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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Regenten-Spiegel.
meisten betrogen werden/ welchen sie die gröste Gnad anthun? Bey
vielen heist es: Video meliora proboque, deteriora sequor, Mancher
grosser Herr weiß von Reichssachen sehr vernünfftig zu reden. Allein
wann man ihm sagt/ was zu seines eigenen Landes Wolfahrt diene/
und zeigt ihm gleichsam mit Fingern/ wie er nur den Beutel/ und
seine Leute das Geld haben; wie seine Dienern auß Betlern und
Schurcken reiche Leute werden; wie es sonsten in seinem Lande her-
gehe/ so ist kein hörendes Ohr/ und kein sehendes Auge da/ sondern
wann Gott grosse Herrn und ihre Räthe sonderlich straffen wil/ so
thut er ihnen die Augen zu/ und blendet sie/ daß es ihnen bey Geschäff-
ten gehet/ als wann man einem der lesen kan/ einen Brieff zu lesen
gibt/ der versiegelt ist/ oder einem der nicht lesen kan/ so wird einer so
viel davon wissen und verstehen als der ander. Von dieser Straff
leset Esa. 27. v. 9. & seqq. Philips der alte großmütige und hochweise
Hessische Held/ hat auß der Käyserlichen Custodi sehr weißlich an
seine Herrn Söhne geschrieben: Glückselig ist der Mann/ der zu
rechter Zeit Ja sagen kan. Allein wo man stehet unter einem Hauffen
Schulfüchse/ welche ein hauffen dubia moviren und nicht solviren,
welche keine resolution fassen können/ da ist Hopffen und Maltz ver-
loren. Mansagt/ daß einsmals ein Pennal auff einer Landkutschen
sey nach Straßburg gefahren/ welcher die Gewonheit gehabt/ daß er
immer das Maul offen gehalten. Als nun ein Regen kommen/ hab
der Pennal geruffen/ Kutscher es regnet mir ins Maul. Der Kut-
scher hab geantwortet/ ey Herr/ thut das Maul zu. Wann man man-
chem vornehmen Herrn/ ich weiß nicht was/ ins Maul/ oder gar in
Hals stecken wolt/ und seine getreuste Leute rieffen/ Gnädiger Herr/
Euer Gnaden thun doch das Maul zu/ und lassen ihr doch das Ding
nicht in Hals stecken/ so hat der Herr kein hörendes Ohr. Das ist ein
grosser Gebrech/ und eine grosse Straffe Gottes. Zum dritten hat ein
Regent vonnöthen Authorität und Ansehen. Ein Fürst kan offt mit
einem Quintlein Authorität mehr außrichten/ als mit einem Cent-
ner Goldes. König Xerxes sagte einsmals zu seinen Räthen: Ne vi-
derer meo tantum consilio usus, ideo vos vocavi. Sed parendum magis esse
mementote quam suadendum.
Und mit seiner Authorität/ mit seinem
Ansehen/ trung er damals durch. Von König Heinrichen dem Vierd-
teu in Franckreich wird geschrieben/ daß er den Religion-Frieden zu
erhalten/ in seiner Ständ Versamlung also geredet: Jch bin euer
König/ Jch rede selbst mit euch/ und wil/ daß ihr mir eurem König
Gehorsam leistet/ und meinen Willen so viel lasset gelten/ als
viel andere Ursachen und Bewegnüssen/ die erdacht werden
können. Und mit seiner Authorität/ mit seinem Ansehen

trung
B ij

Regenten-Spiegel.
meiſten betrogen werden/ welchen ſie die groͤſte Gnad anthun? Bey
vielen heiſt es: Video meliora proboque, deteriora ſequor, Mancher
groſſer Herꝛ weiß von Reichsſachen ſehr vernuͤnfftig zu reden. Allein
wann man ihm ſagt/ was zu ſeines eigenen Landes Wolfahrt diene/
und zeigt ihm gleichſam mit Fingern/ wie er nur den Beutel/ und
ſeine Leute das Geld haben; wie ſeine Dienern auß Betlern und
Schurcken reiche Leute werden; wie es ſonſten in ſeinem Lande her-
gehe/ ſo iſt kein hoͤrendes Ohr/ und kein ſehendes Auge da/ ſondern
wann Gott groſſe Herrn und ihre Raͤthe ſonderlich ſtraffen wil/ ſo
thut er ihnen die Augen zu/ und blendet ſie/ daß es ihnen bey Geſchaͤff-
ten gehet/ als wann man einem der leſen kan/ einen Brieff zu leſen
gibt/ der verſiegelt iſt/ oder einem der nicht leſen kan/ ſo wird einer ſo
viel davon wiſſen und verſtehen als der ander. Von dieſer Straff
leſet Eſa. 27. v. 9. & ſeqq. Philips der alte großmuͤtige und hochweiſe
Heſſiſche Held/ hat auß der Kaͤyſerlichen Cuſtodi ſehr weißlich an
ſeine Herꝛn Soͤhne geſchrieben: Gluͤckſelig iſt der Mann/ der zu
rechter Zeit Ja ſagen kan. Allein wo man ſtehet unter einem Hauffen
Schulfuͤchſe/ welche ein hauffen dubia moviren und nicht ſolviren,
welche keine reſolution faſſen koͤnnen/ da iſt Hopffen und Maltz ver-
loren. Manſagt/ daß einsmals ein Pennal auff einer Landkutſchen
ſey nach Straßburg gefahren/ welcher die Gewonheit gehabt/ daß er
immer das Maul offen gehalten. Als nun ein Regen kommen/ hab
der Pennal geruffen/ Kutſcher es regnet mir ins Maul. Der Kut-
ſcher hab geantwortet/ ey Herꝛ/ thut das Maul zu. Wann man man-
chem vornehmen Herꝛn/ ich weiß nicht was/ ins Maul/ oder gar in
Hals ſtecken wolt/ und ſeine getreuſte Leute rieffen/ Gnaͤdiger Herꝛ/
Euer Gnaden thun doch das Maul zu/ und laſſen ihr doch das Ding
nicht in Hals ſtecken/ ſo hat der Herꝛ kein hoͤrendes Ohr. Das iſt ein
groſſer Gebrech/ und eine groſſe Straffe Gottes. Zum dritten hat ein
Regent vonnoͤthen Authoritaͤt und Anſehen. Ein Fuͤrſt kan offt mit
einem Quintlein Authoritaͤt mehr außrichten/ als mit einem Cent-
ner Goldes. Koͤnig Xerxes ſagte einsmals zu ſeinen Raͤthen: Ne vi-
derer meo tantum conſilio uſus, ideo vos vocavi. Sed parendum magis eſſe
mementote quam ſuadendum.
Und mit ſeiner Authoritaͤt/ mit ſeinem
Anſehen/ trung er damals durch. Von Koͤnig Heinrichen dem Vierd-
teu in Franckreich wird geſchrieben/ daß er den Religion-Frieden zu
erhalten/ in ſeiner Staͤnd Verſamlung alſo geredet: Jch bin euer
Koͤnig/ Jch rede ſelbſt mit euch/ und wil/ daß ihr mir eurem Koͤnig
Gehorſam leiſtet/ und meinen Willen ſo viel laſſet gelten/ als
viel andere Urſachen und Bewegnuͤſſen/ die erdacht werden
koͤnnen. Und mit ſeiner Authoritaͤt/ mit ſeinem Anſehen

trung
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[19/0061] Regenten-Spiegel. meiſten betrogen werden/ welchen ſie die groͤſte Gnad anthun? Bey vielen heiſt es: Video meliora proboque, deteriora ſequor, Mancher groſſer Herꝛ weiß von Reichsſachen ſehr vernuͤnfftig zu reden. Allein wann man ihm ſagt/ was zu ſeines eigenen Landes Wolfahrt diene/ und zeigt ihm gleichſam mit Fingern/ wie er nur den Beutel/ und ſeine Leute das Geld haben; wie ſeine Dienern auß Betlern und Schurcken reiche Leute werden; wie es ſonſten in ſeinem Lande her- gehe/ ſo iſt kein hoͤrendes Ohr/ und kein ſehendes Auge da/ ſondern wann Gott groſſe Herrn und ihre Raͤthe ſonderlich ſtraffen wil/ ſo thut er ihnen die Augen zu/ und blendet ſie/ daß es ihnen bey Geſchaͤff- ten gehet/ als wann man einem der leſen kan/ einen Brieff zu leſen gibt/ der verſiegelt iſt/ oder einem der nicht leſen kan/ ſo wird einer ſo viel davon wiſſen und verſtehen als der ander. Von dieſer Straff leſet Eſa. 27. v. 9. & ſeqq. Philips der alte großmuͤtige und hochweiſe Heſſiſche Held/ hat auß der Kaͤyſerlichen Cuſtodi ſehr weißlich an ſeine Herꝛn Soͤhne geſchrieben: Gluͤckſelig iſt der Mann/ der zu rechter Zeit Ja ſagen kan. Allein wo man ſtehet unter einem Hauffen Schulfuͤchſe/ welche ein hauffen dubia moviren und nicht ſolviren, welche keine reſolution faſſen koͤnnen/ da iſt Hopffen und Maltz ver- loren. Manſagt/ daß einsmals ein Pennal auff einer Landkutſchen ſey nach Straßburg gefahren/ welcher die Gewonheit gehabt/ daß er immer das Maul offen gehalten. Als nun ein Regen kommen/ hab der Pennal geruffen/ Kutſcher es regnet mir ins Maul. Der Kut- ſcher hab geantwortet/ ey Herꝛ/ thut das Maul zu. Wann man man- chem vornehmen Herꝛn/ ich weiß nicht was/ ins Maul/ oder gar in Hals ſtecken wolt/ und ſeine getreuſte Leute rieffen/ Gnaͤdiger Herꝛ/ Euer Gnaden thun doch das Maul zu/ und laſſen ihr doch das Ding nicht in Hals ſtecken/ ſo hat der Herꝛ kein hoͤrendes Ohr. Das iſt ein groſſer Gebrech/ und eine groſſe Straffe Gottes. Zum dritten hat ein Regent vonnoͤthen Authoritaͤt und Anſehen. Ein Fuͤrſt kan offt mit einem Quintlein Authoritaͤt mehr außrichten/ als mit einem Cent- ner Goldes. Koͤnig Xerxes ſagte einsmals zu ſeinen Raͤthen: Ne vi- derer meo tantum conſilio uſus, ideo vos vocavi. Sed parendum magis eſſe mementote quam ſuadendum. Und mit ſeiner Authoritaͤt/ mit ſeinem Anſehen/ trung er damals durch. Von Koͤnig Heinrichen dem Vierd- teu in Franckreich wird geſchrieben/ daß er den Religion-Frieden zu erhalten/ in ſeiner Staͤnd Verſamlung alſo geredet: Jch bin euer Koͤnig/ Jch rede ſelbſt mit euch/ und wil/ daß ihr mir eurem Koͤnig Gehorſam leiſtet/ und meinen Willen ſo viel laſſet gelten/ als viel andere Urſachen und Bewegnuͤſſen/ die erdacht werden koͤnnen. Und mit ſeiner Authoritaͤt/ mit ſeinem Anſehen trung B ij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/61>, abgerufen am 22.11.2024.