Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Der ungeschickte Redner Gemüth eines rechtschaffenen Zuhörers selbst. Wolte Gott/ daß ichzu meinen verwichenen Jahren wider gelangen könte/ so wolte ich lauffen/ und mit euch lernen/ was mich jetzund verdreust/ und scham- hafft machet/ daß ichs nicht kan. Folget nur nach/ ihr meine Freun- de/ oder so ihr lieber wollet/ meine Brüder und Mit-Gesellen. Jhr solt an mir ein Beyspiel haben/ wo nicht deß Verstandes und Geschick- ligkeit/ doch deß Fleisses. Jch befinde eine gleiche Notwendigkeit in mir/ mit euch noch täglich etwas zu lernen. Denn so viel ist es/ was wir nit wissen. Gehabt euch wol. Gegeben zu Marpurg/ im Brach- Mond deß 1638sten Heyl-Jahres. Der ungeschickte Redner an Jhm selbst. AUff was wartet ihr/ ihr Zuhörer? Woher soll ich an- Cicero hat vor Zeiten ein Buch geschrieben von dem vollkomme- allzeit
Der ungeſchickte Redner Gemuͤth eines rechtſchaffenen Zuhoͤrers ſelbſt. Wolte Gott/ daß ichzu meinen verwichenen Jahren wider gelangen koͤnte/ ſo wolte ich lauffen/ und mit euch lernen/ was mich jetzund verdreuſt/ und ſcham- hafft machet/ daß ichs nicht kan. Folget nur nach/ ihr meine Freun- de/ oder ſo ihr lieber wollet/ meine Bruͤder und Mit-Geſellen. Jhr ſolt an mir ein Beyſpiel haben/ wo nicht deß Verſtandes und Geſchick- ligkeit/ doch deß Fleiſſes. Jch befinde eine gleiche Notwendigkeit in mir/ mit euch noch taͤglich etwas zu lernen. Denn ſo viel iſt es/ was wir nit wiſſen. Gehabt euch wol. Gegeben zu Marpurg/ im Brach- Mond deß 1638ſten Heyl-Jahres. Der ungeſchickte Redner an Jhm ſelbſt. AUff was wartet ihr/ ihr Zuhoͤrer? Woher ſoll ich an- Cicero hat vor Zeiten ein Buch geſchrieben von dem vollkomme- allzeit
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Der ungeſchickte Redner
Gemuͤth eines rechtſchaffenen Zuhoͤrers ſelbſt. Wolte Gott/ daß ich
zu meinen verwichenen Jahren wider gelangen koͤnte/ ſo wolte ich
lauffen/ und mit euch lernen/ was mich jetzund verdreuſt/ und ſcham-
hafft machet/ daß ichs nicht kan. Folget nur nach/ ihr meine Freun-
de/ oder ſo ihr lieber wollet/ meine Bruͤder und Mit-Geſellen. Jhr
ſolt an mir ein Beyſpiel haben/ wo nicht deß Verſtandes und Geſchick-
ligkeit/ doch deß Fleiſſes. Jch befinde eine gleiche Notwendigkeit in
mir/ mit euch noch taͤglich etwas zu lernen. Denn ſo viel iſt es/ was
wir nit wiſſen. Gehabt euch wol. Gegeben zu Marpurg/ im Brach-
Mond deß 1638ſten Heyl-Jahres.
Der ungeſchickte Redner an
Jhm ſelbſt.
AUff was wartet ihr/ ihr Zuhoͤrer? Woher ſoll ich an-
fangen? Von den Philoſophiſchen Kunſt Woͤrtern? Oder an-
dern Strittigkeiten? Das einige weiß ich/ daß ich gar nichts
weiß. Warumb? weil Andere alles wiſſen. Jch habe nichts/ das ich
euch vortragen koͤnte/ ohne meine ungeſchickte naͤrriſche Sachen. Ver-
meynet ihr dann wol/ Andere mit eurer Weisheit zu uͤberwinden? So
ihr dieſes glaubet/ ſeyt ihr naͤrriſcher/ dann alle Narren. Denn der
erſte Staffel der Thorheit iſt/ andern ſich vorziehen So ihr mir was
glaubet/ es ſind vielmehr Narren in der Welt/ als Syllaben im Ca-
lepinus. Und es iſt eine Art der Weisheit/ raſen mit den Raſenden/
und ſich nach den Laͤufften der Zeit richten.
Cicero hat vor Zeiten ein Buch geſchrieben von dem vollkomme-
nen Redner. Verweiſet das Buch zu den Garamenten und Jndia-
nern. Lernet aber von mir/ wie ihr einen naͤrriſchen Redner in allem
recht darſtellen ſollet/ damit ihr dieſer Zeit nicht ungleich werdet Ma-
chet die Ohren auff/ gleich wie die Fůrſprecher ihre Beutel weit auff-
zuzerren pflegen. Jch will euch etliche Regeln geben/ wann ihr die-
ſelbigen nicht werdet vergeſſen/ ſo ſeyt verſichert/ daß ihr eher werdet
Redner ſeyn/ als die Spargen koͤnnen gekocht werden. Erſtlich/ wor-
zu die Goͤtter Gluͤck und Segen verleyhen wollen/ der du dich meiner
Lehre unterwerffen wilſt/ ſo verſchaffe/ daß du vor allen andern Din-
gen frevelhafftig ſeyeſt/ unverſchaͤmt und kuͤhn. Wirſt du mit dieſen
Waffen außgebutzet ſeyn/ ſo will ich dich fuͤr ſehr gelehrt halten. Denn
der herrlichſte Vorrath meiner Schulen iſt die Unwiſſenheit. Dar-
nach bringe mit dir deß Stentors ſtarcke Stimme/ welche entweder
allzeit
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