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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Freund in der Noht.
können Beförderung finden. Allein/ weil er sie mit aller
Gewalt wolte neben sich haben/ lude er ihm und den sei-
nigen grosse Mißgunst auff den Hals. Jch halte dafür/
daß es besser sey/ daß man einen Freund an diesen/ den
andern an jenen Ort befördere. Ursachen will ich euch
hinfüro sagen.
Als ich noch ein junger Student zu Marpurg war/
war daselst ein armer Mensch/ welcher in Verwirrung des Haupts
gerahten war/ und der dolle Johannes genannt wurde. Er redete gut
Latein/ und war in Historien ziemlich belesen. Und unterweilens rede-
te er ziemlich vernünfftig. Dieser hatte einen Hund/ den nennet er
Vulgus. Jch fragte ihn einsmals/ warum er den Hund Vulgus
nenne? Da fieng er an zu lachen/ und sagte: Vulgus amicitias utili-
tate probat.
Wann ich meinem Hund zu fressen gebe/ so ist er mein
guter Freund/ und convoirt mich/ wo ich hingehe. Wann ich aber
selbst nichts zu fressen hab/ so hat die Freundschafft zwischen mir und
meinem Hunde ein Ende. Weil du ja in die Welt gehen wilst/ so gehe
jederman mit Freundlichkeit und Höfligkeit unter Augen. Aber halte
keinen für deinen Freund/ du habest ihn dann in der Noht probirt.
Verlaß dich auch nicht auff vornehme Leut/ auff Könige/ Fürsten/ und
andere grosse Heren. Dann sie sind Menschen. Und alle Menschen
sind Lügner.
Wann dir ein grosser Herr etwas zusagt/ so halt es
für gnädige complementen, und dencke/ daß von diesen Worten/
biß zu den Wercken noch ein weiter Weg sey. Man sagt/ es sey einsmals
ein guter Kärl/ mit Namen Nathanael. bey Hoff gewesen/ und habe
seinem Herrn treulich gedient. Der Herr hab ihm nichts gegeben/ son-
dern habe ihn immer mit höflichen complementen abgespeiset/ und
gesagt: Wir bleiben euch allezeit in Gnaden wol gewogen.
Da hab er seine Katze in einen Kasten geschlossen/ und ihr
nichts zu fressen gegeben. Die Katze hab im Kasten keine Mäuse fan-
gen können. Hätte gern ein stück Speck haben mögen/ hab sich dem-
nach mit ihrem Miau/ hören lassen/ und ihren Hunger zuverstehen
gegeben/ Nathanael aber hab ihr immer zugeruffen: Kätzlein/
gib dich zufrieden: Mein gnädigster Herr ist mir in
Gnaden wol gewogen.
Endlich sey die Katz Hungers gestorben.
Nathanael seye kurtz hernach wieder zu seinem Herrn kommen/ hab
ihm etwas gebracht/ welches er gemacht/ damit sich der Herr sehr be-
lustiget/ und gesagt hab: Nun/ wir bleiben euch in Gnaden
wol gewogen. Nathanael
hab geantwortet: Ja/ ja/ gnädigster
Herr/ von diesen Worten/ und von Hunger/ ist meine Katze gestor-
ben. Mancher meynet/ die seyen seine besten Freunde welche ihn in
Gegenwart loben/ und ihm die allerbeste Worte geben. Aber solche
Leute/ machen es offt wie die Katzen/ welche vornen lecken/ und hinden

kratzen.
P iij

Freund in der Noht.
koͤnnen Befoͤrderung finden. Allein/ weil er ſie mit aller
Gewalt wolte neben ſich haben/ lude er ihm uñ den ſei-
nigen groſſe Mißgunſt auff den Hals. Jch halte dafuͤr/
daß es beſſer ſey/ daß man einen Freund an dieſen/ den
andern an jenen Ort befoͤrdere. Urſachen will ich euch
hinfuͤro ſagen.
Als ich noch ein junger Student zu Marpurg war/
war daſelſt ein armer Menſch/ welcher in Verwirrung des Haupts
gerahten war/ und der dolle Johannes genannt wurde. Er redete gut
Latein/ und war in Hiſtorien ziemlich beleſen. Und unterweilens rede-
te er ziemlich vernuͤnfftig. Dieſer hatte einen Hund/ den nennet er
Vulgus. Jch fragte ihn einsmals/ warum er den Hund Vulgus
nenne? Da fieng er an zu lachen/ und ſagte: Vulgus amicitias utili-
tate probat.
Wann ich meinem Hund zu freſſen gebe/ ſo iſt er mein
guter Freund/ und convoirt mich/ wo ich hingehe. Wann ich aber
ſelbſt nichts zu freſſen hab/ ſo hat die Freundſchafft zwiſchen mir und
meinem Hunde ein Ende. Weil du ja in die Welt gehen wilſt/ ſo gehe
jederman mit Freundlichkeit und Hoͤfligkeit unter Augen. Aber halte
keinen fuͤr deinen Freund/ du habeſt ihn dann in der Noht probirt.
Verlaß dich auch nicht auff vornehme Leut/ auff Koͤnige/ Fuͤrſten/ und
andere groſſe Heren. Dann ſie ſind Menſchen. Und alle Menſchen
ſind Luͤgner.
Wann dir ein groſſer Herr etwas zuſagt/ ſo halt es
fuͤr gnaͤdige complementen, und dencke/ daß von dieſen Worten/
biß zu dẽ Wercken noch ein weiter Weg ſey. Man ſagt/ es ſey einsmals
ein guter Kaͤrl/ mit Namen Nathanael. bey Hoff geweſen/ und habe
ſeinem Herrn treulich gedient. Der Herr hab ihm nichts gegeben/ ſon-
dern habe ihn immer mit hoͤflichen complementen abgeſpeiſet/ und
geſagt: Wir bleiben euch allezeit in Gnaden wol gewogẽ.
Da hab er ſeine Katze in einen Kaſten geſchloſſen/ und ihr
nichts zu freſſen gegeben. Die Katze hab im Kaſten keine Maͤuſe fan-
gen koͤnnen. Haͤtte gern ein ſtuͤck Speck haben moͤgen/ hab ſich dem-
nach mit ihrem Miau/ hoͤren laſſen/ und ihren Hunger zuverſtehen
gegeben/ Nathanael aber hab ihr immer zugeruffen: Kaͤtzlein/
gib dich zufrieden: Mein gnaͤdigſter Herr iſt mir in
Gnaden wol gewogen.
Endlich ſey die Katz Hungers geſtorben.
Nathanael ſeye kurtz hernach wieder zu ſeinem Herrn kommen/ hab
ihm etwas gebracht/ welches er gemacht/ damit ſich der Herr ſehr be-
luſtiget/ und geſagt hab: Nun/ wir bleiben euch in Gnaden
wol gewogen. Nathanael
hab geantwortet: Ja/ ja/ gnaͤdigſter
Herr/ von dieſen Worten/ und von Hunger/ iſt meine Katze geſtor-
ben. Mancher meynet/ die ſeyen ſeine beſten Freunde welche ihn in
Gegenwart loben/ und ihm die allerbeſte Worte geben. Aber ſolche
Leute/ machen es offt wie die Katzen/ welche vornen lecken/ und hinden

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[229/0271] Freund in der Noht. koͤnnen Befoͤrderung finden. Allein/ weil er ſie mit aller Gewalt wolte neben ſich haben/ lude er ihm uñ den ſei- nigen groſſe Mißgunſt auff den Hals. Jch halte dafuͤr/ daß es beſſer ſey/ daß man einen Freund an dieſen/ den andern an jenen Ort befoͤrdere. Urſachen will ich euch hinfuͤro ſagen. Als ich noch ein junger Student zu Marpurg war/ war daſelſt ein armer Menſch/ welcher in Verwirrung des Haupts gerahten war/ und der dolle Johannes genannt wurde. Er redete gut Latein/ und war in Hiſtorien ziemlich beleſen. Und unterweilens rede- te er ziemlich vernuͤnfftig. Dieſer hatte einen Hund/ den nennet er Vulgus. Jch fragte ihn einsmals/ warum er den Hund Vulgus nenne? Da fieng er an zu lachen/ und ſagte: Vulgus amicitias utili- tate probat. Wann ich meinem Hund zu freſſen gebe/ ſo iſt er mein guter Freund/ und convoirt mich/ wo ich hingehe. Wann ich aber ſelbſt nichts zu freſſen hab/ ſo hat die Freundſchafft zwiſchen mir und meinem Hunde ein Ende. Weil du ja in die Welt gehen wilſt/ ſo gehe jederman mit Freundlichkeit und Hoͤfligkeit unter Augen. Aber halte keinen fuͤr deinen Freund/ du habeſt ihn dann in der Noht probirt. Verlaß dich auch nicht auff vornehme Leut/ auff Koͤnige/ Fuͤrſten/ und andere groſſe Heren. Dann ſie ſind Menſchen. Und alle Menſchen ſind Luͤgner. Wann dir ein groſſer Herr etwas zuſagt/ ſo halt es fuͤr gnaͤdige complementen, und dencke/ daß von dieſen Worten/ biß zu dẽ Wercken noch ein weiter Weg ſey. Man ſagt/ es ſey einsmals ein guter Kaͤrl/ mit Namen Nathanael. bey Hoff geweſen/ und habe ſeinem Herrn treulich gedient. Der Herr hab ihm nichts gegeben/ ſon- dern habe ihn immer mit hoͤflichen complementen abgeſpeiſet/ und geſagt: Wir bleiben euch allezeit in Gnaden wol gewogẽ. Da hab er ſeine Katze in einen Kaſten geſchloſſen/ und ihr nichts zu freſſen gegeben. Die Katze hab im Kaſten keine Maͤuſe fan- gen koͤnnen. Haͤtte gern ein ſtuͤck Speck haben moͤgen/ hab ſich dem- nach mit ihrem Miau/ hoͤren laſſen/ und ihren Hunger zuverſtehen gegeben/ Nathanael aber hab ihr immer zugeruffen: Kaͤtzlein/ gib dich zufrieden: Mein gnaͤdigſter Herr iſt mir in Gnaden wol gewogen. Endlich ſey die Katz Hungers geſtorben. Nathanael ſeye kurtz hernach wieder zu ſeinem Herrn kommen/ hab ihm etwas gebracht/ welches er gemacht/ damit ſich der Herr ſehr be- luſtiget/ und geſagt hab: Nun/ wir bleiben euch in Gnaden wol gewogen. Nathanael hab geantwortet: Ja/ ja/ gnaͤdigſter Herr/ von dieſen Worten/ und von Hunger/ iſt meine Katze geſtor- ben. Mancher meynet/ die ſeyen ſeine beſten Freunde welche ihn in Gegenwart loben/ und ihm die allerbeſte Worte geben. Aber ſolche Leute/ machen es offt wie die Katzen/ welche vornen lecken/ und hinden kratzen. P iij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/271>, abgerufen am 25.11.2024.