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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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De Lana Caprina.
der Haut bezahlen muß/ lasse ich euch selbst judiciren. Es wehre denn
Sache/ daß ihr sagen woltet/ daß sie die Schaafe nicht schären/ son-
dern gar die Haut abziehen thäten. Was soll ich hier sagen von den
Philosophis, derer so viel Köpffe/ so vielerley Meinung sind. Die
Madephysici disputiren zum öfftersten von der Lana Caprina,
de Ente & non Ente.
Die Logici in deme sie fragen/ ob die Logica
das ist/ die Disputir-Kunst/ seye Ars vel scientia eine Kunst oder
Wissenschafft seye? disputiren De Lana Caprina. Es ist neulicher
Zeit unter den beyden vortreflichen Philosophis, dem Scaliger und
Cardano ein grosser Streit und Zwieträcht entstanden/ wer mehr
Haar in dem Bart hätte/ die Geiß oder der Bock? Zu verwundern ist
es/ wie so trefliche ingenia solchen närrischen Zotten abwarten mö-
gen? Jch für mich wolte eher alles beydes glauben/ als der Geissen
die Haar zehlen. Ein herrliches stattliches Ding ist es umb die Philo-
sophia practica;
dergestalt/ daß ein guter auß den bewehrten Histo-
rien hergenommener und gemachter Rahtschluß mehr vermag und
außrichte/ als bißweilen ein gantzes Kriegsheer/ bevorab wenn eine
Beredsamkeit darzu kömmet. Es ist aber auch hierunter viel von der
Lana Caprina kommen; in dem etliche dafür halten es seye genung/
wenn sie nur schlechter Dinge/ wie die Sache an sich selbst ist/ reden;
theils aber meinen man müsse darbey die zierliche Wohlredenheit
auch in Obacht halten/ woher aber solche zunehmen/ da ist es bey ih-
nen gantz stille/ dergestalt/ daß wir uns über die Lanam Caprinam
umbsonst bemüht befinden. Einer schlägt darzu für das Lexicon
Dasipodii,
ein ander den Calepinum, der dritte ein ander Mittel
darzu zugelangen/ welche außwendig zu lernen weder Zeit noch Ge-
dächtnüsse wir genung hätten/ und wenn dieses schon wäre/ so hatte
man dessen doch keinen Nutzen/ und wäre die Mühe und Arbeit De
Lana Caprina.
Die Philologi, wie geschäfftig die sind mit der La-
na Caprina,
ist abzunehmen/ in deme neulich einer in den Calapi-
num commendiret,
und als er kommen auff das Wort refrige-
rium,
eine Kühlung. Hat er auff den Rand hinzu gesetzt; rectius eine
Ochsen Lung/ und dieses hat mir keiner observiret. Eine trefliche
Arbeit! Und in dem sie so Phantastische und vergebliche Arbeit für-
nehmen und verrichten/ bilden sie sich doch/ weis nicht was ein. Jch
werde berichtet/ daß eben dieser Schulfuchs seinen Witz habe wollen
sehen lassen in Durchhechelung eines Oratorn, Aber man wird nichts
als ein Krieg De Lana Caprina sehen. Und gemahnet mich oder
kompt mir nicht anders für/ als daß es den Criticis (das ist die nur
mit Wort-Gezänck umbgehen/) nicht andersten ergehe als den Kin-
dern/ die alle hübsche Steinlein auff der Gasse zusammen lesen/ und
diese so genau bewahren/ daß einer dem Herculi ehender seine Keule
abnehme/ als denen derer eintziges Steinlein/ nachdem aber solche

erwach-
D d

De Lana Caprina.
der Haut bezahlen muß/ laſſe ich euch ſelbſt judiciren. Es wehre denn
Sache/ daß ihr ſagen woltet/ daß ſie die Schaafe nicht ſchaͤren/ ſon-
dern gar die Haut abziehen thaͤten. Was ſoll ich hier ſagen von den
Philoſophis, derer ſo viel Koͤpffe/ ſo vielerley Meinung ſind. Die
Madephyſici diſputiren zum oͤffterſten von der Lana Caprina,
de Ente & non Ente.
Die Logici in deme ſie fragen/ ob die Logica
das iſt/ die Diſputir-Kunſt/ ſeye Ars vel ſcientia eine Kunſt oder
Wiſſenſchafft ſeye? diſputiren De Lana Caprina. Es iſt neulicher
Zeit unter den beyden vortreflichen Philoſophis, dem Scaliger und
Cardano ein groſſer Streit und Zwietraͤcht entſtanden/ wer mehr
Haar in dem Bart haͤtte/ die Geiß oder der Bock? Zu verwundern iſt
es/ wie ſo trefliche ingenia ſolchen naͤrꝛiſchen Zotten abwarten moͤ-
gen? Jch fuͤr mich wolte eher alles beydes glauben/ als der Geiſſen
die Haar zehlen. Ein herꝛliches ſtattliches Ding iſt es umb die Philo-
ſophia practica;
dergeſtalt/ daß ein guter auß den bewehrten Hiſto-
rien hergenommener und gemachter Rahtſchluß mehr vermag und
außrichte/ als bißweilen ein gantzes Kriegsheer/ bevorab wenn eine
Beredſamkeit darzu koͤmmet. Es iſt aber auch hierunter viel von der
Lana Caprina kommen; in dem etliche dafuͤr halten es ſeye genung/
wenn ſie nur ſchlechter Dinge/ wie die Sache an ſich ſelbſt iſt/ reden;
theils aber meinen man muͤſſe darbey die zierliche Wohlredenheit
auch in Obacht halten/ woher aber ſolche zunehmen/ da iſt es bey ih-
nen gantz ſtille/ dergeſtalt/ daß wir uns uͤber die Lanam Caprinam
umbſonſt bemuͤht befinden. Einer ſchlaͤgt darzu fuͤr das Lexicon
Daſipodii,
ein ander den Calepinum, der dritte ein ander Mittel
darzu zugelangen/ welche außwendig zu lernen weder Zeit noch Ge-
daͤchtnuͤſſe wir genung haͤtten/ und wenn dieſes ſchon waͤre/ ſo hatte
man deſſen doch keinen Nutzen/ und waͤre die Muͤhe und Arbeit De
Lana Caprina.
Die Philologi, wie geſchaͤfftig die ſind mit der La-
na Caprina,
iſt abzunehmen/ in deme neulich einer in den Calapi-
num commendiret,
und als er kommen auff das Wort refrige-
rium,
eine Kuͤhlung. Hat er auff den Rand hinzu geſetzt; rectius eine
Ochſen Lung/ und dieſes hat mir keiner obſerviret. Eine trefliche
Arbeit! Und in dem ſie ſo Phantaſtiſche und vergebliche Arbeit fuͤr-
nehmen und verrichten/ bilden ſie ſich doch/ weis nicht was ein. Jch
werde berichtet/ daß eben dieſer Schulfuchs ſeinen Witz habe wollen
ſehen laſſen in Durchhechelung eines Oratorn, Aber man wird nichts
als ein Krieg De Lana Caprina ſehen. Und gemahnet mich oder
kompt mir nicht anders fuͤr/ als daß es den Criticis (das iſt die nur
mit Wort-Gezaͤnck umbgehen/) nicht anderſten ergehe als den Kin-
dern/ die alle huͤbſche Steinlein auff der Gaſſe zuſammen leſen/ und
dieſe ſo genau bewahren/ daß einer dem Herculi ehender ſeine Keule
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[417/0459] De Lana Caprina. der Haut bezahlen muß/ laſſe ich euch ſelbſt judiciren. Es wehre denn Sache/ daß ihr ſagen woltet/ daß ſie die Schaafe nicht ſchaͤren/ ſon- dern gar die Haut abziehen thaͤten. Was ſoll ich hier ſagen von den Philoſophis, derer ſo viel Koͤpffe/ ſo vielerley Meinung ſind. Die Madephyſici diſputiren zum oͤffterſten von der Lana Caprina, de Ente & non Ente. Die Logici in deme ſie fragen/ ob die Logica das iſt/ die Diſputir-Kunſt/ ſeye Ars vel ſcientia eine Kunſt oder Wiſſenſchafft ſeye? diſputiren De Lana Caprina. Es iſt neulicher Zeit unter den beyden vortreflichen Philoſophis, dem Scaliger und Cardano ein groſſer Streit und Zwietraͤcht entſtanden/ wer mehr Haar in dem Bart haͤtte/ die Geiß oder der Bock? Zu verwundern iſt es/ wie ſo trefliche ingenia ſolchen naͤrꝛiſchen Zotten abwarten moͤ- gen? Jch fuͤr mich wolte eher alles beydes glauben/ als der Geiſſen die Haar zehlen. Ein herꝛliches ſtattliches Ding iſt es umb die Philo- ſophia practica; dergeſtalt/ daß ein guter auß den bewehrten Hiſto- rien hergenommener und gemachter Rahtſchluß mehr vermag und außrichte/ als bißweilen ein gantzes Kriegsheer/ bevorab wenn eine Beredſamkeit darzu koͤmmet. Es iſt aber auch hierunter viel von der Lana Caprina kommen; in dem etliche dafuͤr halten es ſeye genung/ wenn ſie nur ſchlechter Dinge/ wie die Sache an ſich ſelbſt iſt/ reden; theils aber meinen man muͤſſe darbey die zierliche Wohlredenheit auch in Obacht halten/ woher aber ſolche zunehmen/ da iſt es bey ih- nen gantz ſtille/ dergeſtalt/ daß wir uns uͤber die Lanam Caprinam umbſonſt bemuͤht befinden. Einer ſchlaͤgt darzu fuͤr das Lexicon Daſipodii, ein ander den Calepinum, der dritte ein ander Mittel darzu zugelangen/ welche außwendig zu lernen weder Zeit noch Ge- daͤchtnuͤſſe wir genung haͤtten/ und wenn dieſes ſchon waͤre/ ſo hatte man deſſen doch keinen Nutzen/ und waͤre die Muͤhe und Arbeit De Lana Caprina. Die Philologi, wie geſchaͤfftig die ſind mit der La- na Caprina, iſt abzunehmen/ in deme neulich einer in den Calapi- num commendiret, und als er kommen auff das Wort refrige- rium, eine Kuͤhlung. Hat er auff den Rand hinzu geſetzt; rectius eine Ochſen Lung/ und dieſes hat mir keiner obſerviret. Eine trefliche Arbeit! Und in dem ſie ſo Phantaſtiſche und vergebliche Arbeit fuͤr- nehmen und verrichten/ bilden ſie ſich doch/ weis nicht was ein. Jch werde berichtet/ daß eben dieſer Schulfuchs ſeinen Witz habe wollen ſehen laſſen in Durchhechelung eines Oratorn, Aber man wird nichts als ein Krieg De Lana Caprina ſehen. Und gemahnet mich oder kompt mir nicht anders fuͤr/ als daß es den Criticis (das iſt die nur mit Wort-Gezaͤnck umbgehen/) nicht anderſten ergehe als den Kin- dern/ die alle huͤbſche Steinlein auff der Gaſſe zuſammen leſen/ und dieſe ſo genau bewahren/ daß einer dem Herculi ehender ſeine Keule abnehme/ als denen derer eintziges Steinlein/ nachdem aber ſolche erwach- D d

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/459>, abgerufen am 22.11.2024.