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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
oder der menschliche Jammer vermehret wurde/ und solche mit dem
Politischen Mantel bedecken wolten/ und sagten; Ratio Status wol-
te es also haben und erfordern. Da bate ich den Jesuwiten bey Fran-
cisco und allen Heiligen/ er wolte mir doch beschreiben was dann Ra-
tio Status
were? Da nahm er mich so fort bey der Hand/ und führete
mich auff die Elyseische Felder (darinnen sich der abgestorbenen und
im Fegfeuer gereinigte Seelen spatziren) die nicht weit von dem pur-
gatorio
gelegen. Da giengen und wandelten die alte und neue Phi-
losophi,
unter welchen der Aristoteles, Plutarchus, Johann Bo-
dinus, Cardanus
und andere mehr/ die da examinirten, und auff
die Prob legten deß Platonis sein eingebildete vollkommene Regie-
rungskunst. Nicht weit davon war ein schöner lustiger Wald/ unter
dessen hohen Bäumen herrliche Spatziergänge/ hier und dar mit grü-
nen Sträuchen bewachsen; hinter diesen hatte sich verstecket der Lu-
cianus,
der unterweilen gewaltig lachen muste/ und sagte: das seye
eine elende Weißheit/ die allein auß den Büchern erlernet wird/ und
da keine experienz und Erfahrenheit hinzu kömbt. Endlich gieng
herfür Meleander König in Sicilien/ dessen grosse Gütigkeit ehe-
mals zu viel mißbrauchete Lycogenes. Zu dem kam der Johann
Barclajus,
welcher nachdem er seinem Könige die gebührende com-
plimenta
abgeleget/ vermahnete er ihn/ daß er wolte in der/ gegen
ihn angefangenen königlichen Sanfftmuth/ continuiren und be-
harren/ auff das/ was vorhin seinen Staat sehr verwirret und verun-
ruhiget hätte/ seinem widerwertigen möchte begegnen/ und noch viel
anders mehr/ davon ich beflissen nichts melde. Es war noch darbey
ein ander Politicus, der gabe vor/ dieses were eines Regenten beste
Kunst/ sich stellen als were was doch nicht ist/ auff das seye/ was seyn
solle. Dieses sagt er/ wer das grösseste Geheimnüsstücklein gewesen
derer die dem Römischen Regiment vorgestanden hätten. Wann einer
sagt er weiter/ der regteret/ den Unterthanen etwas neues wil ufbürden/
solle er allezeit/ das was alt/ vorwenden. Dann alle Verenderung
entweder gefährlich/ oder wenigst den Unterthanen verdrüß-
lich. Es sol auch ein Regent immerzu seine Majestät und Hochheit
wol und genau acht haben: dann aber wird diese wol bewahret/ wann
sie Liebe auß nicht allzugrosser Willfährigkeit/ und keine Tyranney
auß allzugrosser Strengigkeit zielet. Er solle alle Gelegenheiten wol
und genau beobachten/ auch die so bißweilen ungefehr sich ereignet/
zu seinem Vortheil anwenden. Solches hat wol verstanden C. Co-
lumbus,
der als er die herrliche und hochberühmete Jnsul in America
(vierten Theil der Welt erfunden/ mit seinen unterhabenden Kriegs-
knechten/ derer etliche tausend in eusserste Dürfftigkeit der ermangel-
ten Lebensmitteln/ weilen die Einwohner ihnen nichts mehr wolten

folgen

Von der Einbildung.
oder der menſchliche Jammer vermehret wurde/ und ſolche mit dem
Politiſchen Mantel bedecken wolten/ und ſagten; Ratio Status wol-
te es alſo haben und erfordern. Da bate ich den Jeſuwiten bey Fran-
ciſco und allen Heiligen/ er wolte mir doch beſchreiben was dann Ra-
tio Status
were? Da nahm er mich ſo fort bey der Hand/ und fuͤhrete
mich auff die Elyſeiſche Felder (darinnen ſich der abgeſtorbenen und
im Fegfeuer gereinigte Seelen ſpatziren) die nicht weit von dem pur-
gatorio
gelegen. Da giengen und wandelten die alte und neue Phi-
loſophi,
unter welchen der Ariſtoteles, Plutarchus, Johann Bo-
dinus, Cardanus
und andere mehr/ die da examinirten, und auff
die Prob legten deß Platonis ſein eingebildete vollkommene Regie-
rungskunſt. Nicht weit davon war ein ſchoͤner luſtiger Wald/ unter
deſſen hohen Baͤumen herꝛliche Spatziergaͤnge/ hier und dar mit gruͤ-
nen Straͤuchen bewachſen; hinter dieſen hatte ſich verſtecket der Lu-
cianus,
der unterweilen gewaltig lachen muſte/ und ſagte: das ſeye
eine elende Weißheit/ die allein auß den Buͤchern erlernet wird/ und
da keine experienz und Erfahrenheit hinzu koͤmbt. Endlich gieng
herfuͤr Meleander Koͤnig in Sicilien/ deſſen groſſe Guͤtigkeit ehe-
mals zu viel mißbrauchete Lycogenes. Zu dem kam der Johann
Barclajus,
welcher nachdem er ſeinem Koͤnige die gebuͤhrende com-
plimenta
abgeleget/ vermahnete er ihn/ daß er wolte in der/ gegen
ihn angefangenen koͤniglichen Sanfftmuth/ continuiren und be-
harꝛen/ auff das/ was vorhin ſeinen Staat ſehr verwirꝛet und verun-
ruhiget haͤtte/ ſeinem widerwertigen moͤchte begegnen/ und noch viel
anders mehr/ davon ich befliſſen nichts melde. Es war noch darbey
ein ander Politicus, der gabe vor/ dieſes were eines Regenten beſte
Kunſt/ ſich ſtellen als were was doch nicht iſt/ auff das ſeye/ was ſeyn
ſolle. Dieſes ſagt er/ wer das groͤſſeſte Geheimnuͤsſtuͤcklein geweſen
derer die dem Roͤmiſchen Regiment vorgeſtanden haͤtten. Wann einer
ſagt er weiter/ der regteret/ den Unterthanẽ etwas neues wil ufbuͤrdẽ/
ſolle er allezeit/ das was alt/ vorwenden. Dann alle Verenderung
entweder gefaͤhrlich/ oder wenigſt den Unterthanen verdruͤß-
lich. Es ſol auch ein Regent immerzu ſeine Majeſtaͤt und Hochheit
wol und genau acht haben: dann aber wird dieſe wol bewahret/ wann
ſie Liebe auß nicht allzugroſſer Willfaͤhrigkeit/ und keine Tyranney
auß allzugroſſer Strengigkeit zielet. Er ſolle alle Gelegenheiten wol
und genau beobachten/ auch die ſo bißweilen ungefehr ſich ereignet/
zu ſeinem Vortheil anwenden. Solches hat wol verſtanden C. Co-
lumbus,
der als er die herꝛliche und hochberuͤhmete Jnſul in America
(vierten Theil der Welt erfunden/ mit ſeinen unterhabenden Kriegs-
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[556/0598] Von der Einbildung. oder der menſchliche Jammer vermehret wurde/ und ſolche mit dem Politiſchen Mantel bedecken wolten/ und ſagten; Ratio Status wol- te es alſo haben und erfordern. Da bate ich den Jeſuwiten bey Fran- ciſco und allen Heiligen/ er wolte mir doch beſchreiben was dann Ra- tio Status were? Da nahm er mich ſo fort bey der Hand/ und fuͤhrete mich auff die Elyſeiſche Felder (darinnen ſich der abgeſtorbenen und im Fegfeuer gereinigte Seelen ſpatziren) die nicht weit von dem pur- gatorio gelegen. Da giengen und wandelten die alte und neue Phi- loſophi, unter welchen der Ariſtoteles, Plutarchus, Johann Bo- dinus, Cardanus und andere mehr/ die da examinirten, und auff die Prob legten deß Platonis ſein eingebildete vollkommene Regie- rungskunſt. Nicht weit davon war ein ſchoͤner luſtiger Wald/ unter deſſen hohen Baͤumen herꝛliche Spatziergaͤnge/ hier und dar mit gruͤ- nen Straͤuchen bewachſen; hinter dieſen hatte ſich verſtecket der Lu- cianus, der unterweilen gewaltig lachen muſte/ und ſagte: das ſeye eine elende Weißheit/ die allein auß den Buͤchern erlernet wird/ und da keine experienz und Erfahrenheit hinzu koͤmbt. Endlich gieng herfuͤr Meleander Koͤnig in Sicilien/ deſſen groſſe Guͤtigkeit ehe- mals zu viel mißbrauchete Lycogenes. Zu dem kam der Johann Barclajus, welcher nachdem er ſeinem Koͤnige die gebuͤhrende com- plimenta abgeleget/ vermahnete er ihn/ daß er wolte in der/ gegen ihn angefangenen koͤniglichen Sanfftmuth/ continuiren und be- harꝛen/ auff das/ was vorhin ſeinen Staat ſehr verwirꝛet und verun- ruhiget haͤtte/ ſeinem widerwertigen moͤchte begegnen/ und noch viel anders mehr/ davon ich befliſſen nichts melde. Es war noch darbey ein ander Politicus, der gabe vor/ dieſes were eines Regenten beſte Kunſt/ ſich ſtellen als were was doch nicht iſt/ auff das ſeye/ was ſeyn ſolle. Dieſes ſagt er/ wer das groͤſſeſte Geheimnuͤsſtuͤcklein geweſen derer die dem Roͤmiſchen Regiment vorgeſtanden haͤtten. Wann einer ſagt er weiter/ der regteret/ den Unterthanẽ etwas neues wil ufbuͤrdẽ/ ſolle er allezeit/ das was alt/ vorwenden. Dann alle Verenderung entweder gefaͤhrlich/ oder wenigſt den Unterthanen verdruͤß- lich. Es ſol auch ein Regent immerzu ſeine Majeſtaͤt und Hochheit wol und genau acht haben: dann aber wird dieſe wol bewahret/ wann ſie Liebe auß nicht allzugroſſer Willfaͤhrigkeit/ und keine Tyranney auß allzugroſſer Strengigkeit zielet. Er ſolle alle Gelegenheiten wol und genau beobachten/ auch die ſo bißweilen ungefehr ſich ereignet/ zu ſeinem Vortheil anwenden. Solches hat wol verſtanden C. Co- lumbus, der als er die herꝛliche und hochberuͤhmete Jnſul in America (vierten Theil der Welt erfunden/ mit ſeinen unterhabenden Kriegs- knechten/ derer etliche tauſend in euſſerſte Duͤrfftigkeit der ermangel- ten Lebensmitteln/ weilen die Einwohner ihnen nichts mehr wolten folgen

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/598>, abgerufen am 26.11.2024.