Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite

De Lana Caprina.
trincken/ wird mitten in der Ergötzligkeit bitter. Die Arbeit aber/ ab-
sonderlich wenn sie zulässig und ehrlich ist/ ist lieb und angenehm bey
Anfang und Ende eines Dinges. Ohne die Tugend ist alles verdrieß-
lich und unwehrt. Mit dieser aber alles anmuhtig/ lieb und angeneh-
me. Derowegen O ihr liebe Teutsche/ ergreiffet die/ liebet die/ ehret
die! Dieses hätte Apollo geredet/ sagte Mercurius, der neulicher
Tage auß dem Parnasso wider zurück kommen wäre/ und weil er mü-
de von der Reise und matt von der Hitze/ wolte er einwenig ruhen und
sich in dem grünen Grase erfrischen; siehe da kömpt Corydon und
wolte eben auch unter dieses Baums Schatten mit seinen Schaafen
ruhen. Kurtz darauff komt Thyrsis mit seinen Ziegen/ und waren
kaum unter den Baum kommen/ und als er den Bock melckte/ hielte
Menalcus das Sieb unter. Da konte sich Corydon des Lachens nit
enthalten/ nahm derohalben seine Pfeiffe/ fieng an und sange von der
eytelen Arbeit der Menschen/ die da viel geringer sind als die Lana
Caprina. O Lana Caprina,
O du liebe Geißmilch/ exclarnirte er/
worzu bringet ihr doch nicht die Hertzen der Menschen? Jch kan kaum
das Lachen lassen/ wenn ich betrachte/ wie mancher der Dinten feil ge-
habt/ oder einen Marckschreyer agiret hat und den Bauren Zanck und
uneinigkeit verkaufft/ anjetzo aber weis nicht durch wessen Gunst und
Gewogenheit/ so Stoltz und Hochmühtig ist/ daß er auch nicht weiß
wo und wie er gehen solle; und wartet bey Hofe fleissig auff/ und
sparet keinen Kosten/ sondern läuffet bald dem bald jenem zu Hause/
damit er einen Vorbitter erwerbe/ durch welchen er ein öffentlich
Zeugniß seiner Thorheit und Eytelkeit erlange. Sehet doch wie sauer
es sich der Ziphusius werden lässet/ indeme er etliche Schulfragen
zusammen raspelt/ nur damit er die Ehre pulveris scholastici er-
lange/ und wenn er denn zu öffentlichen Aemptern gebrauchet wird/
solte er alsdenn solcher Schulzotten vergessen? Da muß denn die Bulla
Scholastica
oder Schulsack für ein stück sonderlicher Witz und Weiß-
heit gehalten werden. Und fürwar wenn Seneca, Socrates, Hora-
tius
und andere gelehrte Leute anjetzo lebeten/ denen der Verstand in
pectore non in ore versirte, sie würden kaum Baccalaurei, es wäre
denn/ daß sie in die heutigen Schulen giengen und subtil scoticiren
lerneten:

Der Esel hat Ohren
Du hast Ohren/ Ergo
Bistu ein Esel.

Diogenes möchte wol hierauf antworten, fange von dir an/ als-
denn wird der Schluß recht. Hilff Gott mit was für Bitten/ Flehen/
Geschenck und Gaben/ erkauffet mancher den Titul eines Rahts; ich
sage titul um sine vitulo. Man hat vorzeiten viel gespöttelt über

die

De Lana Caprina.
trincken/ wird mitten in der Ergoͤtzligkeit bitter. Die Arbeit aber/ ab-
ſonderlich wenn ſie zulaͤſſig und ehrlich iſt/ iſt lieb und angenehm bey
Anfang und Ende eines Dinges. Ohne die Tugend iſt alles verdrieß-
lich und unwehrt. Mit dieſer aber alles anmuhtig/ lieb und angeneh-
me. Derowegen O ihr liebe Teutſche/ ergreiffet die/ liebet die/ ehret
die! Dieſes haͤtte Apollo geredet/ ſagte Mercurius, der neulicher
Tage auß dem Parnaſſo wider zuruͤck kommen waͤre/ und weil er muͤ-
de von der Reiſe und matt von der Hitze/ wolte er einwenig ruhen uñ
ſich in dem gruͤnen Graſe erfriſchen; ſiehe da koͤmpt Corydon und
wolte eben auch unter dieſes Baums Schatten mit ſeinen Schaafen
ruhen. Kurtz darauff komt Thyrſis mit ſeinen Ziegen/ und waren
kaum unter den Baum kommen/ und als er den Bock melckte/ hielte
Menalcus das Sieb unter. Da konte ſich Corydon des Lachens nit
enthalten/ nahm derohalben ſeine Pfeiffe/ fieng an und ſange von der
eytelen Arbeit der Menſchen/ die da viel geringer ſind als die Lana
Caprina. O Lana Caprina,
O du liebe Geißmilch/ exclarnirte er/
worzu bringet ihr doch nicht die Hertzen der Menſchen? Jch kan kaum
das Lachen laſſen/ wenn ich betrachte/ wie mancher der Dinten feil ge-
habt/ oder einen Marckſchreyer agiret hat und den Bauren Zanck uñ
uneinigkeit verkaufft/ anjetzo aber weis nicht durch weſſen Gunſt und
Gewogenheit/ ſo Stoltz und Hochmuͤhtig iſt/ daß er auch nicht weiß
wo und wie er gehen ſolle; und wartet bey Hofe fleiſſig auff/ und
ſparet keinen Koſten/ ſondern laͤuffet bald dem bald jenem zu Hauſe/
damit er einen Vorbitter erwerbe/ durch welchen er ein oͤffentlich
Zeugniß ſeiner Thorheit und Eytelkeit erlange. Sehet doch wie ſauer
es ſich der Ziphuſius werden laͤſſet/ indeme er etliche Schulfragen
zuſammen raſpelt/ nur damit er die Ehre pulveris ſcholaſtici er-
lange/ und wenn er denn zu oͤffentlichen Aemptern gebrauchet wird/
ſolte er alsdeñ ſolcher Schulzottẽ vergeſſen? Da muß denn die Bulla
Scholaſtica
oder Schulſack fuͤr ein ſtuͤck ſonderlicher Witz uñ Weiß-
heit gehalten werden. Und fuͤrwar wenn Seneca, Socrates, Hora-
tius
und andere gelehrte Leute anjetzo lebeten/ denen der Verſtand in
pectore non in ore verſirte, ſie wuͤrden kaum Baccalaurei, es waͤre
denn/ daß ſie in die heutigen Schulen giengen und ſubtil ſcoticiren
lerneten:

Der Eſel hat Ohren
Du haſt Ohren/ Ergo
Biſtu ein Eſel.

Diogenes moͤchte wol hierauf antworten, fange von dir an/ als-
denn wird der Schluß recht. Hilff Gott mit was fuͤr Bitten/ Flehen/
Geſchenck und Gaben/ erkauffet mancher den Titul eines Rahts; ich
ſage titul um ſine vitulo. Man hat vorzeiten viel geſpoͤttelt uͤber

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0464" n="422"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">De Lana Caprina.</hi></hi></fw><lb/>
trincken/ wird mitten in der Ergo&#x0364;tzligkeit bitter. Die Arbeit aber/ ab-<lb/>
&#x017F;onderlich wenn &#x017F;ie zula&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig und ehrlich i&#x017F;t/ i&#x017F;t lieb und angenehm bey<lb/>
Anfang und Ende eines Dinges. Ohne die Tugend i&#x017F;t alles verdrieß-<lb/>
lich und unwehrt. Mit die&#x017F;er aber alles anmuhtig/ lieb und angeneh-<lb/>
me. Derowegen O ihr liebe Teut&#x017F;che/ ergreiffet die/ liebet die/ ehret<lb/>
die! Die&#x017F;es ha&#x0364;tte <hi rendition="#aq">Apollo</hi> geredet/ &#x017F;agte <hi rendition="#aq">Mercurius,</hi> der neulicher<lb/>
Tage auß dem <hi rendition="#aq">Parna&#x017F;&#x017F;o</hi> wider zuru&#x0364;ck kommen wa&#x0364;re/ und weil er mu&#x0364;-<lb/>
de von der Rei&#x017F;e und matt von der Hitze/ wolte er einwenig ruhen un&#x0303;<lb/>
&#x017F;ich in dem gru&#x0364;nen Gra&#x017F;e erfri&#x017F;chen; &#x017F;iehe da ko&#x0364;mpt <hi rendition="#aq">Corydon</hi> und<lb/>
wolte eben auch unter die&#x017F;es Baums Schatten mit &#x017F;einen Schaafen<lb/>
ruhen. Kurtz darauff komt <hi rendition="#aq">Thyr&#x017F;is</hi> mit &#x017F;einen Ziegen/ und waren<lb/>
kaum unter den Baum kommen/ und als er den Bock melckte/ hielte<lb/><hi rendition="#aq">Menalcus</hi> das Sieb unter. Da konte &#x017F;ich <hi rendition="#aq">Corydon</hi> des Lachens nit<lb/>
enthalten/ nahm derohalben &#x017F;eine Pfeiffe/ fieng an und &#x017F;ange von der<lb/>
eytelen Arbeit der Men&#x017F;chen/ die da viel geringer &#x017F;ind als die <hi rendition="#aq">Lana<lb/>
Caprina. O Lana Caprina,</hi> O du liebe Geißmilch/ <hi rendition="#aq">exclarnirte</hi> er/<lb/>
worzu bringet ihr doch nicht die Hertzen der Men&#x017F;chen? Jch kan kaum<lb/>
das Lachen la&#x017F;&#x017F;en/ wenn ich betrachte/ wie mancher der Dinten feil ge-<lb/>
habt/ oder einen Marck&#x017F;chreyer <hi rendition="#aq">agiret</hi> hat und den Bauren Zanck un&#x0303;<lb/>
uneinigkeit verkaufft/ anjetzo aber weis nicht durch we&#x017F;&#x017F;en Gun&#x017F;t und<lb/>
Gewogenheit/ &#x017F;o Stoltz und Hochmu&#x0364;htig i&#x017F;t/ daß er auch nicht weiß<lb/>
wo und wie er gehen &#x017F;olle; und wartet bey Hofe flei&#x017F;&#x017F;ig auff/ und<lb/>
&#x017F;paret keinen Ko&#x017F;ten/ &#x017F;ondern la&#x0364;uffet bald dem bald jenem zu Hau&#x017F;e/<lb/>
damit er einen Vorbitter erwerbe/ durch welchen er ein o&#x0364;ffentlich<lb/>
Zeugniß &#x017F;einer Thorheit und Eytelkeit erlange. Sehet doch wie &#x017F;auer<lb/>
es &#x017F;ich der <hi rendition="#aq">Ziphu&#x017F;ius</hi> werden la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ indeme er etliche Schulfragen<lb/>
zu&#x017F;ammen ra&#x017F;pelt/ nur damit er die Ehre <hi rendition="#aq">pulveris &#x017F;chola&#x017F;tici</hi> er-<lb/>
lange/ und wenn er denn zu o&#x0364;ffentlichen Aemptern gebrauchet wird/<lb/>
&#x017F;olte er alsden&#x0303; &#x017F;olcher Schulzotte&#x0303; verge&#x017F;&#x017F;en? Da muß denn die <hi rendition="#aq">Bulla<lb/>
Schola&#x017F;tica</hi> oder Schul&#x017F;ack fu&#x0364;r ein &#x017F;tu&#x0364;ck &#x017F;onderlicher Witz un&#x0303; Weiß-<lb/>
heit gehalten werden. Und fu&#x0364;rwar wenn <hi rendition="#aq">Seneca, Socrates, Hora-<lb/>
tius</hi> und andere gelehrte Leute anjetzo lebeten/ denen der Ver&#x017F;tand in<lb/><hi rendition="#aq">pectore non in ore ver&#x017F;irte,</hi> &#x017F;ie wu&#x0364;rden kaum <hi rendition="#aq">Baccalaurei,</hi> es wa&#x0364;re<lb/>
denn/ daß &#x017F;ie in die heutigen Schulen giengen und &#x017F;ubtil <hi rendition="#aq">&#x017F;coticiren</hi><lb/>
lerneten:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Der E&#x017F;el hat Ohren<lb/>
Du ha&#x017F;t Ohren/ <hi rendition="#aq">Ergo</hi><lb/>
Bi&#x017F;tu ein E&#x017F;el.</quote>
        </cit><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Diogenes</hi> mo&#x0364;chte wol hierauf antworten, fange von dir an/ als-<lb/>
denn wird der Schluß recht. Hilff Gott mit was fu&#x0364;r Bitten/ Flehen/<lb/>
Ge&#x017F;chenck und Gaben/ erkauffet mancher den Titul eines Rahts; ich<lb/>
&#x017F;age <hi rendition="#aq">titul um &#x017F;ine vitulo.</hi> Man hat vorzeiten viel ge&#x017F;po&#x0364;ttelt u&#x0364;ber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0464] De Lana Caprina. trincken/ wird mitten in der Ergoͤtzligkeit bitter. Die Arbeit aber/ ab- ſonderlich wenn ſie zulaͤſſig und ehrlich iſt/ iſt lieb und angenehm bey Anfang und Ende eines Dinges. Ohne die Tugend iſt alles verdrieß- lich und unwehrt. Mit dieſer aber alles anmuhtig/ lieb und angeneh- me. Derowegen O ihr liebe Teutſche/ ergreiffet die/ liebet die/ ehret die! Dieſes haͤtte Apollo geredet/ ſagte Mercurius, der neulicher Tage auß dem Parnaſſo wider zuruͤck kommen waͤre/ und weil er muͤ- de von der Reiſe und matt von der Hitze/ wolte er einwenig ruhen uñ ſich in dem gruͤnen Graſe erfriſchen; ſiehe da koͤmpt Corydon und wolte eben auch unter dieſes Baums Schatten mit ſeinen Schaafen ruhen. Kurtz darauff komt Thyrſis mit ſeinen Ziegen/ und waren kaum unter den Baum kommen/ und als er den Bock melckte/ hielte Menalcus das Sieb unter. Da konte ſich Corydon des Lachens nit enthalten/ nahm derohalben ſeine Pfeiffe/ fieng an und ſange von der eytelen Arbeit der Menſchen/ die da viel geringer ſind als die Lana Caprina. O Lana Caprina, O du liebe Geißmilch/ exclarnirte er/ worzu bringet ihr doch nicht die Hertzen der Menſchen? Jch kan kaum das Lachen laſſen/ wenn ich betrachte/ wie mancher der Dinten feil ge- habt/ oder einen Marckſchreyer agiret hat und den Bauren Zanck uñ uneinigkeit verkaufft/ anjetzo aber weis nicht durch weſſen Gunſt und Gewogenheit/ ſo Stoltz und Hochmuͤhtig iſt/ daß er auch nicht weiß wo und wie er gehen ſolle; und wartet bey Hofe fleiſſig auff/ und ſparet keinen Koſten/ ſondern laͤuffet bald dem bald jenem zu Hauſe/ damit er einen Vorbitter erwerbe/ durch welchen er ein oͤffentlich Zeugniß ſeiner Thorheit und Eytelkeit erlange. Sehet doch wie ſauer es ſich der Ziphuſius werden laͤſſet/ indeme er etliche Schulfragen zuſammen raſpelt/ nur damit er die Ehre pulveris ſcholaſtici er- lange/ und wenn er denn zu oͤffentlichen Aemptern gebrauchet wird/ ſolte er alsdeñ ſolcher Schulzottẽ vergeſſen? Da muß denn die Bulla Scholaſtica oder Schulſack fuͤr ein ſtuͤck ſonderlicher Witz uñ Weiß- heit gehalten werden. Und fuͤrwar wenn Seneca, Socrates, Hora- tius und andere gelehrte Leute anjetzo lebeten/ denen der Verſtand in pectore non in ore verſirte, ſie wuͤrden kaum Baccalaurei, es waͤre denn/ daß ſie in die heutigen Schulen giengen und ſubtil ſcoticiren lerneten: Der Eſel hat Ohren Du haſt Ohren/ Ergo Biſtu ein Eſel. Diogenes moͤchte wol hierauf antworten, fange von dir an/ als- denn wird der Schluß recht. Hilff Gott mit was fuͤr Bitten/ Flehen/ Geſchenck und Gaben/ erkauffet mancher den Titul eines Rahts; ich ſage titul um ſine vitulo. Man hat vorzeiten viel geſpoͤttelt uͤber die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/464
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/464>, abgerufen am 25.11.2024.