Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].an Jhm selbst. gleichen Sachen weniger als nichts verstünden. Aber ich antworte:Es sahe einesmals einer den Erasmus von Roterodam ungefähr mit einer Feder schreiben/ welche er/ von wegen ihrer Kürtze/ an statt deß Stiels/ ein Höltzlein angebunden/ und alsbald gieng derselbe hin/ und knüpffte seiner Feder auch ein Holtz an/ meynend/ er ahmete solcher ge- stalt dem Erasmus nach. Vielleicht lachst du/ aber du bist nichts desto weniger selbst also zu verlachen/ der du dich anderer Faulheit oder Unwissenheit nachzuarten/ befleissigen wilst. Glaubestu/ daß Plato an seinen Schülern werde ein sonderbares Gefallen getragen haben/ in dem dieselbigen ihre Schulter kürtzer machten/ welches doch an dem Plato ein Gebrechen war. Glaubest du/ daß Aristoteles seine Schüler werde gelobt haben/ wann sie in ihren Reden etwas stammleten/ wel- cher wegen Aristoteles doch nicht in so grossem Ansehen war. Jm Vierten Einwurff sagen sie/ es sey die Wolredenheit denen Got- und
an Jhm ſelbſt. gleichen Sachen weniger als nichts verſtuͤnden. Aber ich antworte:Es ſahe einesmals einer den Eraſmus von Roterodam ungefaͤhr mit einer Feder ſchreiben/ welche er/ von wegen ihrer Kuͤrtze/ an ſtatt deß Stiels/ ein Hoͤltzlein angebunden/ und alsbald gieng derſelbe hin/ und knuͤpffte ſeiner Feder auch ein Holtz an/ meynend/ er ahmete ſolcher ge- ſtalt dem Eraſmus nach. Vielleicht lachſt du/ aber du biſt nichts deſto weniger ſelbſt alſo zu verlachen/ der du dich anderer Faulheit oder Unwiſſenheit nachzuarten/ befleiſſigen wilſt. Glaubeſtu/ daß Plato an ſeinen Schuͤlern werde ein ſonderbares Gefallen getragen haben/ in dem dieſelbigen ihre Schulter kuͤrtzer machten/ welches doch an dem Plato ein Gebrechen war. Glaubeſt du/ daß Aristoteles ſeine Schuͤler werde gelobt haben/ wann ſie in ihren Reden etwas ſtammleten/ wel- cher wegen Aristoteles doch nicht in ſo groſſem Anſehen war. Jm Vierten Einwurff ſagen ſie/ es ſey die Wolredenheit denen Got- und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0901" n="859"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">an Jhm ſelbſt.</hi></fw><lb/> gleichen Sachen weniger als nichts verſtuͤnden. Aber ich antworte:<lb/> Es ſahe einesmals einer den Eraſmus von Roterodam ungefaͤhr mit<lb/> einer Feder ſchreiben/ welche er/ von wegen ihrer Kuͤrtze/ an ſtatt deß<lb/> Stiels/ ein Hoͤltzlein angebunden/ und alsbald gieng derſelbe hin/ und<lb/> knuͤpffte ſeiner Feder auch ein Holtz an/ meynend/ er ahmete ſolcher ge-<lb/> ſtalt dem Eraſmus nach. Vielleicht lachſt du/ aber du biſt nichts deſto<lb/> weniger ſelbſt alſo zu verlachen/ der du dich anderer Faulheit oder<lb/> Unwiſſenheit nachzuarten/ befleiſſigen wilſt. Glaubeſtu/ daß <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Plato</hi></hi> an<lb/> ſeinen Schuͤlern werde ein ſonderbares Gefallen getragen haben/ in<lb/> dem dieſelbigen ihre Schulter kuͤrtzer machten/ welches doch an dem<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Plato</hi></hi> ein Gebrechen war. Glaubeſt du/ daß <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Aristoteles</hi></hi> ſeine Schuͤler<lb/> werde gelobt haben/ wann ſie in ihren Reden etwas ſtammleten/ wel-<lb/> cher wegen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Aristoteles</hi></hi> doch nicht in ſo groſſem Anſehen war.</p><lb/> <p>Jm Vierten Einwurff ſagen ſie/ es ſey die Wolredenheit denen Got-<lb/> tes gelehrten gar nichts nuͤtz Aber ich verwundere mich/ was etlichen<lb/> Leuten in Sinn komme/ daß ſie dieſer Edlen Kunſt vtererley Arten zu-<lb/> geben/ in welchen ſie alle Sachen/ ſo unter der Sonnen ſind/ begreif-<lb/> fen/ und achten dennoch die Wiſſenſchafft der Rechten allein von ſol-<lb/> cher Wuͤrde/ da ſie obgedachter Wolredenheit moͤge auffwarten. Was<lb/> iſt ein Prediger? <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Signum interrogationis?</hi></hi></hi> Entweder ich irre hefftig/<lb/> oder iſt unter einem Prediger und Kirchen-Redner kein anderer Un-<lb/> terſcheid/ als unter dem groſſen Alexander/ und unter Philippus Sohn<lb/> von Macedo. Jch frage/ ob nit nur allein die Art zu richten und zu ur-<lb/> theilen/ auff die Richter-Banck/ und zu den ſtreitigen Haͤndeln gehoͤre/<lb/> die andern Arten aber in allen Wiſſenſchafften und Kuͤnſten/ ihren Ort<lb/> und Nutzen haben? Jch frage/ ob die Wolredenheit nit ein Werckzeug<lb/> ſey der gantzen Weltweisheit/ aller Kuͤnſte und Wiſſenſchafften/ ſo wol<lb/> als etwa die Vernunfft- und Schreib-Kunſt? Was iſt die uͤberredung?<lb/> Dafern wir dem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Aristoteles, Cicero</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Quintilianus</hi></hi> Glauben zu-<lb/> ſtellen/ ſo iſt das uͤberreden nichts anders/ als mit einer glaubwuͤrdigen<lb/> Rede/ eine Meynung in eines andern Gemuͤt hinein bringen. Nun iſt<lb/> ja gewiß/ daß alle Wiſſenſchafften/ alle Kuͤnſte eine gewiſſe Meynung<lb/> in eines andern Gemuͤt mit einer glaubwuͤrdigen Rede hinein brin-<lb/> gen. Drumb uͤberreden ſie auch alle. So ſie alle uͤberreden/ ſo muͤſſen<lb/> ſie auch alle ſich der Wolredenheit gebrauchen/ als eines Werckzeuges<lb/> zu uͤberreden. Der ſich einem etwas ohne die Wolredenheit zu uͤberre-<lb/> den unterſtehet/ der iſt nicht gar ungleich einem Armen/ welcher ohne<lb/> Gelt den beſten Wein kauffen wolte. Es ſind etliche Lehrer/ O Sit-<lb/> ten! O Zeiten! die nichts anders von den Jenigen (welche ſich<lb/> der Kunſt recht und wol zu reden/ auff das beſte befleiſſigen/)<lb/> halten wolten/ als daß ſie Spott- und Hohnweiſe von Jhnen<lb/> ſagen: Das ſind <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Grammaticali</hi></hi>ſche/ <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Criti</hi></hi>ſche/ <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Philoſophi</hi></hi>ſche/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [859/0901]
an Jhm ſelbſt.
gleichen Sachen weniger als nichts verſtuͤnden. Aber ich antworte:
Es ſahe einesmals einer den Eraſmus von Roterodam ungefaͤhr mit
einer Feder ſchreiben/ welche er/ von wegen ihrer Kuͤrtze/ an ſtatt deß
Stiels/ ein Hoͤltzlein angebunden/ und alsbald gieng derſelbe hin/ und
knuͤpffte ſeiner Feder auch ein Holtz an/ meynend/ er ahmete ſolcher ge-
ſtalt dem Eraſmus nach. Vielleicht lachſt du/ aber du biſt nichts deſto
weniger ſelbſt alſo zu verlachen/ der du dich anderer Faulheit oder
Unwiſſenheit nachzuarten/ befleiſſigen wilſt. Glaubeſtu/ daß Plato an
ſeinen Schuͤlern werde ein ſonderbares Gefallen getragen haben/ in
dem dieſelbigen ihre Schulter kuͤrtzer machten/ welches doch an dem
Plato ein Gebrechen war. Glaubeſt du/ daß Aristoteles ſeine Schuͤler
werde gelobt haben/ wann ſie in ihren Reden etwas ſtammleten/ wel-
cher wegen Aristoteles doch nicht in ſo groſſem Anſehen war.
Jm Vierten Einwurff ſagen ſie/ es ſey die Wolredenheit denen Got-
tes gelehrten gar nichts nuͤtz Aber ich verwundere mich/ was etlichen
Leuten in Sinn komme/ daß ſie dieſer Edlen Kunſt vtererley Arten zu-
geben/ in welchen ſie alle Sachen/ ſo unter der Sonnen ſind/ begreif-
fen/ und achten dennoch die Wiſſenſchafft der Rechten allein von ſol-
cher Wuͤrde/ da ſie obgedachter Wolredenheit moͤge auffwarten. Was
iſt ein Prediger? Signum interrogationis? Entweder ich irre hefftig/
oder iſt unter einem Prediger und Kirchen-Redner kein anderer Un-
terſcheid/ als unter dem groſſen Alexander/ und unter Philippus Sohn
von Macedo. Jch frage/ ob nit nur allein die Art zu richten und zu ur-
theilen/ auff die Richter-Banck/ und zu den ſtreitigen Haͤndeln gehoͤre/
die andern Arten aber in allen Wiſſenſchafften und Kuͤnſten/ ihren Ort
und Nutzen haben? Jch frage/ ob die Wolredenheit nit ein Werckzeug
ſey der gantzen Weltweisheit/ aller Kuͤnſte und Wiſſenſchafften/ ſo wol
als etwa die Vernunfft- und Schreib-Kunſt? Was iſt die uͤberredung?
Dafern wir dem Aristoteles, Cicero und Quintilianus Glauben zu-
ſtellen/ ſo iſt das uͤberreden nichts anders/ als mit einer glaubwuͤrdigen
Rede/ eine Meynung in eines andern Gemuͤt hinein bringen. Nun iſt
ja gewiß/ daß alle Wiſſenſchafften/ alle Kuͤnſte eine gewiſſe Meynung
in eines andern Gemuͤt mit einer glaubwuͤrdigen Rede hinein brin-
gen. Drumb uͤberreden ſie auch alle. So ſie alle uͤberreden/ ſo muͤſſen
ſie auch alle ſich der Wolredenheit gebrauchen/ als eines Werckzeuges
zu uͤberreden. Der ſich einem etwas ohne die Wolredenheit zu uͤberre-
den unterſtehet/ der iſt nicht gar ungleich einem Armen/ welcher ohne
Gelt den beſten Wein kauffen wolte. Es ſind etliche Lehrer/ O Sit-
ten! O Zeiten! die nichts anders von den Jenigen (welche ſich
der Kunſt recht und wol zu reden/ auff das beſte befleiſſigen/)
halten wolten/ als daß ſie Spott- und Hohnweiſe von Jhnen
ſagen: Das ſind Grammaticaliſche/ Critiſche/ Philoſophiſche/
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |