Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Abgenöhtigte der ein grosser Ubelthäter/ der eine Person in geistlichen Stande be-fördern hilfft/ und weiß/ daß sie nicht geschickt darzu sey/ sondern hernach viel tausend Seelen ihrer Unwissenheit oder ihres ärgerli- chen Lebens halben versäumen und ruiniren werde. Es ist an etzli- chen Orten der Brauch/ daß keiner zu einem Dienst kommen kan/ er nehme dann des verstorbenen Pfarrherrs Wittib oder Tochter. Die- sen Brauch mag loben wer da will/ Jch halte es für einen bösen Ge- brauch/ und es ist ein crudele genus misericordiae. Es werden zwar die Personen mit Aemptern versehen/ allein die Aempter nicht mit qualificirten Personen. Daß man frommer Prediger Wittib und Wäisen versorge und sich ihrer annehme/ und also die Barmher- tzigkeit an dem Todten erweise/ wie Boas an der Ruth/ das ist löblich und recht. Denn wenn es fromme Prediger in ihrem Ampt treulich meinen/ so lassen sie gemeiniglich nichts nach als liberos ad libros. That der reiche Schlemmer Lazaro nichts zu gut/ so würde er es auch Mosi und den Propheten nicht gethan hahen. Der Mammon hat den Schlüssel zu reicher Leut Geldkasten/ und sie dörffen ihn nicht auffschliessen wann sie wollen/ sondern wann der Mammon wil. Wem gönt aber der Mammon etwas? Allein daß man sage: Wiltu des Mammons Tochter ehelichen/ so soltu den Dienst haben/ wo nit/ so ziehe hin/ und wenn du schon deine Theologia im dritten Himmel studiret hättest/ das ist nicht die rechte Manier/ Leute zu befördern/ Witwen und Weisen zu versorgen. Denn es giebet entweder eine bö- se Ehe/ oder eine böse Pfarre Eine böse Pfarr gibt es; Weil ein recht- schaffener Kerls/ der etwas redliches studiert hat/ sich in eine solche Servitur nicht stecken wird/ daß er bloß umb eines Weibes willen/ sie mag wol qualificirt oder nicht/ fromm oder böß/ schön oder garstig/ jung oder nit seyn/ eine Pfarr annehme: Da machet man es nun offt wie die Apothecker/ welche quid pro quo nehmen/ und wenn sie/ di- spensiren wollen/ gleichwol aber nicht alle im Recept benennete und verordnete Species beyhanden haben/ andere medicamenta, so dem Artzt und Patienten nachtheilig substituiren. Böse Ehe gibt es/ dann es ist ein lauter gezwungen Werck. Freyen kompt her von Frey/ das alles ungezwungen und freywillig mit beyderseits gutem Belie- ben geschehen soll. Wie kan nun dieses ein freywilliges Werck seyn/ wo benebenst dem Dienst ein angehender Prediger über seinem Wil- len auch eine Person ehlichen muß/ welcher er ausser demselben son- sten müssig gehen würde. Denn da muß mancher junge Kerl eine al- te Frau zur Ehe nehmen/ sie gefalle/ oder gefall ihm nicht/ nimbt er sie nun nicht/ so bekompt er den Dienst nicht. O wie wird doch der Teufel bey einer solchen gezwungenen Ehe offt sein Sprel haben. Es kom- men offtmals zwey vor Lieb brennende Hertzen in Ehestand/ und der Teufel
Abgenoͤhtigte der ein groſſer Ubelthaͤter/ der eine Perſon in geiſtlichen Stande be-foͤrdern hilfft/ und weiß/ daß ſie nicht geſchickt darzu ſey/ ſondern hernach viel tauſend Seelen ihrer Unwiſſenheit oder ihres aͤrgerli- chen Lebens halben verſaͤumen und ruiniren werde. Es iſt an etzli- chen Orten der Brauch/ daß keiner zu einem Dienſt kommen kan/ er nehme dann des verſtorbenen Pfarꝛherꝛs Wittib oder Tochter. Die- ſen Brauch mag loben wer da will/ Jch halte es fuͤr einen boͤſen Ge- brauch/ und es iſt ein crudele genus miſericordiæ. Es werden zwar die Perſonen mit Aemptern verſehen/ allein die Aempter nicht mit qualificirten Perſonen. Daß man frommer Prediger Wittib und Waͤiſen verſorge und ſich ihrer annehme/ und alſo die Barmher- tzigkeit an dem Todten erweiſe/ wie Boas an der Ruth/ das iſt loͤblich und recht. Denn wenn es fromme Prediger in ihrem Ampt treulich meinen/ ſo laſſen ſie gemeiniglich nichts nach als liberos ad libros. That der reiche Schlemmer Lazaro nichts zu gut/ ſo wuͤrde er es auch Moſi und den Propheten nicht gethan hahen. Der Mammon hat den Schluͤſſel zu reicher Leut Geldkaſten/ und ſie doͤrffen ihn nicht auffſchlieſſen wann ſie wollen/ ſondern wann der Mammon wil. Wem goͤnt aber der Mammon etwas? Allein daß man ſage: Wiltu des Mammons Tochter ehelichen/ ſo ſoltu den Dienſt haben/ wo nit/ ſo ziehe hin/ und wenn du ſchon deine Theologia im dritten Himmel ſtudiret haͤtteſt/ das iſt nicht die rechte Manier/ Leute zu befoͤrdern/ Witwen und Weiſen zu verſorgen. Denn es giebet entweder eine boͤ- ſe Ehe/ oder eine boͤſe Pfarꝛe Eine boͤſe Pfarꝛ gibt es; Weil ein recht- ſchaffener Kerls/ der etwas redliches ſtudiert hat/ ſich in eine ſolche Servitur nicht ſtecken wird/ daß eꝛ bloß umb eines Weibes willen/ ſie mag wol qualificirt oder nicht/ from̃ oder boͤß/ ſchoͤn oder garſtig/ jung oder nit ſeyn/ eine Pfarꝛ annehme: Da machet man es nun offt wie die Apothecker/ welche quid pro quo nehmen/ und wenn ſie/ di- ſpenſiren wollen/ gleichwol aber nicht alle im Recept benennete und veꝛoꝛdnete Species beyhanden haben/ andere medicamenta, ſo dem Artzt und Patienten nachtheilig ſubſtituiren. Boͤſe Ehe gibt es/ dann es iſt ein lauter gezwungen Werck. Freyen kompt her von Frey/ das alles ungezwungen und freywillig mit beyderſeits gutem Belie- ben geſchehen ſoll. Wie kan nun dieſes ein freywilliges Werck ſeyn/ wo benebenſt dem Dienſt ein angehender Prediger uͤber ſeinem Wil- len auch eine Perſon ehlichen muß/ welcher er auſſer demſelben ſon- ſten muͤſſig gehen wuͤrde. Denn da muß mancher junge Kerl eine al- te Frau zur Ehe nehmen/ ſie gefalle/ oder gefall ihm nicht/ nimbt er ſie nun nicht/ ſo bekompt er den Dienſt nicht. O wie wird doch der Teufel bey einer ſolchen gezwungenen Ehe offt ſein Spꝛel haben. Es kom- men offtmals zwey vor Lieb brennende Hertzen in Eheſtand/ und der Teufel
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0686" n="644"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abgenoͤhtigte</hi></fw><lb/> der ein groſſer Ubelthaͤter/ der eine Perſon in geiſtlichen Stande be-<lb/> foͤrdern hilfft/ und weiß/ daß ſie nicht geſchickt darzu ſey/ ſondern<lb/> hernach viel tauſend Seelen ihrer Unwiſſenheit oder ihres aͤrgerli-<lb/> chen Lebens halben verſaͤumen und ruiniren werde. Es iſt an etzli-<lb/> chen Orten der Brauch/ daß keiner zu einem Dienſt kommen kan/ er<lb/> nehme dann des verſtorbenen Pfarꝛherꝛs Wittib oder Tochter. Die-<lb/> ſen Brauch mag loben wer da will/ Jch halte es fuͤr einen boͤſen Ge-<lb/> brauch/ und es iſt ein <hi rendition="#aq">crudele genus miſericordiæ.</hi> Es werden<lb/> zwar die Perſonen mit Aemptern verſehen/ allein die Aempter nicht<lb/> mit qualificirten Perſonen. Daß man frommer Prediger Wittib<lb/> und Waͤiſen verſorge und ſich ihrer annehme/ und alſo die Barmher-<lb/> tzigkeit an dem Todten erweiſe/ wie Boas an der Ruth/ das iſt loͤblich<lb/> und recht. Denn wenn es fromme Prediger in ihrem Ampt treulich<lb/> meinen/ ſo laſſen ſie gemeiniglich nichts nach als <hi rendition="#aq">liberos ad libros.</hi><lb/> That der reiche Schlemmer Lazaro nichts zu gut/ ſo wuͤrde er es auch<lb/> Moſi und den Propheten nicht gethan hahen. Der Mammon hat<lb/> den Schluͤſſel zu reicher Leut Geldkaſten/ und ſie doͤrffen ihn nicht<lb/> auffſchlieſſen wann ſie wollen/ ſondern wann der Mammon wil.<lb/> Wem goͤnt aber der Mammon etwas? Allein daß man ſage: Wiltu<lb/> des Mammons Tochter ehelichen/ ſo ſoltu den Dienſt haben/ wo nit/<lb/> ſo ziehe hin/ und wenn du ſchon deine <hi rendition="#aq">Theologia</hi> im dritten Himmel<lb/> ſtudiret haͤtteſt/ das iſt nicht die rechte Manier/ Leute zu befoͤrdern/<lb/> Witwen und Weiſen zu verſorgen. Denn es giebet entweder eine boͤ-<lb/> ſe Ehe/ oder eine boͤſe Pfarꝛe Eine boͤſe Pfarꝛ gibt es; Weil ein recht-<lb/> ſchaffener Kerls/ der etwas redliches ſtudiert hat/ ſich in eine ſolche<lb/><hi rendition="#aq">Servitur</hi> nicht ſtecken wird/ daß eꝛ bloß umb eines Weibes willen/<lb/> ſie mag wol qualificirt oder nicht/ from̃ oder boͤß/ ſchoͤn oder garſtig/<lb/> jung oder nit ſeyn/ eine Pfarꝛ annehme: Da machet man es nun offt<lb/> wie die Apothecker/ welche <hi rendition="#aq">quid pro quo</hi> nehmen/ und wenn ſie/ di-<lb/> ſpenſiren wollen/ gleichwol aber nicht alle im Recept benennete und<lb/> veꝛoꝛdnete <hi rendition="#aq">Species</hi> beyhanden haben/ andere <hi rendition="#aq">medicamenta,</hi> ſo dem<lb/> Artzt und Patienten nachtheilig <hi rendition="#aq">ſubſtituiren.</hi> Boͤſe Ehe gibt es/<lb/> dann es iſt ein lauter gezwungen Werck. Freyen kompt her von Frey/<lb/> das alles ungezwungen und freywillig mit beyderſeits gutem Belie-<lb/> ben geſchehen ſoll. Wie kan nun dieſes ein freywilliges Werck ſeyn/<lb/> wo benebenſt dem Dienſt ein angehender Prediger uͤber ſeinem Wil-<lb/> len auch eine Perſon ehlichen muß/ welcher er auſſer demſelben ſon-<lb/> ſten muͤſſig gehen wuͤrde. Denn da muß mancher junge Kerl eine al-<lb/> te Frau zur Ehe nehmen/ ſie gefalle/ oder gefall ihm nicht/ nimbt er ſie<lb/> nun nicht/ ſo bekompt er den Dienſt nicht. O wie wird doch der Teufel<lb/> bey einer ſolchen gezwungenen Ehe offt ſein Spꝛel haben. Es kom-<lb/> men offtmals zwey vor Lieb brennende Hertzen in Eheſtand/ und der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Teufel</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [644/0686]
Abgenoͤhtigte
der ein groſſer Ubelthaͤter/ der eine Perſon in geiſtlichen Stande be-
foͤrdern hilfft/ und weiß/ daß ſie nicht geſchickt darzu ſey/ ſondern
hernach viel tauſend Seelen ihrer Unwiſſenheit oder ihres aͤrgerli-
chen Lebens halben verſaͤumen und ruiniren werde. Es iſt an etzli-
chen Orten der Brauch/ daß keiner zu einem Dienſt kommen kan/ er
nehme dann des verſtorbenen Pfarꝛherꝛs Wittib oder Tochter. Die-
ſen Brauch mag loben wer da will/ Jch halte es fuͤr einen boͤſen Ge-
brauch/ und es iſt ein crudele genus miſericordiæ. Es werden
zwar die Perſonen mit Aemptern verſehen/ allein die Aempter nicht
mit qualificirten Perſonen. Daß man frommer Prediger Wittib
und Waͤiſen verſorge und ſich ihrer annehme/ und alſo die Barmher-
tzigkeit an dem Todten erweiſe/ wie Boas an der Ruth/ das iſt loͤblich
und recht. Denn wenn es fromme Prediger in ihrem Ampt treulich
meinen/ ſo laſſen ſie gemeiniglich nichts nach als liberos ad libros.
That der reiche Schlemmer Lazaro nichts zu gut/ ſo wuͤrde er es auch
Moſi und den Propheten nicht gethan hahen. Der Mammon hat
den Schluͤſſel zu reicher Leut Geldkaſten/ und ſie doͤrffen ihn nicht
auffſchlieſſen wann ſie wollen/ ſondern wann der Mammon wil.
Wem goͤnt aber der Mammon etwas? Allein daß man ſage: Wiltu
des Mammons Tochter ehelichen/ ſo ſoltu den Dienſt haben/ wo nit/
ſo ziehe hin/ und wenn du ſchon deine Theologia im dritten Himmel
ſtudiret haͤtteſt/ das iſt nicht die rechte Manier/ Leute zu befoͤrdern/
Witwen und Weiſen zu verſorgen. Denn es giebet entweder eine boͤ-
ſe Ehe/ oder eine boͤſe Pfarꝛe Eine boͤſe Pfarꝛ gibt es; Weil ein recht-
ſchaffener Kerls/ der etwas redliches ſtudiert hat/ ſich in eine ſolche
Servitur nicht ſtecken wird/ daß eꝛ bloß umb eines Weibes willen/
ſie mag wol qualificirt oder nicht/ from̃ oder boͤß/ ſchoͤn oder garſtig/
jung oder nit ſeyn/ eine Pfarꝛ annehme: Da machet man es nun offt
wie die Apothecker/ welche quid pro quo nehmen/ und wenn ſie/ di-
ſpenſiren wollen/ gleichwol aber nicht alle im Recept benennete und
veꝛoꝛdnete Species beyhanden haben/ andere medicamenta, ſo dem
Artzt und Patienten nachtheilig ſubſtituiren. Boͤſe Ehe gibt es/
dann es iſt ein lauter gezwungen Werck. Freyen kompt her von Frey/
das alles ungezwungen und freywillig mit beyderſeits gutem Belie-
ben geſchehen ſoll. Wie kan nun dieſes ein freywilliges Werck ſeyn/
wo benebenſt dem Dienſt ein angehender Prediger uͤber ſeinem Wil-
len auch eine Perſon ehlichen muß/ welcher er auſſer demſelben ſon-
ſten muͤſſig gehen wuͤrde. Denn da muß mancher junge Kerl eine al-
te Frau zur Ehe nehmen/ ſie gefalle/ oder gefall ihm nicht/ nimbt er ſie
nun nicht/ ſo bekompt er den Dienſt nicht. O wie wird doch der Teufel
bey einer ſolchen gezwungenen Ehe offt ſein Spꝛel haben. Es kom-
men offtmals zwey vor Lieb brennende Hertzen in Eheſtand/ und der
Teufel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |