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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Die erbare Hure.
und unterschiedene Frauen und Jungfrauen bey sich hatte/ und viel-
leicht gar zu viel gebuhlet und getruncken hatte/ stieg er auff sein Pferd
und ritte mit dem Thorschliessen auß der Stadt/ seine Diener mu-
sten sporenstreichs nachfolgen. Aber leider/ leider! Als er kaum einen
Canonenschuß von der Stadt kommen/ ist er von dem Pferde gestür-
tzet/ und den Hals gebrochen.

Viel Splitterrichter sagen zwar jetzo/ er sey ein grosser Hurer
und Ehebrecher gewesen/ dazu ein Trunckenbold und Mörder/ der
unterschiedene vor der Faust niedergestossen habe/ und wie der Baum
falle/ so werde er liegen. Allein/ ich habe einsmals in der Kirche gehö-
ret/ daß der Pastor sagte: Richtet nicht/ so werdet ihr auch nicht ge-
richtet/ verdammet nicht/ so werdet ihr auch nicht verdammet. Sein
Pastor und Beichtvater hat ihm ein überauß gut Zeugniß gegeben/
wie er ein so guter Christ gewesen sey/ wie er armen Leuten so viel gu-
tes gethan habe/ unter welchen Gutthaten ich ein lebendiges Exem-
pel bin. Ach wie manche ehrliche Jungfrau/ wie manche ehrliche
Frau und Wittwe ist/ welche er über Nacht höflich tractiret hat/ wel-
che seinen Tod jetzo bitterlich beweinen.

Stehe auff Corinne/ nim dein Regenkleid/ und gehe mit mir
nach der Kirche/ wir wollen ein wenig bey der Kirche stehen bleiben/
wann eine Dame kömmt/ und ich sage: Wir sind Menschen: so
wisse alsbald/ daß mein Juncker etliche Nacht bey ihr geschlaffen ha-
be/ aber du must nicht gedencken/ als ob sie alsbald eine Hure sey. Co-
rinne stund auff/ zog ihre Kleider an/ und gieng mit ihrer Mutter nach
der Kirche. Als sie eine zeitlang bey der Kirche gestanden hatten/ kam
eine garstige Magd/ da sagte Crobyle: Wir sind Menschen. Co-
rinne verwunderte sich darüber/ daß ein Edelman sich an ein solch
garstiges Schwein kehren solle/ allein Crobyle sagte nochmal/ Wir
sind Menschen.
Bald kam eine Adeliche Wittwe/ von welcher die
gantze Stadt sagte/ daß sie nicht wiederum heyrahten/ sondern wie
eine Turteltaube leben wolte; da sagte Crobyle zu ihrer Tochter: Wir
sind Menschen.
Es stund nicht lange an/ da kam eine vornehme
Jungfer/ eines reichen hochansehnlichen Mannes Tochter/ da lachte
Crobyle/ und sagte ihrer Tochter ins Ohr: Wir sind Menschen.
Jch bin gestern mit dieser Jungfer im Hospital gewesen/ da unter-
schiedene arme Kinder ernehret werden/ da gab diese Jungfer einem
jeden Kinde einen Groschen/ allein da sie zu ihrem eigenen Kinde kam/
gab sie ihm zwey Ducaten/ und sagte: Du liebes Kind/ du siehest
auß wie ein rechter schöner Engel/ es ist wol eher auß
den armen Wäysen-Kindern ein vortrefflicher grosser Mann

entspros-

Die erbare Hure.
und unterſchiedene Frauen und Jungfrauen bey ſich hatte/ und viel-
leicht gar zu viel gebuhlet und getruncken hatte/ ſtieg er auff ſein Pferd
und ritte mit dem Thorſchlieſſen auß der Stadt/ ſeine Diener mu-
ſten ſporenſtreichs nachfolgen. Aber leider/ leider! Als er kaum einen
Canonenſchuß von der Stadt kommen/ iſt er von dem Pferde geſtuͤr-
tzet/ und den Hals gebrochen.

Viel Splitterrichter ſagen zwar jetzo/ er ſey ein groſſer Hurer
und Ehebrecher geweſen/ dazu ein Trunckenbold und Moͤrder/ der
unterſchiedene vor der Fauſt niedergeſtoſſen habe/ und wie der Baum
falle/ ſo werde er liegen. Allein/ ich habe einsmals in der Kirche gehoͤ-
ret/ daß der Paſtor ſagte: Richtet nicht/ ſo werdet ihr auch nicht ge-
richtet/ verdammet nicht/ ſo werdet ihr auch nicht verdammet. Sein
Paſtor und Beichtvater hat ihm ein uͤberauß gut Zeugniß gegeben/
wie er ein ſo guter Chriſt geweſen ſey/ wie er armen Leuten ſo viel gu-
tes gethan habe/ unter welchen Gutthaten ich ein lebendiges Exem-
pel bin. Ach wie manche ehrliche Jungfrau/ wie manche ehrliche
Frau und Wittwe iſt/ welche er uͤber Nacht hoͤflich tractiret hat/ wel-
che ſeinen Tod jetzo bitterlich beweinen.

Stehe auff Corinne/ nim dein Regenkleid/ und gehe mit mir
nach der Kirche/ wir wollen ein wenig bey der Kirche ſtehen bleiben/
wann eine Dame koͤmmt/ und ich ſage: Wir ſind Menſchen: ſo
wiſſe alsbald/ daß mein Juncker etliche Nacht bey ihr geſchlaffen ha-
be/ aber du muſt nicht gedencken/ als ob ſie alsbald eine Hure ſey. Co-
rinne ſtund auff/ zog ihre Kleider an/ und gieng mit ihrer Mutter nach
der Kirche. Als ſie eine zeitlang bey der Kirche geſtanden hatten/ kam
eine garſtige Magd/ da ſagte Crobyle: Wir ſind Menſchen. Co-
rinne verwunderte ſich daruͤber/ daß ein Edelman ſich an ein ſolch
garſtiges Schwein kehren ſolle/ allein Crobyle ſagte nochmal/ Wir
ſind Menſchen.
Bald kam eine Adeliche Wittwe/ von welcher die
gantze Stadt ſagte/ daß ſie nicht wiederum heyrahten/ ſondern wie
eine Turteltaube leben wolte; da ſagte Crobyle zu ihrer Tochter: Wir
ſind Menſchen.
Es ſtund nicht lange an/ da kam eine vornehme
Jungfer/ eines reichen hochanſehnlichen Mannes Tochter/ da lachte
Crobyle/ und ſagte ihrer Tochter ins Ohr: Wir ſind Menſchen.
Jch bin geſtern mit dieſer Jungfer im Hoſpital geweſen/ da unter-
ſchiedene arme Kinder ernehret werden/ da gab dieſe Jungfer einem
jeden Kinde einen Groſchen/ allein da ſie zu ihrem eigenen Kinde kam/
gab ſie ihm zwey Ducaten/ und ſagte: Du liebes Kind/ du ſieheſt
auß wie ein rechter ſchoͤner Engel/ es iſt wol eher auß
den armen Waͤyſen-Kindern ein vortrefflicher groſſer Mann

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[475/0517] Die erbare Hure. und unterſchiedene Frauen und Jungfrauen bey ſich hatte/ und viel- leicht gar zu viel gebuhlet und getruncken hatte/ ſtieg er auff ſein Pferd und ritte mit dem Thorſchlieſſen auß der Stadt/ ſeine Diener mu- ſten ſporenſtreichs nachfolgen. Aber leider/ leider! Als er kaum einen Canonenſchuß von der Stadt kommen/ iſt er von dem Pferde geſtuͤr- tzet/ und den Hals gebrochen. Viel Splitterrichter ſagen zwar jetzo/ er ſey ein groſſer Hurer und Ehebrecher geweſen/ dazu ein Trunckenbold und Moͤrder/ der unterſchiedene vor der Fauſt niedergeſtoſſen habe/ und wie der Baum falle/ ſo werde er liegen. Allein/ ich habe einsmals in der Kirche gehoͤ- ret/ daß der Paſtor ſagte: Richtet nicht/ ſo werdet ihr auch nicht ge- richtet/ verdammet nicht/ ſo werdet ihr auch nicht verdammet. Sein Paſtor und Beichtvater hat ihm ein uͤberauß gut Zeugniß gegeben/ wie er ein ſo guter Chriſt geweſen ſey/ wie er armen Leuten ſo viel gu- tes gethan habe/ unter welchen Gutthaten ich ein lebendiges Exem- pel bin. Ach wie manche ehrliche Jungfrau/ wie manche ehrliche Frau und Wittwe iſt/ welche er uͤber Nacht hoͤflich tractiret hat/ wel- che ſeinen Tod jetzo bitterlich beweinen. Stehe auff Corinne/ nim dein Regenkleid/ und gehe mit mir nach der Kirche/ wir wollen ein wenig bey der Kirche ſtehen bleiben/ wann eine Dame koͤmmt/ und ich ſage: Wir ſind Menſchen: ſo wiſſe alsbald/ daß mein Juncker etliche Nacht bey ihr geſchlaffen ha- be/ aber du muſt nicht gedencken/ als ob ſie alsbald eine Hure ſey. Co- rinne ſtund auff/ zog ihre Kleider an/ und gieng mit ihrer Mutter nach der Kirche. Als ſie eine zeitlang bey der Kirche geſtanden hatten/ kam eine garſtige Magd/ da ſagte Crobyle: Wir ſind Menſchen. Co- rinne verwunderte ſich daruͤber/ daß ein Edelman ſich an ein ſolch garſtiges Schwein kehren ſolle/ allein Crobyle ſagte nochmal/ Wir ſind Menſchen. Bald kam eine Adeliche Wittwe/ von welcher die gantze Stadt ſagte/ daß ſie nicht wiederum heyrahten/ ſondern wie eine Turteltaube leben wolte; da ſagte Crobyle zu ihrer Tochter: Wir ſind Menſchen. Es ſtund nicht lange an/ da kam eine vornehme Jungfer/ eines reichen hochanſehnlichen Mannes Tochter/ da lachte Crobyle/ und ſagte ihrer Tochter ins Ohr: Wir ſind Menſchen. Jch bin geſtern mit dieſer Jungfer im Hoſpital geweſen/ da unter- ſchiedene arme Kinder ernehret werden/ da gab dieſe Jungfer einem jeden Kinde einen Groſchen/ allein da ſie zu ihrem eigenen Kinde kam/ gab ſie ihm zwey Ducaten/ und ſagte: Du liebes Kind/ du ſieheſt auß wie ein rechter ſchoͤner Engel/ es iſt wol eher auß den armen Waͤyſen-Kindern ein vortrefflicher groſſer Mann entſproſ-

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/517>, abgerufen am 25.11.2024.