Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Ehrenrettung. alter und hocherfahrner Rahts-Herr ist. An der Thür dieses Hausesstehet auff der einen Seiten mit güldenen Buchstaben geschrieben: Noli omnia dicere, quae scis; Auff der andern Seiten stehet: Noli omnia credere, quae audis, das ist: Rede nicht alles was du weist/ Glaube nicht alles was du hörest. Als ich ein junger Student war/ kam ich einsmals von Rostock nach Hamburg/ und wolte nach Marpurg reisen/ als ich nun bey dieses Hauß zu Hamburg kam/ gefielen mir diese Worte so wol/ dz ich still stunde/ meine Schreib- tafel herfür zog/ und diese Worte darein schriebe. Der Röm. Käyser Alexander Severus hat von denen Christen diese Sententz gehöret: Was du nicht wilst/ daß man dir thue/ das solt du einem andern auch nicht thun. Diese Sententz hat dem Käyser so wol gefallen/ daß er dieselbe alle Morgen nicht nur an seinem Käys. Hofe/ sondern auch bey der Käys. Armee durch einen eigenen Herolden auß- ruffen lassen: Was du nit wilst/ daß man dir thue/ das solt du einem andern auch nicht thun. Allhie zu Hamburg ist der Brauch/ daß wann eine vornehme Leiche sol begraben werden/ so kompt ein Mann endlich ins Gemach/ darin die Trauer-Leute ver- samlet sind/ und fragt/ Ob denen Herrn und Freunden ge- liebe außzutreten/ dann es sey nunmehr Zeit. Jch wolte wünschen/ daß in allen Conventen und Zusammenkünfften/ der Männer und Frauen/ ein Mann aufftreten möchte/ welcher ihnen zu- rieffe: Jhr lieben Herrn und Frauen/ Saget nicht alles was ihr wisset: Glaubet nicht alles was ihr höret. Wie offt werden solche Leute welchen die Ohren jucken nach neuen Zeitungen/ von schertzhafftigen Jungen vexiret und betrogen. Als ich zum andern mal solte Hochzeit machen/ war ein vorwi- worden. W r v
Ehrenrettung. alter und hocherfahrner Rahts-Herꝛ iſt. An der Thuͤr dieſes Hauſesſtehet auff der einen Seiten mit guͤldenen Buchſtaben geſchrieben: Noli omnia dicere, quæ ſcis; Auff der andern Seiten ſtehet: Noli omnia credere, quæ audis, das iſt: Rede nicht alles was du weiſt/ Glaube nicht alles was du hoͤreſt. Als ich ein junger Student war/ kam ich einsmals von Roſtock nach Hamburg/ und wolte nach Marpurg reiſen/ als ich nun bey dieſes Hauß zu Hamburg kam/ gefielẽ mir dieſe Worte ſo wol/ dz ich ſtill ſtunde/ meine Schreib- tafel herfuͤr zog/ und dieſe Worte darein ſchriebe. Der Roͤm. Kaͤyſer Alexander Severus hat von denen Chriſten dieſe Sententz gehoͤret: Was du nicht wilſt/ daß man dir thue/ das ſolt du einem andern auch nicht thun. Dieſe Sententz hat dem Kaͤyſer ſo wol gefallen/ daß er dieſelbe alle Morgen nicht nur an ſeinem Kaͤyſ. Hofe/ ſondern auch bey der Kaͤyſ. Armee durch einen eigenen Herolden auß- ruffen laſſen: Was du nit wilſt/ daß man dir thue/ das ſolt du einem andern auch nicht thun. Allhie zu Hamburg iſt der Brauch/ daß wann eine vornehme Leiche ſol begraben werden/ ſo kompt ein Mann endlich ins Gemach/ darin die Trauer-Leute ver- ſamlet ſind/ und fragt/ Ob denen Herrn und Freunden ge- liebe außzutreten/ dann es ſey nunmehr Zeit. Jch wolte wuͤnſchen/ daß in allen Conventen und Zuſammenkuͤnfften/ der Maͤnner und Frauen/ ein Mann aufftreten moͤchte/ welcher ihnen zu- rieffe: Jhr lieben Herꝛn und Frauen/ Saget nicht alles was ihr wiſſet: Glaubet nicht alles was ihr hoͤret. Wie offt werden ſolche Leute welchen die Ohren jucken nach neuen Zeitungen/ von ſchertzhafftigen Jungen vexiret und betrogen. Als ich zum andern mal ſolte Hochzeit machen/ war ein vorwi- worden. W r v
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Ehrenrettung.
alter und hocherfahrner Rahts-Herꝛ iſt. An der Thuͤr dieſes Hauſes
ſtehet auff der einen Seiten mit guͤldenen Buchſtaben geſchrieben:
Noli omnia dicere, quæ ſcis; Auff der andern Seiten ſtehet: Noli
omnia credere, quæ audis, das iſt: Rede nicht alles was du
weiſt/ Glaube nicht alles was du hoͤreſt. Als ich ein junger
Student war/ kam ich einsmals von Roſtock nach Hamburg/ und
wolte nach Marpurg reiſen/ als ich nun bey dieſes Hauß zu Hamburg
kam/ gefielẽ mir dieſe Worte ſo wol/ dz ich ſtill ſtunde/ meine Schreib-
tafel herfuͤr zog/ und dieſe Worte darein ſchriebe. Der Roͤm. Kaͤyſer
Alexander Severus hat von denen Chriſten dieſe Sententz gehoͤret:
Was du nicht wilſt/ daß man dir thue/ das ſolt du einem
andern auch nicht thun. Dieſe Sententz hat dem Kaͤyſer ſo wol
gefallen/ daß er dieſelbe alle Morgen nicht nur an ſeinem Kaͤyſ. Hofe/
ſondern auch bey der Kaͤyſ. Armee durch einen eigenen Herolden auß-
ruffen laſſen: Was du nit wilſt/ daß man dir thue/ das ſolt
du einem andern auch nicht thun. Allhie zu Hamburg iſt der
Brauch/ daß wann eine vornehme Leiche ſol begraben werden/ ſo
kompt ein Mann endlich ins Gemach/ darin die Trauer-Leute ver-
ſamlet ſind/ und fragt/ Ob denen Herrn und Freunden ge-
liebe außzutreten/ dann es ſey nunmehr Zeit. Jch wolte
wuͤnſchen/ daß in allen Conventen und Zuſammenkuͤnfften/ der
Maͤnner und Frauen/ ein Mann aufftreten moͤchte/ welcher ihnen zu-
rieffe: Jhr lieben Herꝛn und Frauen/ Saget nicht alles was ihr
wiſſet: Glaubet nicht alles was ihr hoͤret. Wie offt werden
ſolche Leute welchen die Ohren jucken nach neuen Zeitungen/ von
ſchertzhafftigen Jungen vexiret und betrogen.
Als ich zum andern mal ſolte Hochzeit machen/ war ein vorwi-
tziger Student zu Herꝛn Paul Tſcherning jetzigen General Audi-
teur bey der Koͤniglichen Armee in Dennemarck kommen/ und hatte
gefraget/ wie es wol bey dieſer Hochzeit hergehẽ wuͤrde? Monſ. Tſcheꝛ-
ning/ welcher wol weiß/ was fuͤr ein Unterſcheid ſey inter VES ET
VA, und wol wuſte/ von welchen dieſer junge Phariſeer abgeferti-
get war/ hatte geantwortet/ Jch wuͤrde meiner Liebſten/ und allen
andern erbotenen Hochzeit Gaͤſten zu Ehren ein Feuerwerck auf
dem Kirchhoff zu St. Jacob anzuͤnden laſſen/ welches ich
ſelbſt inventiret haͤtte/ und es ſey eine ſonderliche invention, welche
wol werth ſey/ daß man ſie anſehe: Jch haͤtte einem jeglichen unter
den Bracher-Voigten ein paar eiſern Handſchuch machen laſſen/
die wuͤrden das Feuerwerck des Abens zwiſchen 9. und 10. Uhr an-
zuͤnden. Dieſer Student hatte ſich hoͤchlich verwundert/ daß ich ſolche
neue Dinge anfienge/ und geſagt/ Es haͤtte dergleichen kein Theolo-
gus gethan/ ſo lange das Evangelium ſey zu Hamburg geprediget
worden.
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/675>, abgerufen am 03.07.2024. |