Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].an Jhm selbst. allzeit singe/ oder allzeit heule. Und daß du nicht für einen Unbekan-ten der alten Kunst und Geschickligkeit gescholten werdest/ so samble dir etliche Lateinische Wörter/ die du stets auff der Zunge habest. Umb das andere laß dich unbekümmert. Deine Unschamhafftigkeit wird alles so wol an den Mann bringen/ als die alten Thaler. Die älteren/ verlegene und frembde Wörter/ dergleichen deß Evanders Mutter sich damals gebrauchte/ liß zusammen auß dem Antiquarius deß Lau- remberges oder Lubines/ und drehe sie mit grosser Behendigkeit der Zungen in die Herumbstehenden/ damit sie dich ehren/ als einen vom Himmel gefallenen Menschen Behalte stets in deinem Munde die Crembula, Sistra, lobas, berecynthia, crusmata, cannas, und an- dere/ welche auch kaum der alte Numa verstehen könte/ dafern er nicht die Göttlichen Egerischen Weissagungen umb Rath fragte. Hast du Mangel an den Wörtern/ so erdichte dir alsbald dieselbigen nach dei- nem Gefallen. Entfällt dir etwa ein Barbarismus oder Soloecismus, so benenne alsbald einen Poeten/ oder solchen Scribenten/ der weder ist/ noch jemals gewesen ist in der Natur. Ziehe an den Ennius, den Paccuvius, und Andere/ die entweder in aller Händen und Libereyen nicht sind/ oder in eines jeglichen Gedächtnus. Unser Messieurs, die etwa zu Pariß in Franckreich einmal übernachtet/ entschuldigen alle diese Schmach/ welche sie dem Grobianus zufügen/ mit dem/ daß sie sagen: Es ist a la mode. Was hinderts/ daß du nicht alle Priscia- nische Wunden soltest bedecken/ mit dem Pflaster deß vermummten Criticus/ Du must stets etliche gewisse Beweiß-Gründe in Bereit- schafft haben/ mit welchen du den Socrates, Demosthenes, Plautus, Plato und Tullius straffen mögest. Solcher gestalt werden dich die Leute für einen gewaltigen Critischen Mann halten/ ob dir schon nichts mehr ermangelt/ als Verstand und Klugheit. Sihe zu/ daß du die gezwungene Reden der neuen Scribenten stets in Händen habest. Welche/ da es nur sicherlich geschehen kan/ du allezeit für die Deinen außgeben must. Alles was du vorbringest/ sage/ daß es von der Hand gemachet sey. Hüte dich/ daß du ja nicht darauff sinnest/ wie du etwa deine Reden in gewisse Stück urtheilest. Denn das sind schlechte Seelen/ welche nicht die Kunst mit der Kunst verstellen kön- nen Sage nur getrost herauß/ was dir ins Maul kommet. Obs sich schon zutrüge/ daß der Fuß zu dem Kopff/ der Stiefel zur Sturm- Haube/ und der Schwantz zur Mähn gesetzet würde/ was gehets dich an? Genug/ daß du nur nicht schweigest. Das Florilegium deß Lan- gius laß von deiner Seite nimmermehr kommen. Jm Fall du etwa von einem zerrissenen Mantel oder Bader-Hut soltest reden/ so erzeh- le auß obgedachtem Florilegio alle alte Zeit der Athenienser. Sage her/ H h h iij
an Jhm ſelbſt. allzeit ſinge/ oder allzeit heule. Und daß du nicht fuͤr einen Unbekan-ten der alten Kunſt und Geſchickligkeit geſcholten werdeſt/ ſo ſamble dir etliche Lateiniſche Woͤrter/ die du ſtets auff der Zunge habeſt. Umb das andere laß dich unbekuͤmmert. Deine Unſchamhafftigkeit wird alles ſo wol an den Mann bringen/ als die alten Thaler. Die aͤlteren/ verlegene und frembde Woͤrter/ dergleichen deß Evanders Mutter ſich damals gebrauchte/ liß zuſammen auß dem Antiquarius deß Lau- remberges oder Lubines/ und drehe ſie mit groſſer Behendigkeit der Zungen in die Herumbſtehenden/ damit ſie dich ehren/ als einen vom Himmel gefallenen Menſchen Behalte ſtets in deinem Munde die Crembula, Siſtra, lobas, berecynthia, cruſmata, cannas, und an- dere/ welche auch kaum der alte Numa verſtehen koͤnte/ dafern er nicht die Goͤttlichen Egeriſchen Weiſſagungen umb Rath fragte. Haſt du Mangel an den Woͤrtern/ ſo erdichte dir alsbald dieſelbigen nach dei- nem Gefallen. Entfaͤllt dir etwa ein Barbariſmus oder Solœciſmus, ſo benenne alsbald einen Poeten/ oder ſolchen Scribenten/ der weder iſt/ noch jemals geweſen iſt in der Natur. Ziehe an den Ennius, den Paccuvius, und Andere/ die entweder in aller Haͤnden und Libereyen nicht ſind/ oder in eines jeglichen Gedaͤchtnus. Unſer Meſſieurs, die etwa zu Pariß in Franckreich einmal uͤbernachtet/ entſchuldigen alle dieſe Schmach/ welche ſie dem Grobianus zufuͤgen/ mit dem/ daß ſie ſagen: Es iſt à la mode. Was hinderts/ daß du nicht alle Priſcia- niſche Wunden ſolteſt bedecken/ mit dem Pflaſter deß vermummten Criticus/ Du muſt ſtets etliche gewiſſe Beweiß-Gruͤnde in Bereit- ſchafft haben/ mit welchen du den Socrates, Demosthenes, Plautus, Plato und Tullius ſtraffen moͤgeſt. Solcher geſtalt werden dich die Leute fuͤr einen gewaltigen Critiſchen Mann halten/ ob dir ſchon nichts mehr ermangelt/ als Verſtand und Klugheit. Sihe zu/ daß du die gezwungene Reden der neuen Scribenten ſtets in Haͤnden habeſt. Welche/ da es nur ſicherlich geſchehen kan/ du allezeit fuͤr die Deinen außgeben muſt. Alles was du vorbringeſt/ ſage/ daß es von der Hand gemachet ſey. Huͤte dich/ daß du ja nicht darauff ſinneſt/ wie du etwa deine Reden in gewiſſe Stuͤck urtheileſt. Denn das ſind ſchlechte Seelen/ welche nicht die Kunſt mit der Kunſt verſtellen koͤn- nen Sage nur getroſt herauß/ was dir ins Maul kommet. Obs ſich ſchon zutruͤge/ daß der Fuß zu dem Kopff/ der Stiefel zur Sturm- Haube/ und der Schwantz zur Maͤhn geſetzet wuͤrde/ was gehets dich an? Genug/ daß du nur nicht ſchweigeſt. Das Florilegium deß Lan- gius laß von deiner Seite nimmermehr kommen. Jm Fall du etwa von einem zerriſſenen Mantel oder Bader-Hut ſolteſt reden/ ſo erzeh- le auß obgedachtem Florilegio alle alte Zeit der Athenienſer. Sage her/ H h h iij
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ten der alten Kunſt und Geſchickligkeit geſcholten werdeſt/ ſo ſamble
dir etliche Lateiniſche Woͤrter/ die du ſtets auff der Zunge habeſt. Umb
das andere laß dich unbekuͤmmert. Deine Unſchamhafftigkeit wird
alles ſo wol an den Mann bringen/ als die alten Thaler. Die aͤlteren/
verlegene und frembde Woͤrter/ dergleichen deß Evanders Mutter
ſich damals gebrauchte/ liß zuſammen auß dem Antiquarius deß Lau-
remberges oder Lubines/ und drehe ſie mit groſſer Behendigkeit der
Zungen in die Herumbſtehenden/ damit ſie dich ehren/ als einen vom
Himmel gefallenen Menſchen Behalte ſtets in deinem Munde die
Crembula, Siſtra, lobas, berecynthia, cruſmata, cannas, und an-
dere/ welche auch kaum der alte Numa verſtehen koͤnte/ dafern er nicht
die Goͤttlichen Egeriſchen Weiſſagungen umb Rath fragte. Haſt du
Mangel an den Woͤrtern/ ſo erdichte dir alsbald dieſelbigen nach dei-
nem Gefallen. Entfaͤllt dir etwa ein Barbariſmus oder Solœciſmus,
ſo benenne alsbald einen Poeten/ oder ſolchen Scribenten/ der weder
iſt/ noch jemals geweſen iſt in der Natur. Ziehe an den Ennius, den
Paccuvius, und Andere/ die entweder in aller Haͤnden und Libereyen
nicht ſind/ oder in eines jeglichen Gedaͤchtnus. Unſer Meſſieurs, die
etwa zu Pariß in Franckreich einmal uͤbernachtet/ entſchuldigen alle
dieſe Schmach/ welche ſie dem Grobianus zufuͤgen/ mit dem/ daß ſie
ſagen: Es iſt à la mode. Was hinderts/ daß du nicht alle Priſcia-
niſche Wunden ſolteſt bedecken/ mit dem Pflaſter deß vermummten
Criticus/ Du muſt ſtets etliche gewiſſe Beweiß-Gruͤnde in Bereit-
ſchafft haben/ mit welchen du den Socrates, Demosthenes, Plautus,
Plato und Tullius ſtraffen moͤgeſt. Solcher geſtalt werden dich die
Leute fuͤr einen gewaltigen Critiſchen Mann halten/ ob dir ſchon nichts
mehr ermangelt/ als Verſtand und Klugheit. Sihe zu/ daß du die
gezwungene Reden der neuen Scribenten ſtets in Haͤnden habeſt.
Welche/ da es nur ſicherlich geſchehen kan/ du allezeit fuͤr die Deinen
außgeben muſt. Alles was du vorbringeſt/ ſage/ daß es von der
Hand gemachet ſey. Huͤte dich/ daß du ja nicht darauff ſinneſt/ wie
du etwa deine Reden in gewiſſe Stuͤck urtheileſt. Denn das ſind
ſchlechte Seelen/ welche nicht die Kunſt mit der Kunſt verſtellen koͤn-
nen Sage nur getroſt herauß/ was dir ins Maul kommet. Obs
ſich ſchon zutruͤge/ daß der Fuß zu dem Kopff/ der Stiefel zur Sturm-
Haube/ und der Schwantz zur Maͤhn geſetzet wuͤrde/ was gehets dich
an? Genug/ daß du nur nicht ſchweigeſt. Das Florilegium deß Lan-
gius laß von deiner Seite nimmermehr kommen. Jm Fall du etwa
von einem zerriſſenen Mantel oder Bader-Hut ſolteſt reden/ ſo erzeh-
le auß obgedachtem Florilegio alle alte Zeit der Athenienſer. Sage
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 853. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/895>, abgerufen am 16.02.2025. |