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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Freund in der Noth.
kratzen. Sie loben alles/ und geben gute Worte/ wan sie bey einem
sind/ aber sie schelten alles/ wann sie von einem kommen. Jener sagte:
Wer mich lobt in praesenz, und schilt mich in absenz, den erwürg die
Pestilentz. Dieses begehr ich nicht zu sagen/ oder zu wünschen. Dann/
wann alle die falschen Leute/ welche mir in Gegenwart die allerbesten
Worte geben/ und in Abwesenheit alles schelten und reformiren,
solte die Pestilentz anstossen/ so würde an manchem Ort die Pestilentz
sehr grassiren. Solche falsche Leute waren die Phariseer. Die sandten
zu Christo/ Matth. am 22. Cap. und liessen ihm sagen: Meister/
wir wissen/ daß du warhafftig bist/ und lehrest den Weg
Gottes recht/ und du fragest nach niemand. Denn du
achtest nicht das Ansehen der Menschen. Sage uns/
was düncket dich/ ist es recht/ daß man dem Käyser Zinß
gebe oder nicht?
Das waren glatte und geschmückte Wort.
Mancher hätte gemeinet/ Christus habe keine bessere Freund zu Je-
rusalem/ als die Phariseer. Dann sie thun ihm ja alle Ehr an. Aber/
es war lauter Falschheit und Betrug. Darum nennet sie Christus in
nachfolgendem Capitel Heuchler/ und schrie achtmal nacheinander
das Weh über sie. Wer ein treuer Freund ist/ der sagt seinem Freund
in Gegenwart/ was ihm nicht wol anstehet/ und redet dagegen in An-
wesenheit/ und hinter seinem Rücken/ alles gutes von ihm. Also macht
es Christus der HErr. Der hatte die Juden lieb/ und meynte es/ als
ein treuer Freund/ mit ihnen. Wann er nun bey ihnen war/ so nahm
er kein Blat fürs Maul/ sondern sagte ihnen/ was ihnen zu sagen
war. Er stellete ihnen ihre Untugend vor Augen. Er schalt sie Teuf-
fels-Kinder/ Joh. 8. und sagte: Jhr seyd von dem Vater dem Teufel/
und nach eures Vaters Lust wollet ihr thun! Wann Er aber von ih-
nen war/ und bey den Heyden von den Juden redete gar honorifice
und wol von ihnen. Da Er/ Marc. am 7. Cap. mit einem Griechischen
Weib redete/ deren Tochter vom Teufel besessen war/ da redete Er
von den Juden gar ehrerbietig. Er nennete seine Kinder/ und sagte:
Last zuvor die Kinder satt werden. Es ist nicht fein/ daß
man der Kinder Brod nehme/ und werffe es vor die Hun-
de.
Mancher meinet/ der sey sein Freund/ der ihm nach dem Munde
redet/ und alles/ was er thut/ lobet. Allein/ es ist offt weit gefehlet. Esa.
am 3. Cap. sagt Gott: Mein Volck/ deine Tröster/ (das ist/
die jenige/ die dir nach dem Munde reden/ und sagen/
was du gerne hörest) die verführen dich/ und zerstören
den Weg/ da du gehen solt.
David sagt im 141. Psalm: Der
Gerechte schlage mich freundlich/ und straffe mich/ das
wird mir so wol thun/ als ein Balsam auf meinen Haupt.

Verständige Lente halten die jenige für ihre besten Freunde/ welche ih-

nen

Freund in der Noth.
kratzen. Sie loben alles/ und geben gute Worte/ wan ſie bey einem
ſind/ aber ſie ſchelten alles/ wann ſie von einem kommen. Jener ſagte:
Wer mich lobt in præſenz, und ſchilt mich in abſenz, den erwuͤrg die
Peſtilentz. Dieſes begehr ich nicht zu ſagen/ oder zu wuͤnſchen. Dann/
wann alle die falſchen Leute/ welche mir in Gegenwart die allerbeſten
Worte geben/ und in Abweſenheit alles ſchelten und reformiren,
ſolte die Peſtilentz anſtoſſen/ ſo wuͤrde an manchem Ort die Peſtilentz
ſehr graſſiren. Solche falſche Leute waren die Phariſeer. Die ſandten
zu Chriſto/ Matth. am 22. Cap. und lieſſen ihm ſagen: Meiſter/
wir wiſſen/ daß du warhafftig biſt/ und lehreſt den Weg
Gottes recht/ und du frageſt nach niemand. Denn du
achteſt nicht das Anſehen der Menſchen. Sage uns/
was duͤncket dich/ iſt es recht/ daß man dem Kaͤyſer Zinß
gebe oder nicht?
Das waren glatte und geſchmuͤckte Wort.
Mancher haͤtte gemeinet/ Chriſtus habe keine beſſere Freund zu Je-
ruſalem/ als die Phariſeer. Dann ſie thun ihm ja alle Ehr an. Aber/
es war lauter Falſchheit und Betrug. Darum nennet ſie Chriſtus in
nachfolgendem Capitel Heuchler/ und ſchrie achtmal nacheinander
das Weh uͤber ſie. Wer ein treuer Freund iſt/ der ſagt ſeinem Freund
in Gegenwart/ was ihm nicht wol anſtehet/ und redet dagegen in An-
weſenheit/ und hinter ſeinem Ruͤcken/ alles gutes von ihm. Alſo macht
es Chriſtus der HErr. Der hatte die Juden lieb/ und meynte es/ als
ein treuer Freund/ mit ihnen. Wann er nun bey ihnen war/ ſo nahm
er kein Blat fuͤrs Maul/ ſondern ſagte ihnen/ was ihnen zu ſagen
war. Er ſtellete ihnen ihre Untugend vor Augen. Er ſchalt ſie Teuf-
fels-Kinder/ Joh. 8. und ſagte: Jhr ſeyd von dem Vater dem Teufel/
und nach eures Vaters Luſt wollet ihr thun! Wann Er aber von ih-
nen war/ und bey den Heyden von den Juden redete gar honorificè
und wol von ihnen. Da Er/ Marc. am 7. Cap. mit einem Griechiſchẽ
Weib redete/ deren Tochter vom Teufel beſeſſen war/ da redete Er
von den Juden gar ehrerbietig. Er nennete ſeine Kinder/ und ſagte:
Laſt zuvor die Kinder ſatt werden. Es iſt nicht fein/ daß
man der Kinder Brod nehme/ und werffe es vor die Hun-
de.
Mancher meinet/ der ſey ſein Freund/ der ihm nach dem Munde
redet/ und alles/ was er thut/ lobet. Allein/ es iſt offt weit gefehlet. Eſa.
am 3. Cap. ſagt Gott: Mein Volck/ deine Troͤſter/ (das iſt/
die jenige/ die dir nach dem Munde reden/ und ſagen/
was du gerne hoͤreſt) die verfuͤhren dich/ und zerſtoͤren
den Weg/ da du gehen ſolt.
David ſagt im 141. Pſalm: Der
Gerechte ſchlage mich freundlich/ und ſtraffe mich/ das
wird mir ſo wol thun/ als ein Balſam auf meinẽ Haupt.

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[230/0272] Freund in der Noth. kratzen. Sie loben alles/ und geben gute Worte/ wan ſie bey einem ſind/ aber ſie ſchelten alles/ wann ſie von einem kommen. Jener ſagte: Wer mich lobt in præſenz, und ſchilt mich in abſenz, den erwuͤrg die Peſtilentz. Dieſes begehr ich nicht zu ſagen/ oder zu wuͤnſchen. Dann/ wann alle die falſchen Leute/ welche mir in Gegenwart die allerbeſten Worte geben/ und in Abweſenheit alles ſchelten und reformiren, ſolte die Peſtilentz anſtoſſen/ ſo wuͤrde an manchem Ort die Peſtilentz ſehr graſſiren. Solche falſche Leute waren die Phariſeer. Die ſandten zu Chriſto/ Matth. am 22. Cap. und lieſſen ihm ſagen: Meiſter/ wir wiſſen/ daß du warhafftig biſt/ und lehreſt den Weg Gottes recht/ und du frageſt nach niemand. Denn du achteſt nicht das Anſehen der Menſchen. Sage uns/ was duͤncket dich/ iſt es recht/ daß man dem Kaͤyſer Zinß gebe oder nicht? Das waren glatte und geſchmuͤckte Wort. Mancher haͤtte gemeinet/ Chriſtus habe keine beſſere Freund zu Je- ruſalem/ als die Phariſeer. Dann ſie thun ihm ja alle Ehr an. Aber/ es war lauter Falſchheit und Betrug. Darum nennet ſie Chriſtus in nachfolgendem Capitel Heuchler/ und ſchrie achtmal nacheinander das Weh uͤber ſie. Wer ein treuer Freund iſt/ der ſagt ſeinem Freund in Gegenwart/ was ihm nicht wol anſtehet/ und redet dagegen in An- weſenheit/ und hinter ſeinem Ruͤcken/ alles gutes von ihm. Alſo macht es Chriſtus der HErr. Der hatte die Juden lieb/ und meynte es/ als ein treuer Freund/ mit ihnen. Wann er nun bey ihnen war/ ſo nahm er kein Blat fuͤrs Maul/ ſondern ſagte ihnen/ was ihnen zu ſagen war. Er ſtellete ihnen ihre Untugend vor Augen. Er ſchalt ſie Teuf- fels-Kinder/ Joh. 8. und ſagte: Jhr ſeyd von dem Vater dem Teufel/ und nach eures Vaters Luſt wollet ihr thun! Wann Er aber von ih- nen war/ und bey den Heyden von den Juden redete gar honorificè und wol von ihnen. Da Er/ Marc. am 7. Cap. mit einem Griechiſchẽ Weib redete/ deren Tochter vom Teufel beſeſſen war/ da redete Er von den Juden gar ehrerbietig. Er nennete ſeine Kinder/ und ſagte: Laſt zuvor die Kinder ſatt werden. Es iſt nicht fein/ daß man der Kinder Brod nehme/ und werffe es vor die Hun- de. Mancher meinet/ der ſey ſein Freund/ der ihm nach dem Munde redet/ und alles/ was er thut/ lobet. Allein/ es iſt offt weit gefehlet. Eſa. am 3. Cap. ſagt Gott: Mein Volck/ deine Troͤſter/ (das iſt/ die jenige/ die dir nach dem Munde reden/ und ſagen/ was du gerne hoͤreſt) die verfuͤhren dich/ und zerſtoͤren den Weg/ da du gehen ſolt. David ſagt im 141. Pſalm: Der Gerechte ſchlage mich freundlich/ und ſtraffe mich/ das wird mir ſo wol thun/ als ein Balſam auf meinẽ Haupt. Verſtaͤndige Lente halten die jenige fuͤr ihre beſten Freunde/ welche ih- nen

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/272>, abgerufen am 22.11.2024.