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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Zuschrifft.
bulen entschlage dich; Da halte ich darvor/ Paulus habe dar-
mit gesehen auff die alte Jüdische Weiber/ welche ihren Kindern aller-
hand Mährlein erzehlten: Als zum Exempel/ wann ein Mensch ster-
be/ so komme er widerumb in das Paradeis/ darauß Adam und Eva
vertrieben/ da werde es lustig hergehen/ da werde man essen/ trincken/
tantzen/ etc. Welche und dergleichen Fabeln mein seeliger Großvat-
ter Doctor Helvius auß ihrem Talmut in die Teutsche Sprach verse-
tzet hat/ diese Fabeln wurtzelten endlich also ein/ daß auch die Alten/
welche in ihrer Kindheit diese Mährlein gehöret hatten/ dieselbige so
hoch hielten/ als wann es Moses und die Propheten geredet hätten.
Salome mag wol eine gute Frau gewesen seyn/ allein ohne Zweiffel
ist ihr in ihrer Kindheit die opinion beygebracht worden/ was der
Messias für ein grosset HERR seyn werde/ wie er das gantze Jüdi-
sche Volck werde groß machen/ und zu Ehrnbringen. Weil sie nun
sahe/ daß Christus der wahre Messias seye/ und ihr mit Blut-Freund-
schafft so nahe anverwandt seye/ da kam sie zu ihm/ und bate/ daß Er
ihre beyde Söhne vor andern befördern wolle. Und wolte den Einen
in seinem Reich lassen sitzen zu seiner Rechten/ den Andern zu seiner
Lincken/ das ist/ Er wolle auß dem Einen etwan einen Reichs-Mar-
schalck/ auß dem Andern einen Reichs-Cantzler machen Diese Ein-
bildung ist vielleicht entstanden auß den Fabeln und Mährlein/ welche
Salome in ihrer Kindheit von den alten Weibern gehöret hatte Weil
nun Timotheus auch ein junger Mensche war/ und ohne Zweiffel von
solchen Fabuln gehöret hatte/ als schrieb Paulus an ihn/ daß er sich
derselbigen enthalten solle: Daß sonsten alle parabolische Reden/
Gleichnussen oder Fabeln/ in Gottes Wort allerdings verbotten sey-
en/ das kan ich nirgend finden. Warumb hat der H Geist auffzeichnen
lassen die Fabel/ welche Jotham den Bürgern zu Sichem erzehlet?
Warumh hat Er auffzeichnen lassen die Fabel/ welche Nathan dem
König David erzehlete? Warumb sagte Nathan nicht alsbald/ Kö-
nig David/ du bist ein Mörder und Ehebrecher/ und die Mörder und
Ehebrecher werden das Reich GOttes nicht ererben/ sondern erzehlete
Jhme erstlich die Fabul von dem Schaf? Warumb hat der Sohn
GOttes/ der Meister mit der gelehrten Zungen/ der gewaltig predig-
te/ und nicht wie die Schrifftgelehrten/ nicht eine solche Art zu predi-
gen gebrauchet/ wie Moses und die Propheten/ sondern hat die vor-
nembste Articul deß Glaubens/ die vornembste Geheimnüs/ in aller-
hand schönen Parabeln und Gleichnüssen vorgestellet/ indeme er sagt:
Es gieng ein Säemann auß zu säen seinen Samen/ etc. Das Himmel-
reich ist gleich einem Haußvatter/ der außgienge Arbeiter zu mieten in
seinen Weinberg/ etc. Matthesius sagt recht und wol/ die Allegorien

und

Zuſchrifft.
bulen entſchlage dich; Da halte ich darvor/ Paulus habe dar-
mit geſehen auff die alte Juͤdiſche Weiber/ welche ihren Kindern aller-
hand Maͤhrlein erzehlten: Als zum Exempel/ wann ein Menſch ſter-
be/ ſo komme er widerumb in das Paradeis/ darauß Adam und Eva
vertrieben/ da werde es luſtig hergehen/ da werde man eſſen/ trincken/
tantzen/ ꝛc. Welche und dergleichen Fabeln mein ſeeliger Großvat-
ter Doctor Helvius auß ihrem Talmut in die Teutſche Sprach verſe-
tzet hat/ dieſe Fabeln wurtzelten endlich alſo ein/ daß auch die Alten/
welche in ihrer Kindheit dieſe Maͤhrlein gehoͤret hatten/ dieſelbige ſo
hoch hielten/ als wann es Moſes und die Propheten geredet haͤtten.
Salome mag wol eine gute Frau geweſen ſeyn/ allein ohne Zweiffel
iſt ihr in ihrer Kindheit die opinion beygebracht worden/ was der
Meſſias fuͤr ein groſſet HERR ſeyn werde/ wie er das gantze Juͤdi-
ſche Volck werde groß machen/ und zu Ehrnbringen. Weil ſie nun
ſahe/ daß Chriſtus der wahre Meſſias ſeye/ und ihr mit Blut-Freund-
ſchafft ſo nahe anverwandt ſeye/ da kam ſie zu ihm/ und bate/ daß Er
ihre beyde Soͤhne vor andern befoͤrdern wolle. Und wolte den Einen
in ſeinem Reich laſſen ſitzen zu ſeiner Rechten/ den Andern zu ſeiner
Lincken/ das iſt/ Er wolle auß dem Einen etwan einen Reichs-Mar-
ſchalck/ auß dem Andern einen Reichs-Cantzler machen Dieſe Ein-
bildung iſt vielleicht entſtanden auß den Fabeln und Maͤhrlein/ welche
Salome in ihrer Kindheit von den alten Weibern gehoͤret hatte Weil
nun Timotheus auch ein junger Menſche war/ und ohne Zweiffel von
ſolchen Fabuln gehoͤret hatte/ als ſchrieb Paulus an ihn/ daß er ſich
derſelbigen enthalten ſolle: Daß ſonſten alle paraboliſche Reden/
Gleichnuſſen oder Fabeln/ in Gottes Wort allerdings verbotten ſey-
en/ das kan ich nirgend finden. Warumb hat der H Geiſt auffzeichnen
laſſen die Fabel/ welche Jotham den Buͤrgern zu Sichem erzehlet?
Warumh hat Er auffzeichnen laſſen die Fabel/ welche Nathan dem
Koͤnig David erzehlete? Warumb ſagte Nathan nicht alsbald/ Koͤ-
nig David/ du biſt ein Moͤrder und Ehebrecher/ und die Moͤrder und
Ehebrecher werden das Reich GOttes nicht ererben/ ſondern erzehlete
Jhme erſtlich die Fabul von dem Schaf? Warumb hat der Sohn
GOttes/ der Meiſter mit der gelehrten Zungen/ der gewaltig predig-
te/ und nicht wie die Schrifftgelehrten/ nicht eine ſolche Art zu predi-
gen gebrauchet/ wie Moſes und die Propheten/ ſondern hat die vor-
nembſte Articul deß Glaubens/ die vornembſte Geheimnuͤs/ in aller-
hand ſchoͤnen Parabeln und Gleichnuͤſſen vorgeſtellet/ indeme er ſagt:
Es gieng ein Saͤemann auß zu ſaͤen ſeinen Samen/ ꝛc. Das Himmel-
reich iſt gleich einem Haußvatter/ der außgienge Arbeiter zu mieten in
ſeinen Weinberg/ ꝛc. Mattheſius ſagt recht und wol/ die Allegorien

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[826/0868] Zuſchrifft. bulen entſchlage dich; Da halte ich darvor/ Paulus habe dar- mit geſehen auff die alte Juͤdiſche Weiber/ welche ihren Kindern aller- hand Maͤhrlein erzehlten: Als zum Exempel/ wann ein Menſch ſter- be/ ſo komme er widerumb in das Paradeis/ darauß Adam und Eva vertrieben/ da werde es luſtig hergehen/ da werde man eſſen/ trincken/ tantzen/ ꝛc. Welche und dergleichen Fabeln mein ſeeliger Großvat- ter Doctor Helvius auß ihrem Talmut in die Teutſche Sprach verſe- tzet hat/ dieſe Fabeln wurtzelten endlich alſo ein/ daß auch die Alten/ welche in ihrer Kindheit dieſe Maͤhrlein gehoͤret hatten/ dieſelbige ſo hoch hielten/ als wann es Moſes und die Propheten geredet haͤtten. Salome mag wol eine gute Frau geweſen ſeyn/ allein ohne Zweiffel iſt ihr in ihrer Kindheit die opinion beygebracht worden/ was der Meſſias fuͤr ein groſſet HERR ſeyn werde/ wie er das gantze Juͤdi- ſche Volck werde groß machen/ und zu Ehrnbringen. Weil ſie nun ſahe/ daß Chriſtus der wahre Meſſias ſeye/ und ihr mit Blut-Freund- ſchafft ſo nahe anverwandt ſeye/ da kam ſie zu ihm/ und bate/ daß Er ihre beyde Soͤhne vor andern befoͤrdern wolle. Und wolte den Einen in ſeinem Reich laſſen ſitzen zu ſeiner Rechten/ den Andern zu ſeiner Lincken/ das iſt/ Er wolle auß dem Einen etwan einen Reichs-Mar- ſchalck/ auß dem Andern einen Reichs-Cantzler machen Dieſe Ein- bildung iſt vielleicht entſtanden auß den Fabeln und Maͤhrlein/ welche Salome in ihrer Kindheit von den alten Weibern gehoͤret hatte Weil nun Timotheus auch ein junger Menſche war/ und ohne Zweiffel von ſolchen Fabuln gehoͤret hatte/ als ſchrieb Paulus an ihn/ daß er ſich derſelbigen enthalten ſolle: Daß ſonſten alle paraboliſche Reden/ Gleichnuſſen oder Fabeln/ in Gottes Wort allerdings verbotten ſey- en/ das kan ich nirgend finden. Warumb hat der H Geiſt auffzeichnen laſſen die Fabel/ welche Jotham den Buͤrgern zu Sichem erzehlet? Warumh hat Er auffzeichnen laſſen die Fabel/ welche Nathan dem Koͤnig David erzehlete? Warumb ſagte Nathan nicht alsbald/ Koͤ- nig David/ du biſt ein Moͤrder und Ehebrecher/ und die Moͤrder und Ehebrecher werden das Reich GOttes nicht ererben/ ſondern erzehlete Jhme erſtlich die Fabul von dem Schaf? Warumb hat der Sohn GOttes/ der Meiſter mit der gelehrten Zungen/ der gewaltig predig- te/ und nicht wie die Schrifftgelehrten/ nicht eine ſolche Art zu predi- gen gebrauchet/ wie Moſes und die Propheten/ ſondern hat die vor- nembſte Articul deß Glaubens/ die vornembſte Geheimnuͤs/ in aller- hand ſchoͤnen Parabeln und Gleichnuͤſſen vorgeſtellet/ indeme er ſagt: Es gieng ein Saͤemann auß zu ſaͤen ſeinen Samen/ ꝛc. Das Himmel- reich iſt gleich einem Haußvatter/ der außgienge Arbeiter zu mieten in ſeinen Weinberg/ ꝛc. Mattheſius ſagt recht und wol/ die Allegorien und

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 826. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/868>, abgerufen am 25.11.2024.