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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
die der Menschen Gebet und Anligen zwar hören/ aber nicht reden.
Lachet ihr/ daß ihr hier höret/ daß die Ohren unter die Götter gezeh-
let werden. Jch aber glaube meinem vertrauten Freunde Herrn
Marco Zuierio Buxhornio, der bezeuget/ daß zu Leiden bey den
Ramnusiis in einem Stein gelesen werde/ den Ohren/ als frommen
Göttinnen opfferte die fromme Petrusia Magistra Galgesti
Herm. &c.

Da sehet ihr/ daß unter allen Gliedmassen menschliches Leibes
alleine die Ohren gewürdiget worden die Zahl der Göttinnen zu ver-
mehren/ weil einen Menschen nichts mehr zieret/ als schweigen kön-
nen. Jedoch sol man auch so schweigen/ daß wir auch reden/ damit
man sehe/ daß wir nicht alles umbsonst gehöret haben. Die Alten
haben den Fabulanum, den Ajum und Loquutium als Vorsteher
der Rede geehret. Sollen derhalben also schweigen/ damit wir nicht
dardurch verderben/ und der Rhadamantus, das ist der höllisch-
Richter nach dem Todt/ das ewige Stillschweigen gebiete und uffer-
lege. Aber wohin verläufft sich mein Maul; in deme ich vom Still-
schweigen rede und handele/ bin ich selbst allzuschwätzhafftig/ wil
demnach meine Segel einziehen/ und kürtzlich sagen was ich frey
meyne. Mich bedünckt der seye der erste Politicus, der sich bemühet
und so viel an ihme ist Fleiß anwendet/ damit die Jugend wol unterrich-
tet und erzogen/ und der Land- und Baumann recht gehandhabt und
geschützet werde; dann auß wolerzogenen Knaben werden fromme
Jünglinge/ auß frommen Jünglingen/ redliche Männer/ redliche
Männer thun alsdann selbst was löblich und recht ist; dann womit
ein neuer Haven erst gefüllet wird/ darnach schmecket er immerzu.
Wie ein Herr alle seine Unterthanen zu haben begehret/ so solle er da-
hin trachten/ daß sie in der Schule also angeführet und unterwiesen
werden. Jm übrigen wer den Baumann wol hält/ der erweiset sich/
daß er wolle/ daß es ihme nie an Geld/ welches da ist die beste Krafft
etwas zu verrichten/ ermangele/ so da nirgends besser verwahret wird/
als in der Unterthanen Seckel/ darauß es zu seiner Zeit kan gesuchet
werden. Welcher dieses Jahr alle Schaafe seiner Bauren metzelt
und schlachtet/ der kan das künfftige Jahr weder Wolle noch Läin-
mer geniessen. Und wann ihr diese Philosophie für schlecht/ einfäl-
tig und ungeschickt haltet/ bin ich deme nicht zuwider/ es hat die gantze
Welt so viel ungeräumts/ daß ich mich versehe und hoffe/ sie werde
auch dieser meiner Thorheit einen Platz vergönnen.

Jm übrigen ist aller weltlichen Weißheit höchster Zierat die rechte
Furcht Gottes/ ja vielmehr das fundament wann du den HErrn
Christum bey dir hast/ was solte dir wol fehlen? Wann du den nicht
bey dir hast/ was ist/ das dir nutzen köndte? Du seyest verletzet wo es

seye/

Von der Einbildung.
die der Menſchen Gebet und Anligen zwar hoͤren/ aber nicht reden.
Lachet ihr/ daß ihr hier hoͤret/ daß die Ohren unter die Goͤtter gezeh-
let werden. Jch aber glaube meinem vertrauten Freunde Herrn
Marco Zuierio Buxhornio, der bezeuget/ daß zu Leiden bey den
Ramnuſiis in einem Stein geleſen werde/ den Ohren/ als frommen
Goͤttinnen opfferte die fromme Petruſia Magiſtra Galgeſti
Herm. &c.

Da ſehet ihr/ daß unter allen Gliedmaſſen menſchliches Leibes
alleine die Ohren gewuͤrdiget worden die Zahl der Goͤttinnen zu ver-
mehren/ weil einen Menſchen nichts mehr zieret/ als ſchweigen koͤn-
nen. Jedoch ſol man auch ſo ſchweigen/ daß wir auch reden/ damit
man ſehe/ daß wir nicht alles umbſonſt gehoͤret haben. Die Alten
haben den Fabulanum, den Ajum und Loquutium als Vorſteher
der Rede geehret. Sollen derhalben alſo ſchweigen/ damit wir nicht
dardurch verderben/ und der Rhadamantus, das iſt der hoͤlliſch-
Richter nach dem Todt/ das ewige Stillſchweigen gebiete und uffer-
lege. Aber wohin verlaͤufft ſich mein Maul; in deme ich vom Still-
ſchweigen rede und handele/ bin ich ſelbſt allzuſchwaͤtzhafftig/ wil
demnach meine Segel einziehen/ und kuͤrtzlich ſagen was ich frey
meyne. Mich beduͤnckt der ſeye der erſte Politicus, der ſich bemuͤhet
uñ ſo viel an ihme iſt Fleiß anwẽdet/ damit die Jugend wol unterꝛich-
tet und erzogen/ und der Land- und Baumann recht gehandhabt und
geſchuͤtzet werde; dann auß wolerzogenen Knaben werden fromme
Juͤnglinge/ auß frommen Juͤnglingen/ redliche Maͤnner/ redliche
Maͤnner thun alsdann ſelbſt was loͤblich und recht iſt; dann womit
ein neuer Haven erſt gefuͤllet wird/ darnach ſchmecket er immerzu.
Wie ein Herr alle ſeine Unterthanen zu haben begehret/ ſo ſolle er da-
hin trachten/ daß ſie in der Schule alſo angefuͤhret und unterwieſen
werden. Jm uͤbrigen wer den Baumann wol haͤlt/ der erweiſet ſich/
daß er wolle/ daß es ihme nie an Geld/ welches da iſt die beſte Krafft
etwas zu verꝛichten/ ermangele/ ſo da nirgends beſſer verwahret wird/
als in der Unterthanen Seckel/ darauß es zu ſeiner Zeit kan geſuchet
werden. Welcher dieſes Jahr alle Schaafe ſeiner Bauren metzelt
und ſchlachtet/ der kan das kuͤnfftige Jahr weder Wolle noch Laͤin-
mer genieſſen. Und wann ihr dieſe Philoſophie fuͤr ſchlecht/ einfaͤl-
tig und ungeſchickt haltet/ bin ich deme nicht zuwider/ es hat die gantze
Welt ſo viel ungeraͤumts/ daß ich mich verſehe und hoffe/ ſie werde
auch dieſer meiner Thorheit einen Platz vergoͤnnen.

Jm uͤbrigen iſt aller weltlichen Weißheit hoͤchſter Zierat die rechte
Furcht Gottes/ ja vielmehr das fundament wann du den HErꝛn
Chriſtum bey dir haſt/ was ſolte dir wol fehlen? Wann du den nicht
bey dir haſt/ was iſt/ das dir nutzen koͤndte? Du ſeyeſt verletzet wo es

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[559/0601] Von der Einbildung. die der Menſchen Gebet und Anligen zwar hoͤren/ aber nicht reden. Lachet ihr/ daß ihr hier hoͤret/ daß die Ohren unter die Goͤtter gezeh- let werden. Jch aber glaube meinem vertrauten Freunde Herrn Marco Zuierio Buxhornio, der bezeuget/ daß zu Leiden bey den Ramnuſiis in einem Stein geleſen werde/ den Ohren/ als frommen Goͤttinnen opfferte die fromme Petruſia Magiſtra Galgeſti Herm. &c. Da ſehet ihr/ daß unter allen Gliedmaſſen menſchliches Leibes alleine die Ohren gewuͤrdiget worden die Zahl der Goͤttinnen zu ver- mehren/ weil einen Menſchen nichts mehr zieret/ als ſchweigen koͤn- nen. Jedoch ſol man auch ſo ſchweigen/ daß wir auch reden/ damit man ſehe/ daß wir nicht alles umbſonſt gehoͤret haben. Die Alten haben den Fabulanum, den Ajum und Loquutium als Vorſteher der Rede geehret. Sollen derhalben alſo ſchweigen/ damit wir nicht dardurch verderben/ und der Rhadamantus, das iſt der hoͤlliſch- Richter nach dem Todt/ das ewige Stillſchweigen gebiete und uffer- lege. Aber wohin verlaͤufft ſich mein Maul; in deme ich vom Still- ſchweigen rede und handele/ bin ich ſelbſt allzuſchwaͤtzhafftig/ wil demnach meine Segel einziehen/ und kuͤrtzlich ſagen was ich frey meyne. Mich beduͤnckt der ſeye der erſte Politicus, der ſich bemuͤhet uñ ſo viel an ihme iſt Fleiß anwẽdet/ damit die Jugend wol unterꝛich- tet und erzogen/ und der Land- und Baumann recht gehandhabt und geſchuͤtzet werde; dann auß wolerzogenen Knaben werden fromme Juͤnglinge/ auß frommen Juͤnglingen/ redliche Maͤnner/ redliche Maͤnner thun alsdann ſelbſt was loͤblich und recht iſt; dann womit ein neuer Haven erſt gefuͤllet wird/ darnach ſchmecket er immerzu. Wie ein Herr alle ſeine Unterthanen zu haben begehret/ ſo ſolle er da- hin trachten/ daß ſie in der Schule alſo angefuͤhret und unterwieſen werden. Jm uͤbrigen wer den Baumann wol haͤlt/ der erweiſet ſich/ daß er wolle/ daß es ihme nie an Geld/ welches da iſt die beſte Krafft etwas zu verꝛichten/ ermangele/ ſo da nirgends beſſer verwahret wird/ als in der Unterthanen Seckel/ darauß es zu ſeiner Zeit kan geſuchet werden. Welcher dieſes Jahr alle Schaafe ſeiner Bauren metzelt und ſchlachtet/ der kan das kuͤnfftige Jahr weder Wolle noch Laͤin- mer genieſſen. Und wann ihr dieſe Philoſophie fuͤr ſchlecht/ einfaͤl- tig und ungeſchickt haltet/ bin ich deme nicht zuwider/ es hat die gantze Welt ſo viel ungeraͤumts/ daß ich mich verſehe und hoffe/ ſie werde auch dieſer meiner Thorheit einen Platz vergoͤnnen. Jm uͤbrigen iſt aller weltlichen Weißheit hoͤchſter Zierat die rechte Furcht Gottes/ ja vielmehr das fundament wann du den HErꝛn Chriſtum bey dir haſt/ was ſolte dir wol fehlen? Wann du den nicht bey dir haſt/ was iſt/ das dir nutzen koͤndte? Du ſeyeſt verletzet wo es ſeye/

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/601>, abgerufen am 22.11.2024.