Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Dissertatio Unter diesen war ein Siebenschläffer/ welcher was wenigs gestudirt/ bey
Diſſertatio Unter dieſen war ein Siebenſchlaͤffer/ welcher was wenigs geſtudiꝛt/ bey
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0776" n="734"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Diſſertatio</hi> </hi> </fw><lb/> <p>Unter dieſen war ein Siebenſchlaͤffer/ welcher was wenigs geſtudiꝛt/<lb/> und 10. Kinder Vater ware/ hatte ſein Urſprung von dem Geſchlecht<lb/><hi rendition="#aq">Endymionis</hi> des Hirtens/ welchen die Poetiſche Fabeln ſagen/ Er<lb/> ſeye von <hi rendition="#aq">Luna</hi> oder dem Mond geliebt worden. Und melden die Poe-<lb/> ten daß derſelbige <hi rendition="#aq">Endymion</hi> in einer Hoͤlen ſeines Vaterlands/<lb/> unter den Steinen des Bergs <hi rendition="#aq">Latmi</hi> verborgen geweſen ſeye/ Der<lb/> Mond aber ſeye nicht wenig mal vom Himmel herab geſtiegen/ des<lb/> ſchlaffenden Kuß begehrt/ und ſich wider gen Himmel begeben. Und<lb/> habe doch derſelbige Muͤſſiggang/ und langwierige Schlaff dem <hi rendition="#aq">En-<lb/> dymioni</hi> nichts geſchadet/ ſondern der Mond habe unter dieſem ge-<lb/> macht/ daß ſein Vieh gar feiſt worden/ und an der Zahl auffs Gluͤck-<lb/> ſeligſt gemehret ſeye worden/ alſo zwar/ daß keine Herden der Hirten<lb/> friſcher und an der Zahl mehr geweſen. Auß dieſes Hirten Geſchlecht<lb/> ware dieſer juͤngere <hi rendition="#aq">Endymion</hi> herkommen/ welcher bißher in Thuͤ-<lb/> ringen ein gnugſamb groſſen Acker bauete/ und ſeines Geſchlechts<lb/> wuͤrde mit Baͤuriſcher Einfalt gehalten hatte. Dieſer mit ſeiner Soͤhn<lb/> hauffen umbgeben/ ſompt zum <hi rendition="#aq">Bacono,</hi> an ſtat eines Huts/ trug er<lb/> ein Cron von Koren-Eher/ und hielte in der Hand ein Sichel/ und<lb/> mit langem Seufftzer vertruckte er die Stimm/ und den Antrieb der<lb/> andern Anmuhtungen. Letzlich hebte er zugleich an zu weinen mit al-<lb/> len Kindern/ klagte/ er waͤre mit Anlagen dermaſſen erſchoͤpfft wor-<lb/> den/ daß er das gantze Jahr nit ein troͤpflein Naumburgiſchen Biers<lb/> trincken habe koͤnnen. Fuͤrwar/ ſprach er/ wann ich die Haͤringsnaſen<lb/> in dem Faß <hi rendition="#aq">Diogenis</hi> haͤtte moͤgen ſchlecken/ von welchem Faß vor-<lb/> zeiten ich in der Erfurtiſchen Schul/ meine Schulgeſellen ſchwaͤtzen<lb/> habe hoͤren/ haͤtte ich vermeint/ ich haͤtte die ſtattliche Mahlzeit des<lb/> groſſen Alexanders. O HErꝛ/ in was Zeiten haſt du uns behalten?<lb/> Vor dieſem gluͤckete mir meines Vaters Saltzbixle auff meinem<lb/> Tiſch: Jetzo aber macht ſelbſt die Gedaͤchtnus meiner vorigen Gluͤck-<lb/> ſeligteit/ die Empfindlichkeit meiner Muͤhſeligkeiten ſchaͤrffer. Meinſt<lb/> du dann das ein Wald-Eſel werde girꝛen/ wann er ein Graß wird ha-<lb/> ben? oder wird ein Ochs bruͤllen/ wann er vor einer Krippen voll<lb/> Hews ſtehen wird? Oder kan man ein abgeſchmache Speiß eſſen die<lb/> nicht geſaltzen iſt? Oder kan einer koſten/ welches den Tod bringet?<lb/> Einer hungerigen Seel geduncken auch die bittere Sachen ſuͤß zu<lb/> ſeyn. Was zuvor mein Seel nicht hat wollen anruͤhren/ iſt jetzund<lb/> vor Angſt mein Speiß! Jetzunder letzlich vermeine ich zuverſtehen/<lb/> warumben die Feder des H. Geiſts/ des Jobs Trangſalen weitlaͤuf-<lb/> tiger <hi rendition="#aq">tractirt</hi> habe/ als die Gluͤckſeligkeit Salomonis. Jch nehme<lb/> euch Soͤhn/ und euch meine Mitvaͤter zum Zeugen/ welche ihr mit<lb/> mir auß dem Vaterland herauß gangen ſeyt/ was vor dieſem mein<lb/> Haußhaltung fuͤr ein außſehen gehabt habe? Aber dieſe weineten alle<lb/> <fw place="bottom" type="catch">bey</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [734/0776]
Diſſertatio
Unter dieſen war ein Siebenſchlaͤffer/ welcher was wenigs geſtudiꝛt/
und 10. Kinder Vater ware/ hatte ſein Urſprung von dem Geſchlecht
Endymionis des Hirtens/ welchen die Poetiſche Fabeln ſagen/ Er
ſeye von Luna oder dem Mond geliebt worden. Und melden die Poe-
ten daß derſelbige Endymion in einer Hoͤlen ſeines Vaterlands/
unter den Steinen des Bergs Latmi verborgen geweſen ſeye/ Der
Mond aber ſeye nicht wenig mal vom Himmel herab geſtiegen/ des
ſchlaffenden Kuß begehrt/ und ſich wider gen Himmel begeben. Und
habe doch derſelbige Muͤſſiggang/ und langwierige Schlaff dem En-
dymioni nichts geſchadet/ ſondern der Mond habe unter dieſem ge-
macht/ daß ſein Vieh gar feiſt worden/ und an der Zahl auffs Gluͤck-
ſeligſt gemehret ſeye worden/ alſo zwar/ daß keine Herden der Hirten
friſcher und an der Zahl mehr geweſen. Auß dieſes Hirten Geſchlecht
ware dieſer juͤngere Endymion herkommen/ welcher bißher in Thuͤ-
ringen ein gnugſamb groſſen Acker bauete/ und ſeines Geſchlechts
wuͤrde mit Baͤuriſcher Einfalt gehalten hatte. Dieſer mit ſeiner Soͤhn
hauffen umbgeben/ ſompt zum Bacono, an ſtat eines Huts/ trug er
ein Cron von Koren-Eher/ und hielte in der Hand ein Sichel/ und
mit langem Seufftzer vertruckte er die Stimm/ und den Antrieb der
andern Anmuhtungen. Letzlich hebte er zugleich an zu weinen mit al-
len Kindern/ klagte/ er waͤre mit Anlagen dermaſſen erſchoͤpfft wor-
den/ daß er das gantze Jahr nit ein troͤpflein Naumburgiſchen Biers
trincken habe koͤnnen. Fuͤrwar/ ſprach er/ wann ich die Haͤringsnaſen
in dem Faß Diogenis haͤtte moͤgen ſchlecken/ von welchem Faß vor-
zeiten ich in der Erfurtiſchen Schul/ meine Schulgeſellen ſchwaͤtzen
habe hoͤren/ haͤtte ich vermeint/ ich haͤtte die ſtattliche Mahlzeit des
groſſen Alexanders. O HErꝛ/ in was Zeiten haſt du uns behalten?
Vor dieſem gluͤckete mir meines Vaters Saltzbixle auff meinem
Tiſch: Jetzo aber macht ſelbſt die Gedaͤchtnus meiner vorigen Gluͤck-
ſeligteit/ die Empfindlichkeit meiner Muͤhſeligkeiten ſchaͤrffer. Meinſt
du dann das ein Wald-Eſel werde girꝛen/ wann er ein Graß wird ha-
ben? oder wird ein Ochs bruͤllen/ wann er vor einer Krippen voll
Hews ſtehen wird? Oder kan man ein abgeſchmache Speiß eſſen die
nicht geſaltzen iſt? Oder kan einer koſten/ welches den Tod bringet?
Einer hungerigen Seel geduncken auch die bittere Sachen ſuͤß zu
ſeyn. Was zuvor mein Seel nicht hat wollen anruͤhren/ iſt jetzund
vor Angſt mein Speiß! Jetzunder letzlich vermeine ich zuverſtehen/
warumben die Feder des H. Geiſts/ des Jobs Trangſalen weitlaͤuf-
tiger tractirt habe/ als die Gluͤckſeligkeit Salomonis. Jch nehme
euch Soͤhn/ und euch meine Mitvaͤter zum Zeugen/ welche ihr mit
mir auß dem Vaterland herauß gangen ſeyt/ was vor dieſem mein
Haußhaltung fuͤr ein außſehen gehabt habe? Aber dieſe weineten alle
bey
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