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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
sündigen nicht so groß achten/ vielmehr daher/ damit sie nur denen so
die Tugend gering halten/ gefallen mögen/ als daß die Laster bey ih-
nen an sich selbsten etwas gelten solten/ simuliren, betrügen/ eins re-
den ein anders meynen wird heute zu Tage für das grösseste Stück
der Weltklugheit gehalten: gerade als wann Gott die Welt ohne
Hülffe und Zuthun der Laster und Untugenden nicht regieren lassen
wolte. Demnach viele günstige Zuhörer oder jetzt vielmehr liebe Leser
sind unter euch die ehestens zu Hofe sich befinden und Hofleute seyn
werden/ wil ich mit wenigen was grosser Herren Hof sey beschreiben.
Er ist ein Paradis der Füchse/ eine Hölle der Einfältigen/ ein Feg-
feuer der Wollebenden. Deß Hofs höchstes Kunststück ist/ sich wol
verborgen halten/ das was man seye/ man nicht wisse/ was man aber
nicht ist/ wöllen gesehen werden.

Er ist ein grosser Feind/ und läugnets doch/ er wil als ein Freund
gehalten seyn/ und trüget doch. Es sind grosse Herrn und Fürsten wol
elende Leute/ dann sie hören die Warheit selten oder wol gar nicht. Die
so grossen Herren lieb und angenehm sind/ die sättigen ihre Mißgunst
durch den Schein als wolten sie andern helffen/ gutes rathen oder
warnen/ erheben offters durch grosses Lob ihre Widerwertige und
Gehässige/ damit ihnen hernachmalen/ wann sie falsche Ufflagen uff
sie machen/ desto mehr geglaubet werde. Man siehet doch daß eine
sonderliche geheime Krafft verborgen lige/ die entweder durch heimli-
che Schand und Laster/ oder durch Seufftzen und ächzen der Unterge-
trückten rege gemachet wird/ dadurch die Verläumbder und Fuchs-
schwäntzer bey grossen Herren nach viel geleisteten Glücks- und
schmeichelhafftigen Diensten in Haß und Verachtung gerathen/ und
behalten nichts als ihren allzeit geführeten Wunsch/ hoffen und be-
gehren.

Wer solte es wol glauben günstige liebe Leser? Daß die jenige/ die
so grosse Ungedult genug haben/ die gleichsam der Menschen Glück
und Wolfahrt nach ihrem Wunsch und Gefallen außtheilen und ab-
messen/ die der Furcht und Hoffnung unbilliche Gesetz ordnen und
vorschreiben/ wollen gefürchtet seyn von denen die zwar gefürchtet
von andern werden/ doch aber sich selbst für andern fürchten/ endlich
aber sich dermassen betrogen finden/ daß sie nichts anders als ein
Schauspiel und Verlachen zeitlichen Glücks Unbeständigkeit. Ste-
het und sehet allhier günstige liebe Zuhörer/ die grosse Unbesonnenheit
der Menschen/ die mit allem Fleiß wollen unweiß und thöricht seyn/
nur damit sie mit ihrem grossen Schaden mögen klug werden. Die
Welt wil betogen seyn. Von denen die reich sind/ hoffet sie das beste/
von den Armen/ versiehet sie sich alles Ubels. Salomon wurde für
den allerweisesten gehalten/ dieweil er der allerreicheste; solte er jetzo

leben/
N n

Von der Einbildung.
ſuͤndigen nicht ſo groß achten/ vielmehr daher/ damit ſie nur denen ſo
die Tugend gering halten/ gefallen moͤgen/ als daß die Laſter bey ih-
nen an ſich ſelbſten etwas gelten ſolten/ ſimuliren, betruͤgen/ eins re-
den ein anders meynen wird heute zu Tage fuͤr das groͤſſeſte Stuͤck
der Weltklugheit gehalten: gerade als wann Gott die Welt ohne
Huͤlffe und Zuthun der Laſter und Untugenden nicht regieren laſſen
wolte. Demnach viele guͤnſtige Zuhoͤrer oder jetzt vielmehr liebe Leſer
ſind unter euch die eheſtens zu Hofe ſich befinden und Hofleute ſeyn
werden/ wil ich mit wenigen was groſſer Herꝛen Hof ſey beſchreiben.
Er iſt ein Paradis der Fuͤchſe/ eine Hoͤlle der Einfaͤltigen/ ein Feg-
feuer der Wollebenden. Deß Hofs hoͤchſtes Kunſtſtuͤck iſt/ ſich wol
verborgen halten/ das was man ſeye/ man nicht wiſſe/ was man aber
nicht iſt/ woͤllen geſehen werden.

Er iſt ein groſſer Feind/ und laͤugnets doch/ er wil als ein Freund
gehalten ſeyn/ und truͤget doch. Es ſind groſſe Herꝛn und Fuͤrſten wol
elende Leute/ dann ſie hoͤren die Warheit ſelten oder wol gar nicht. Die
ſo groſſen Herꝛen lieb und angenehm ſind/ die ſaͤttigen ihre Mißgunſt
durch den Schein als wolten ſie andern helffen/ gutes rathen oder
warnen/ erheben offters durch groſſes Lob ihre Widerwertige und
Gehaͤſſige/ damit ihnen hernachmalen/ wann ſie falſche Ufflagen uff
ſie machen/ deſto mehr geglaubet werde. Man ſiehet doch daß eine
ſonderliche geheime Krafft verborgen lige/ die entweder durch heimli-
che Schand und Laſter/ oder durch Seufftzen und aͤchzen der Unterge-
truͤckten rege gemachet wird/ dadurch die Verlaͤumbder und Fuchs-
ſchwaͤntzer bey groſſen Herꝛen nach viel geleiſteten Gluͤcks- und
ſchmeichelhafftigen Dienſten in Haß und Verachtung gerathen/ und
behalten nichts als ihren allzeit gefuͤhreten Wunſch/ hoffen und be-
gehren.

Wer ſolte es wol glauben guͤnſtige liebe Leſer? Daß die jenige/ die
ſo groſſe Ungedult genug haben/ die gleichſam der Menſchen Gluͤck
und Wolfahrt nach ihrem Wunſch und Gefallen außtheilen und ab-
meſſen/ die der Furcht und Hoffnung unbilliche Geſetz ordnen und
vorſchreiben/ wollen gefuͤrchtet ſeyn von denen die zwar gefuͤrchtet
von andern werden/ doch aber ſich ſelbſt fuͤr andern fuͤrchten/ endlich
aber ſich dermaſſen betrogen finden/ daß ſie nichts anders als ein
Schauſpiel und Verlachen zeitlichen Gluͤcks Unbeſtaͤndigkeit. Ste-
het und ſehet allhier guͤnſtige liebe Zuhoͤrer/ die groſſe Unbeſonnenheit
der Menſchen/ die mit allem Fleiß wollen unweiß und thoͤricht ſeyn/
nur damit ſie mit ihrem groſſen Schaden moͤgen klug werden. Die
Welt wil betogen ſeyn. Von denen die reich ſind/ hoffet ſie das beſte/
von den Armen/ verſiehet ſie ſich alles Ubels. Salomon wurde fuͤr
den allerweiſeſten gehalten/ dieweil er der allerreicheſte; ſolte er jetzo

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[561/0603] Von der Einbildung. ſuͤndigen nicht ſo groß achten/ vielmehr daher/ damit ſie nur denen ſo die Tugend gering halten/ gefallen moͤgen/ als daß die Laſter bey ih- nen an ſich ſelbſten etwas gelten ſolten/ ſimuliren, betruͤgen/ eins re- den ein anders meynen wird heute zu Tage fuͤr das groͤſſeſte Stuͤck der Weltklugheit gehalten: gerade als wann Gott die Welt ohne Huͤlffe und Zuthun der Laſter und Untugenden nicht regieren laſſen wolte. Demnach viele guͤnſtige Zuhoͤrer oder jetzt vielmehr liebe Leſer ſind unter euch die eheſtens zu Hofe ſich befinden und Hofleute ſeyn werden/ wil ich mit wenigen was groſſer Herꝛen Hof ſey beſchreiben. Er iſt ein Paradis der Fuͤchſe/ eine Hoͤlle der Einfaͤltigen/ ein Feg- feuer der Wollebenden. Deß Hofs hoͤchſtes Kunſtſtuͤck iſt/ ſich wol verborgen halten/ das was man ſeye/ man nicht wiſſe/ was man aber nicht iſt/ woͤllen geſehen werden. Er iſt ein groſſer Feind/ und laͤugnets doch/ er wil als ein Freund gehalten ſeyn/ und truͤget doch. Es ſind groſſe Herꝛn und Fuͤrſten wol elende Leute/ dann ſie hoͤren die Warheit ſelten oder wol gar nicht. Die ſo groſſen Herꝛen lieb und angenehm ſind/ die ſaͤttigen ihre Mißgunſt durch den Schein als wolten ſie andern helffen/ gutes rathen oder warnen/ erheben offters durch groſſes Lob ihre Widerwertige und Gehaͤſſige/ damit ihnen hernachmalen/ wann ſie falſche Ufflagen uff ſie machen/ deſto mehr geglaubet werde. Man ſiehet doch daß eine ſonderliche geheime Krafft verborgen lige/ die entweder durch heimli- che Schand und Laſter/ oder durch Seufftzen und aͤchzen der Unterge- truͤckten rege gemachet wird/ dadurch die Verlaͤumbder und Fuchs- ſchwaͤntzer bey groſſen Herꝛen nach viel geleiſteten Gluͤcks- und ſchmeichelhafftigen Dienſten in Haß und Verachtung gerathen/ und behalten nichts als ihren allzeit gefuͤhreten Wunſch/ hoffen und be- gehren. Wer ſolte es wol glauben guͤnſtige liebe Leſer? Daß die jenige/ die ſo groſſe Ungedult genug haben/ die gleichſam der Menſchen Gluͤck und Wolfahrt nach ihrem Wunſch und Gefallen außtheilen und ab- meſſen/ die der Furcht und Hoffnung unbilliche Geſetz ordnen und vorſchreiben/ wollen gefuͤrchtet ſeyn von denen die zwar gefuͤrchtet von andern werden/ doch aber ſich ſelbſt fuͤr andern fuͤrchten/ endlich aber ſich dermaſſen betrogen finden/ daß ſie nichts anders als ein Schauſpiel und Verlachen zeitlichen Gluͤcks Unbeſtaͤndigkeit. Ste- het und ſehet allhier guͤnſtige liebe Zuhoͤrer/ die groſſe Unbeſonnenheit der Menſchen/ die mit allem Fleiß wollen unweiß und thoͤricht ſeyn/ nur damit ſie mit ihrem groſſen Schaden moͤgen klug werden. Die Welt wil betogen ſeyn. Von denen die reich ſind/ hoffet ſie das beſte/ von den Armen/ verſiehet ſie ſich alles Ubels. Salomon wurde fuͤr den allerweiſeſten gehalten/ dieweil er der allerreicheſte; ſolte er jetzo leben/ N n

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/603>, abgerufen am 22.11.2024.