondern biß in den Himmel waͤhren. Jch begehre zwar dieſes gar ſpat von dir/ nachdeme ich ſo viel edler Stunden in weltlichen Haͤndeln uͤbel angewendet. Du kanſt aber machen/ daß dieſe meine ſpate Reue ernſtlich ſeye/ und noch zu rechter Zeit ge- ſchehe/ wann du nach deiner Erbarmung das jenige erſetzen wirſt/ was meinem Wiſſen und Gewiſſen abgehet. HErꝛ/ wann ich zugleich dich und mich betrachte/ ſo reuet es mich/ Ort
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Fruͤhetaͤgiges
maͤchtigen Adlers/ rauberiſchen Habichts/ oder praͤchtigen und hof-
faͤrtigen Pfauens? Wann die geiſtliche Braut an einem andern Ort
die Augen ihres Braͤutigams lobet/ ſpricht ſie: Seine Augen ſind wie
Tauben Augen an den Waſſerbaͤchen. Nemlich weil die Tauben ſich
nicht wie die Endten und Gaͤnſe ins Waſſer tauchen/ und darauff
ſchwim̃en/ ſondern halten ſich an dem Ufer deß Fluſſes/ oder Stran-
de der Waſſer/ in welchen ſie die ihnen nachſtellende Raubvoͤgel ſe-
hen/ und ſich fuͤr ihnen huͤten koͤnnen. Scheinet alſo/ der Pſalmiſt ha-
be darmit ſo viel bitten wollen/ daß er ſich in dem ſtrengen und reiſſen-
den Weltſtrom/ und truͤbem Gewaͤſſer der euſſerlichen Geſchaͤfften
nit zu ſehr vertieffen/ ſondern nur an dem Ufer uñ Strande der weltli-
chen Sorgen und Haͤndel halten moͤge. HErꝛ mein Gott/ auß Liebe
und Verwunderung deiner hohen Majeſtaͤt werde ich gezwungen
dieſen Wunſch zu thun/ den du dir gnaͤdiglich wol gefallen laſſen
wolleſt. Verwirff nicht dieſe meine ſchwache Zuverſicht und zarte
Hoffnung/ die deinen Namen bekennet/ der doch nicht zu nennen iſt/
die dich zu ſehen wuͤnſchet/ der du doch nicht geſehen werden kanſt.
Verleihe mir/ daß ich an dem Ufer der weltlichen Unruhe allezeit den
Himmel und deine unermeßliche Majeſtaͤt betrachte/ und mich mit
gantzem Hertzen ſolchen Betrachtungen ergebe/ die auff dieſer Welt
nicht auffhoͤren/ ſondern biß in den Himmel waͤhren. Jch begehre
zwar dieſes gar ſpat von dir/ nachdeme ich ſo viel edler Stunden in
weltlichen Haͤndeln uͤbel angewendet. Du kanſt aber machen/ daß
dieſe meine ſpate Reue ernſtlich ſeye/ und noch zu rechter Zeit ge-
ſchehe/ wann du nach deiner Erbarmung das jenige erſetzen wirſt/
was meinem Wiſſen und Gewiſſen abgehet.
HErꝛ/ wann ich zugleich dich und mich betrachte/ ſo reuet es mich/
daß ich dir ſo undanckbar bin/ dann ſolches iſt weit uͤber meinen Ver-
ſtand/ und kan ich die Groͤſſe und Vielheit deiner Erbarmungen mit
meinen Gedancken nicht erꝛeichen. Wann ich den Himmel anſchaue/
und die wunderliche ſchoͤne Ordnung/ deine herꝛliche Wohnung/ und
dieſes Erdenhauß/ ſo du uns zu bewohnen eingeraumet/ betrachte/
ſolte es mich billich deiner Guͤte/ und meiner Pflicht erinnern. Und
gewißlich/ ſehe ich den Himmel an/ ſo erzehlet er gar klaͤrlich die Herꝛ-
ligkeit/ man betrachte gleich ſeine treffliche Hoͤhe/ oder verwundere
ſich uͤber deſſen groſſe Weite/ und die Schoͤnheit der glaͤntzenden und
helleuchtenden Sterne. Wende ich aber meine Augen auff unſer aller
Mutter/ die Erde ab/ ſo muß ich auch daſelbſt das Werck deiner Haͤn-
de erkennen. Dann gleichwie du den Himmel in die Hoͤhe geſetzet/
alſo haſt du den Laſt deß Erdkreiſes zuſammen gewicklet/ und auff die-
ſen Mittelpunct gegruͤndet. Du haſt ſie mit einer groſſen Menge
Waſſer umbgeben/ und mit dem blauen Naß umbhaͤunet. An einem
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