Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].De Lana Caprina. winde sich erheben und wehen/ werden sie von diesem wider die Felsengeschmissen und also zernichtet. Denn die Götter einem jeden unter ihnen ein Jahr seines Lebens bestimmet haben. Daß dieses ein Ge- dicht und Fabel/ ist niemand in Abrede/ es wäre denn daß er seinen Verstand in den Füssen hätte. Diese Fabel haben die lieben Alten/ den jungen Leuten nicht ohne Ursach vorgebildet; Jrre ich/ oder haben sie die Macht und Gewalt der Lanae Caprinae über alle Menschen dadurch beschreiben wollen? Denn derer Leben sehr kurtz/ und gleichwol sind derer wenig die solches weißlich gebrauchen und geniessen. Andere schwächen solches durch eitele Sorge und Gram/ die doch keine Er- getzligkeit jemaln erfreyet und erlustiget; sondern lassen das/ was sie zusammen erschunden und erschabet ihren Erben/ so sie nachgehends lustig verprassen und verschlemmen/ und wacker durch die Gurgel jagen. Der grösseste Theil der Menschen/ der suchet durch grossen Schweiß und Mühe die Staffel der Ehren/ von welchen sie offterma- len durch Herren Ungunst und Ungnade/ biß gar zu unterst gestossen und geworffen werden. Also dienet und ist dienstbar unterworfen der Lanae Caprinae die gantze weite Welt. Und dieweil ich verspüre/ daß ihr ge- fallen traget an den Fabeln/ wil ich hier anführen was sich neulich bey der grossen Hitze in einem Wald nicht weit von dem Avellino bege- ben und zugetragen. Es erzehlet Mercurius, es seyen unlängsten et- liche Gesandten in den Parnassum kommen/ die hätten mit grosser Beredsamkeit erzehlet den sehr erbärmlichen Zustand des Teuschlan- des/ welcher vielmahlen nirgends anders herkäme als von der Lana Caprina. Der eine hätte discurriret, wie so ein grosser hauffen Men- schen jämmerlich erwürget würden und umbkämen r Der ander wie Tugenden und freye Künste niedergetrücket würden/ so gar daß sich auch der Apollo selbsten des weinen hierüber nit enthalten können/ und nachdeme fast keine Hoffnung einer Besserung zu hoffen/ hätten sie Apollinem mit sehr demütigen Worten um guten Raht hierin- nen zu geben und mit zutheilen gebeten/ wie doch allem diesem Unheil gesteuret und gewehret werden könte? A pollo (als der dieser Nation/ wegen Tapferkeit als derer eigentlichen Zierath/ mit welcher sie die Liebe zu freyen Künsten verknüpfften/ jederzeit wol geneiget gewesen) liesse alsobalden seine Rähte beruffen und Raht halten/ da funden sich von stund an die allerweisesten und vernünfftigsten die jemahlen gele- bet/ und brachten dar allerhand Opinionen und Meinungen/ jeder nach seiner Natur und Zuneigung nach in das Mittel. Unter andern kamen auch herbey der Heraclitus und der Democritus deren einer hielte und gab für/ daß man das menschliche Elend könte passiren und vertreiben mit stetigen Weinen; der ander aber; mit immer Lachen. Juvenalis aber als er es gehöret/ schüttelte den Kopff; und habe derer Meinung mit D d ij
De Lana Caprina. winde ſich erheben und wehen/ werden ſie von dieſem wider die Felſengeſchmiſſen und alſo zernichtet. Denn die Goͤtter einem jeden unter ihnen ein Jahr ſeines Lebens beſtimmet haben. Daß dieſes ein Ge- dicht und Fabel/ iſt niemand in Abrede/ es waͤre denn daß er ſeinen Verſtand in den Fuͤſſen haͤtte. Dieſe Fabel haben die lieben Alten/ den jungen Leuten nicht ohne Urſach vorgebildet; Jrre ich/ oder haben ſie die Macht und Gewalt der Lanæ Caprinæ uͤber alle Menſchen dadurch beſchreiben wollen? Denn derer Leben ſehꝛ kurtz/ und gleichwol ſind derer wenig die ſolches weißlich gebrauchen und genieſſen. Andeꝛe ſchwaͤchen ſolches durch eitele Sorge und Gram/ die doch keine Er- getzligkeit jemaln erfreyet und erluſtiget; ſondern laſſen das/ was ſie zuſammen erſchunden und erſchabet ihren Erben/ ſo ſie nachgehends luſtig verpraſſen und verſchlemmen/ und wacker durch die Gurgel jagen. Der groͤſſeſte Theil der Menſchen/ der ſuchet durch groſſen Schweiß und Muͤhe die Staffel der Ehren/ von welchen ſie offterma- lẽ durch Herꝛen Ungunſt und Ungnade/ biß gar zu unterſt geſtoſſẽ uñ geworffen werden. Alſo dienet und iſt dienſtbaꝛ unterworfen der Lanæ Caprinæ die gantze weite Welt. Und dieweil ich verſpuͤre/ daß ihr ge- fallen traget an den Fabeln/ wil ich hier anfuͤhren was ſich neulich bey der groſſen Hitze in einem Wald nicht weit von dem Avellino bege- ben und zugetragen. Es erzehlet Mercurius, es ſeyen unlaͤngſten et- liche Geſandten in den Parnaſſum kommen/ die haͤtten mit groſſer Beredſamkeit erzehlet den ſehr erbaͤrmlichen Zuſtand des Teuſchlan- des/ welcher vielmahlen nirgends anders herkaͤme als von der Lana Caprina. Der eine haͤtte diſcurriret, wie ſo ein groſſer hauffen Men- ſchen jaͤmmerlich erwuͤrget wuͤrden und umbkaͤmen ꝛ Der ander wie Tugenden und freye Kuͤnſte niedergetruͤcket wuͤrden/ ſo gar daß ſich auch der Apollo ſelbſten des weinen hieruͤber nit enthalten koͤnnen/ und nachdeme faſt keine Hoffnung einer Beſſerung zu hoffen/ haͤtten ſie Apollinem mit ſehr demuͤtigen Worten um guten Raht hierin- nen zu geben und mit zutheilen gebeten/ wie doch allem dieſem Unheil geſteuret und gewehret werden koͤnte? A pollo (als der dieſer Nation/ wegen Tapferkeit als derer eigentlichen Zierath/ mit welcher ſie die Liebe zu freyen Kuͤnſten verknuͤpfften/ jederzeit wol geneiget geweſen) lieſſe alſobalden ſeine Raͤhte beruffen und Raht halten/ da funden ſich von ſtund an die allerweiſeſten und vernuͤnfftigſten die jemahlen gele- bet/ und brachten dar allerhand Opinionen und Meinungen/ jeder nach ſeiner Natur und Zuneigung nach in das Mittel. Unter andern kamen auch herbey der Heraclitus und der Democritus deren einer hielte und gab fuͤr/ daß man das menſchliche Elend koͤnte paſſiren uñ vertreibẽ mit ſtetigẽ Weinẽ; der ander aber; mit im̃er Lachẽ. Juvenalis aber als er es gehoͤret/ ſchuͤttelte den Kopff; und habe derer Meinung mit D d ij
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De Lana Caprina.
winde ſich erheben und wehen/ werden ſie von dieſem wider die Felſen
geſchmiſſen und alſo zernichtet. Denn die Goͤtter einem jeden unter
ihnen ein Jahr ſeines Lebens beſtimmet haben. Daß dieſes ein Ge-
dicht und Fabel/ iſt niemand in Abrede/ es waͤre denn daß er ſeinen
Verſtand in den Fuͤſſen haͤtte. Dieſe Fabel haben die lieben Alten/ den
jungen Leuten nicht ohne Urſach vorgebildet; Jrre ich/ oder haben ſie
die Macht und Gewalt der Lanæ Caprinæ uͤber alle Menſchen
dadurch beſchreiben wollen? Denn derer Leben ſehꝛ kurtz/ und gleichwol
ſind derer wenig die ſolches weißlich gebrauchen und genieſſen. Andeꝛe
ſchwaͤchen ſolches durch eitele Sorge und Gram/ die doch keine Er-
getzligkeit jemaln erfreyet und erluſtiget; ſondern laſſen das/ was ſie
zuſammen erſchunden und erſchabet ihren Erben/ ſo ſie nachgehends
luſtig verpraſſen und verſchlemmen/ und wacker durch die Gurgel
jagen. Der groͤſſeſte Theil der Menſchen/ der ſuchet durch groſſen
Schweiß und Muͤhe die Staffel der Ehren/ von welchen ſie offterma-
lẽ durch Herꝛen Ungunſt und Ungnade/ biß gar zu unterſt geſtoſſẽ uñ
geworffen werden. Alſo dienet und iſt dienſtbaꝛ unterworfen der Lanæ
Caprinæ die gantze weite Welt. Und dieweil ich verſpuͤre/ daß ihr ge-
fallen traget an den Fabeln/ wil ich hier anfuͤhren was ſich neulich bey
der groſſen Hitze in einem Wald nicht weit von dem Avellino bege-
ben und zugetragen. Es erzehlet Mercurius, es ſeyen unlaͤngſten et-
liche Geſandten in den Parnaſſum kommen/ die haͤtten mit groſſer
Beredſamkeit erzehlet den ſehr erbaͤrmlichen Zuſtand des Teuſchlan-
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Caprina. Der eine haͤtte diſcurriret, wie ſo ein groſſer hauffen Men-
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Tugenden und freye Kuͤnſte niedergetruͤcket wuͤrden/ ſo gar daß ſich
auch der Apollo ſelbſten des weinen hieruͤber nit enthalten koͤnnen/
und nachdeme faſt keine Hoffnung einer Beſſerung zu hoffen/ haͤtten
ſie Apollinem mit ſehr demuͤtigen Worten um guten Raht hierin-
nen zu geben und mit zutheilen gebeten/ wie doch allem dieſem Unheil
geſteuret und gewehret werden koͤnte? A pollo (als der dieſer Nation/
wegen Tapferkeit als derer eigentlichen Zierath/ mit welcher ſie die
Liebe zu freyen Kuͤnſten verknuͤpfften/ jederzeit wol geneiget geweſen)
lieſſe alſobalden ſeine Raͤhte beruffen und Raht halten/ da funden ſich
von ſtund an die allerweiſeſten und vernuͤnfftigſten die jemahlen gele-
bet/ und brachten dar allerhand Opinionen und Meinungen/ jeder
nach ſeiner Natur und Zuneigung nach in das Mittel. Unter andern
kamen auch herbey der Heraclitus und der Democritus deren einer
hielte und gab fuͤr/ daß man das menſchliche Elend koͤnte paſſiren uñ
vertreibẽ mit ſtetigẽ Weinẽ; der ander aber; mit im̃er Lachẽ. Juvenalis
aber als er es gehoͤret/ ſchuͤttelte den Kopff; und habe derer Meinung
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