Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Freund in der Noht. nen ihre Gebrechen offenbaren. David hielte den Nathan in hohenEhren/ der ihm durch eine höfliche Rede zuverstehen gab/ daß er ein Mörder und Ehebrecher sey. Käyser Theodosius/ liebte und ehrte den Bischoff Ambrostum/ der ihn nicht allein in offentlichen Pre- digten schalt und straffte/ sondern ihn auch einsmals in den Bann that. Der Samariter meynte es mit dem/ der unter die Mörder gefal- len war/ als ein Freund. Aber/ er goß ihm in die Wunden nicht nur Oel/ sondern auch Wein. Wein ist scharff/ und beist. Das Oel aber ist gelinde. Also muß ein Freund dem andern unterweilens scharff zu- reden/ und straffen/ aber er muß den Wein allezeit mit Oel/ das ist/ Schärffe und Gelindigkeit vermischen Mancher meynet/ diejenige/ bey welchen er sein Geld verzehret/ seyen seine beste Freunde. Dann er werde in ihrem Hauß besser tractiret und accomodirt, als in sei- ner leiblichen Eltern. Allein gedencke/ wie es dem verlohrnen Sohn ergangen? So lang der noch Geld hatte/ wurde er von jederman ge- ehret/ und respectiret. Da aber das Geld verzehret war/ da jagten ihn seine Sauffbrüder auß dem Hauß hinauß/ und hatten nicht so viel Mitleiden mit ihm/ daß sie ihm ein wenig Treber hätten zu fressen geben/ und seinen hungerigen Magen damit gefüllet hätten. Jch er- innere mich jetzo eines vornehmen vom Adel/ der war ein N. vom Geschlecht/ und weil er der letzte von seiner familia war/ und keine Kinder hatte/ lebte er alle Tage/ wie der reiche Mann/ und dachte/ sein Gut könte vor dem Jüngsten Tag nicht verzehret werden. Er hielte demnach täglich gleichsam einen offenen Hof/ machte mit jederman Freundschafft und Brüderschafft. Endlich gerieth er in Armuht. Da hatte er sich einsmals beklagt/ daß hiebevor/ da seine Bräter am Feuer allezeit gerasselt/ und sein Keller/ seine Küch und Speicher voll gewe- sen seye/ da seyen viel Grafen und Herren/ viel vornehme vom Adel/ zu ihm kommen/ und haben gesagt: Bruder N. ich hab nicht unterlas- sen können/ wiewol ich sonsten zu eilen hab/ bey dir einzusprechen/ und zu vernehmen/ ob du dich mit deiner Liebsten noch wol befindest? Al- lein/ sagt er/ nach dem ich so viel tausend Reichsthaler/ und so viel Fuder Wein/ ihnen durch die Hälse gejaget hatte/ da hieß es nicht mehr/ Bruder N. sondern/ wann mich einer von weitem/ in seinem Hause durch das Fenster sahe/ schlug er das Fenster zu/ und sagte zu seinen Knechten: Da kommet der alte Schmarotzer N. wann er nach mir fragt/ so sprecht/ ich sey nicht zu Hause. Jch bin mit einem Ca- vallier bekandt gewesen/ welcher eine Vestung auffgegeben hatte/ und so bald er bey der Generalität ankame/ des Morgens für Kriegs-Recht kommmen/ und sterben solt. Es lieff allerhand Mißgunst mit unter/ geschahe dem ehrlichen Cavallrer Unrecht. Es war aber noch nit Tag/ da kam seine Liebste/ und bat mich/ daß ich bey der Generalität eine Supplicat, in jren Namen eingeben/ und dz beste für ihren P iiij
Freund in der Noht. nen ihre Gebrechen offenbaren. David hielte den Nathan in hohenEhren/ der ihm durch eine hoͤfliche Rede zuverſtehen gab/ daß er ein Moͤrder und Ehebrecher ſey. Kaͤyſer Theodoſius/ liebte und ehrte den Biſchoff Ambroſtum/ der ihn nicht allein in offentlichen Pre- digten ſchalt und ſtraffte/ ſondern ihn auch einsmals in den Bann that. Der Samariter meynte es mit dem/ der unter die Moͤrder gefal- len war/ als ein Freund. Aber/ er goß ihm in die Wunden nicht nur Oel/ ſondern auch Wein. Wein iſt ſcharff/ und beiſt. Das Oel aber iſt gelinde. Alſo muß ein Freund dem andern unterweilens ſcharff zu- reden/ und ſtraffen/ aber er muß den Wein allezeit mit Oel/ das iſt/ Schaͤrffe und Gelindigkeit vermiſchen Mancher meynet/ diejenige/ bey welchen er ſein Geld verzehret/ ſeyen ſeine beſte Freunde. Dann er werde in ihrem Hauß beſſer tractiret und accomodirt, als in ſei- ner leiblichen Eltern. Allein gedencke/ wie es dem verlohrnen Sohn ergangen? So lang der noch Geld hatte/ wurde er von jederman ge- ehret/ und reſpectiret. Da aber das Geld verzehret war/ da jagten ihn ſeine Sauffbruͤder auß dem Hauß hinauß/ und hatten nicht ſo viel Mitleiden mit ihm/ daß ſie ihm ein wenig Treber haͤtten zu freſſen geben/ und ſeinen hungerigen Magen damit gefuͤllet haͤtten. Jch er- innere mich jetzo eines vornehmen vom Adel/ der war ein N. vom Geſchlecht/ und weil er der letzte von ſeiner familia war/ und keine Kinder hatte/ lebte er alle Tage/ wie der reiche Mann/ und dachte/ ſein Gut koͤnte vor dem Juͤngſten Tag nicht verzehret werden. Er hielte demnach taͤglich gleichſam einen offenen Hof/ machte mit jederman Freundſchafft und Bruͤderſchafft. Endlich gerieth er in Armuht. Da hatte er ſich einsmals beklagt/ daß hiebevor/ da ſeine Braͤter am Feuer allezeit geraſſelt/ und ſein Keller/ ſeine Kuͤch und Speicher voll gewe- ſen ſeye/ da ſeyen viel Grafen und Herren/ viel vornehme vom Adel/ zu ihm kommen/ und haben geſagt: Bruder N. ich hab nicht unterlaſ- ſen koͤnnen/ wiewol ich ſonſten zu eilen hab/ bey dir einzuſprechen/ und zu vernehmen/ ob du dich mit deiner Liebſten noch wol befindeſt? Al- lein/ ſagt er/ nach dem ich ſo viel tauſend Reichsthaler/ und ſo viel Fuder Wein/ ihnen durch die Haͤlſe gejaget hatte/ da hieß es nicht mehr/ Bruder N. ſondern/ wann mich einer von weitem/ in ſeinem Hauſe durch das Fenſter ſahe/ ſchlug er das Fenſter zu/ und ſagte zu ſeinen Knechten: Da kommet der alte Schmarotzer N. wann er nach mir fragt/ ſo ſprecht/ ich ſey nicht zu Hauſe. Jch bin mit einem Ca- vallier bekandt geweſen/ welcher eine Veſtung auffgegeben hatte/ und ſo bald er bey der Generalitaͤt ankame/ des Morgens fuͤr Kriegs-Recht kommmen/ und ſterben ſolt. Es lieff allerhand Mißgunſt mit unter/ geſchahe dem ehrlichen Cavallrer Unrecht. Es waꝛ aber noch nit Tag/ da kam ſeine Liebſte/ uñ bat mich/ daß ich bey der Generalitaͤt eine Supplicat, in jrẽ Namẽ eingebẽ/ uñ dz beſte fuͤr ihren P iiij
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Freund in der Noht.
nen ihre Gebrechen offenbaren. David hielte den Nathan in hohen
Ehren/ der ihm durch eine hoͤfliche Rede zuverſtehen gab/ daß er ein
Moͤrder und Ehebrecher ſey. Kaͤyſer Theodoſius/ liebte und ehrte
den Biſchoff Ambroſtum/ der ihn nicht allein in offentlichen Pre-
digten ſchalt und ſtraffte/ ſondern ihn auch einsmals in den Bann
that. Der Samariter meynte es mit dem/ der unter die Moͤrder gefal-
len war/ als ein Freund. Aber/ er goß ihm in die Wunden nicht nur
Oel/ ſondern auch Wein. Wein iſt ſcharff/ und beiſt. Das Oel aber
iſt gelinde. Alſo muß ein Freund dem andern unterweilens ſcharff zu-
reden/ und ſtraffen/ aber er muß den Wein allezeit mit Oel/ das iſt/
Schaͤrffe und Gelindigkeit vermiſchen Mancher meynet/ diejenige/
bey welchen er ſein Geld verzehret/ ſeyen ſeine beſte Freunde. Dann er
werde in ihrem Hauß beſſer tractiret und accomodirt, als in ſei-
ner leiblichen Eltern. Allein gedencke/ wie es dem verlohrnen Sohn
ergangen? So lang der noch Geld hatte/ wurde er von jederman ge-
ehret/ und reſpectiret. Da aber das Geld verzehret war/ da jagten
ihn ſeine Sauffbruͤder auß dem Hauß hinauß/ und hatten nicht ſo
viel Mitleiden mit ihm/ daß ſie ihm ein wenig Treber haͤtten zu freſſen
geben/ und ſeinen hungerigen Magen damit gefuͤllet haͤtten. Jch er-
innere mich jetzo eines vornehmen vom Adel/ der war ein N. vom
Geſchlecht/ und weil er der letzte von ſeiner familia war/ und keine
Kinder hatte/ lebte er alle Tage/ wie der reiche Mann/ und dachte/ ſein
Gut koͤnte vor dem Juͤngſten Tag nicht verzehret werden. Er hielte
demnach taͤglich gleichſam einen offenen Hof/ machte mit jederman
Freundſchafft und Bruͤderſchafft. Endlich gerieth er in Armuht. Da
hatte er ſich einsmals beklagt/ daß hiebevor/ da ſeine Braͤter am Feuer
allezeit geraſſelt/ und ſein Keller/ ſeine Kuͤch und Speicher voll gewe-
ſen ſeye/ da ſeyen viel Grafen und Herren/ viel vornehme vom Adel/
zu ihm kommen/ und haben geſagt: Bruder N. ich hab nicht unterlaſ-
ſen koͤnnen/ wiewol ich ſonſten zu eilen hab/ bey dir einzuſprechen/ und
zu vernehmen/ ob du dich mit deiner Liebſten noch wol befindeſt? Al-
lein/ ſagt er/ nach dem ich ſo viel tauſend Reichsthaler/ und ſo viel
Fuder Wein/ ihnen durch die Haͤlſe gejaget hatte/ da hieß es nicht
mehr/ Bruder N. ſondern/ wann mich einer von weitem/ in ſeinem
Hauſe durch das Fenſter ſahe/ ſchlug er das Fenſter zu/ und ſagte zu
ſeinen Knechten: Da kommet der alte Schmarotzer N. wann er nach
mir fragt/ ſo ſprecht/ ich ſey nicht zu Hauſe. Jch bin mit einem Ca-
vallier bekandt geweſen/ welcher eine Veſtung auffgegeben hatte/
und ſo bald er bey der Generalitaͤt ankame/ des Morgens fuͤr
Kriegs-Recht kommmen/ und ſterben ſolt. Es lieff allerhand
Mißgunſt mit unter/ geſchahe dem ehrlichen Cavallrer Unrecht.
Es waꝛ aber noch nit Tag/ da kam ſeine Liebſte/ uñ bat mich/ daß ich bey
der Generalitaͤt eine Supplicat, in jrẽ Namẽ eingebẽ/ uñ dz beſte fuͤr
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/273>, abgerufen am 16.02.2025. |