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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Der
Ungeschickte Redner/
Mit Einwilligung seines Meisters
übersetzet
von
M. B. Kindermann.


Antritt
Zu dem ungeschickten Redner.

DJe Vernunfft ists/ welche die Menschen von
dem unvernünfftigen Vieh unterscheidet Der Gebrauch
der Vernunfft macht kluge Leute Aber der Gebrauch der
Wolredenheit unterscheidet die Klugen selber. Vor des-
sen hatten die Schwestern der Musen/ die Fürstinnen
der Wolredenheit/ ihren Sitz auff diesen Bergen/ welche ihr umb die-
se unsere Statt ligen sehet. Sie liebeten diese angenehme Waldun-
gen/ diese grünende Wiesen/ das Gerausche dieser Güsse und Flüsse/
und verknüpfften sich gleichsam/ als mit einem immerhaltenden Ehe-
Bande/ mit den Töchtern dieses Landes. Nun werden sie hin und wi-
der verjaget/ und hergegen dem heiligen Priscianus so herrliche Ehren-
Bilder unterweilen auffgerichtet. Ob nun das auß Unwissenheit der
Lehrer/ oder Nachlässigkeit der Lernenden geschehe/ werdet ihr selbst zu
urtheilen wissen/ ich gestehe gar gerne/ daß diese meine Hände so gar
rein und sauber nit seynd von dem Blut deß frommen Priscianus, glorw.
Andenckens. Allein/ so die Nachahnung deß Lasters eine allgemeine
Unschuld ist/ werde ich leichtlich entschuldiget werden. Nachdem ich die
Unwissenheit jetziger Zeit etwas genauer angesehen/ hab ich mich end-
lich geschämt Es kriechen so viel Arten der Ungeschickligkeit durch die
Schulen/ welchen gäntzlich abzuhelffen meine Wenigkeit nicht gewach-
sen; aber wol meines Ampts ist/ die Jugend von demselden abzumahnen.
Wir sind Kinder/ dafern wir meynen/ als hätten wir den Gipffel der

Weis-


Der
Ungeſchickte Redner/
Mit Einwilligung ſeines Meiſters
uͤberſetzet
von
M. B. Kindermann.


Antritt
Zu dem ungeſchickten Redner.

DJe Vernunfft iſts/ welche die Menſchen von
dem unvernuͤnfftigen Vieh unterſcheidet Der Gebrauch
der Vernunfft macht kluge Leute Aber der Gebrauch der
Wolredenheit unterſcheidet die Klugen ſelber. Vor deſ-
ſen hatten die Schweſtern der Muſen/ die Fuͤrſtinnen
der Wolredenheit/ ihren Sitz auff dieſen Bergen/ welche ihr umb die-
ſe unſere Statt ligen ſehet. Sie liebeten dieſe angenehme Waldun-
gen/ dieſe gruͤnende Wieſen/ das Gerauſche dieſer Guͤſſe und Fluͤſſe/
und verknuͤpfften ſich gleichſam/ als mit einem immerhaltenden Ehe-
Bande/ mit den Toͤchtern dieſes Landes. Nun werden ſie hin und wi-
der verjaget/ und hergegen dem heiligen Priſcianus ſo herrliche Ehren-
Bilder unterweilen auffgerichtet. Ob nun das auß Unwiſſenheit der
Lehrer/ oder Nachlaͤſſigkeit der Lernenden geſchehe/ werdet ihr ſelbſt zu
urtheilen wiſſen/ ich geſtehe gar gerne/ daß dieſe meine Haͤnde ſo gar
rein und ſauber nit ſeynd von dem Blut deß from̃en Priſcianus, glorw.
Andenckens. Allein/ ſo die Nachahnung deß Laſters eine allgemeine
Unſchuld iſt/ werde ich leichtlich entſchuldiget werden. Nachdem ich die
Unwiſſenheit jetziger Zeit etwas genauer angeſehen/ hab ich mich end-
lich geſchaͤmt Es kriechen ſo viel Arten der Ungeſchickligkeit durch die
Schulen/ welchen gaͤntzlich abzuhelffen meine Wenigkeit nicht gewach-
ſen; aber wol meines Ampts iſt/ die Jugend von demſeldẽ abzumahnen.
Wir ſind Kinder/ dafern wir meynen/ als haͤtten wir den Gipffel der

Weis-
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[848/0890] Der Ungeſchickte Redner/ Mit Einwilligung ſeines Meiſters uͤberſetzet von M. B. Kindermann. Antritt Zu dem ungeſchickten Redner. DJe Vernunfft iſts/ welche die Menſchen von dem unvernuͤnfftigen Vieh unterſcheidet Der Gebrauch der Vernunfft macht kluge Leute Aber der Gebrauch der Wolredenheit unterſcheidet die Klugen ſelber. Vor deſ- ſen hatten die Schweſtern der Muſen/ die Fuͤrſtinnen der Wolredenheit/ ihren Sitz auff dieſen Bergen/ welche ihr umb die- ſe unſere Statt ligen ſehet. Sie liebeten dieſe angenehme Waldun- gen/ dieſe gruͤnende Wieſen/ das Gerauſche dieſer Guͤſſe und Fluͤſſe/ und verknuͤpfften ſich gleichſam/ als mit einem immerhaltenden Ehe- Bande/ mit den Toͤchtern dieſes Landes. Nun werden ſie hin und wi- der verjaget/ und hergegen dem heiligen Priſcianus ſo herrliche Ehren- Bilder unterweilen auffgerichtet. Ob nun das auß Unwiſſenheit der Lehrer/ oder Nachlaͤſſigkeit der Lernenden geſchehe/ werdet ihr ſelbſt zu urtheilen wiſſen/ ich geſtehe gar gerne/ daß dieſe meine Haͤnde ſo gar rein und ſauber nit ſeynd von dem Blut deß from̃en Priſcianus, glorw. Andenckens. Allein/ ſo die Nachahnung deß Laſters eine allgemeine Unſchuld iſt/ werde ich leichtlich entſchuldiget werden. Nachdem ich die Unwiſſenheit jetziger Zeit etwas genauer angeſehen/ hab ich mich end- lich geſchaͤmt Es kriechen ſo viel Arten der Ungeſchickligkeit durch die Schulen/ welchen gaͤntzlich abzuhelffen meine Wenigkeit nicht gewach- ſen; aber wol meines Ampts iſt/ die Jugend von demſeldẽ abzumahnen. Wir ſind Kinder/ dafern wir meynen/ als haͤtten wir den Gipffel der Weis-

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 848. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/890>, abgerufen am 22.11.2024.