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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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An den Leser.
tische als Theologische Schrifft/ und zielet dahin/ diejenige zu unter-
richten/ welche nicht wissen/ was Unglück und Creutz sey/ sondern
wann ihnen ein geringer rauher Wind unter Augen wehet/ alsbald
sagen/ ich bin der geplagte Hiob. Wie schön und artig verstehen sie/
was Hiob für ein Mann gewesen sey/ etc. Jener Cardinal wolt eins-
mals früstücken/ und wolt ein stück von einem gebratenen Phasan
schneiden/ und der Phasan war eben vom Spieß kommen/ daß er
seine zarte Finger ein wenig verbrente/ da sagt er: O quam multa
patimur propter regnum Coelorum!
Jene Gräfin hörte/ daß
so viel Leut Hungers sterben/ da sagte sie: Die Leut müsten grosse
Narren seyn/ daß sie Hunger sterben. Ehe sie wolte vom Hunger
sterben/ sie wolte Holländisch Käs und Zweybacken essen/
und wuste nicht/ wie mancher frommer Christ auff den Ostertag
solche Speise für köstliche Tractament halte. Man sagt von einem
Priester in D. daß er gesagt hab: Wann man in Jtalien
kommt/ so findet man/ in grosser Meng/ die schöne Po-
merantzen/ Citronen/ Granaten/ Melonen. Allein/ was
haben wir hier? Gammelmatt/ Speck/ Würst/ geräu-
chert Fleisch/ und dergleichen.
Was ist die Ursach? Unser
Sünd/ Unser Sünd.
Dieser gute einfältige Mann hat gemeint/
daß er Hiobs Bruder sey/ daß er ein grosser Creutzträger sey/ weil
er Gammelmatt essen müsse/ und keine Citrone oder Pomerantzen
da bey hab. Solchen Leuten den Jrrthum zubenehmen/ hab ich die-
ses Büchlein geschrieben. Darnach richte alle Reden und Proso-
popoeias,
die ich in diesem Tractätlein eingeführet hab. Bespiegel
dich an diesem Hiob/ dem Gott selbst das Zeugniß gab/ daß er ein
frommer/ ein ehrlicher und auffrichtiger Mann sey/ und lerne/ was
für ein vergänglich Ding sey zeitlich Glück/ Reichthum/ Geld und
Gut. Du denckest zwar/ du seyst mir güldenen Ketten an den Him-
mel gebunden/ daß du nicht fallen könnest. Wann du zu Wasser
oder Land Schaden leidest/ so habst du deine gewisse Renthe. Blei-
ben die Renthe auß/ so habst du deine liegende Güter. Wannschon
ein Krieg komme/ Land und Leut verderben/ so könne zwar ein
Kriegsmann über deine Acker und Wiesen reiten/ aber er könne A-
cker und Wiesen nicht mitnehmen. Du meinst vielleicht/ du wollest
dich wol dafür hüten/ daß es dir oder deinen Kindern nicht gehe
wie dem Hiob. Allein du weist nicht/ was sich zutragen könne/ ehe
denn 24. Stunde vergehen. Bespiegle dich in diesem Büchlein recht
und wol/ und wann du reich bist/ so werde nicht hoffärtig. Bist du
arm/ so werde nit kleinmütig. Gott ist und bleibt ein solcher Mann/
der Glück und Unglück in einem moment und Augenblick ändern
kan. Gehab dich wol/ und wann dir der geplagte Hiob nicht
Miß fällt/ so erwarte bald des getrösten
Hiobs.

Cum
I 4

An den Leſer.
tiſche als Theologiſche Schrifft/ und zielet dahin/ diejenige zu unter-
richten/ welche nicht wiſſen/ was Ungluͤck und Creutz ſey/ ſondern
wann ihnen ein geringer rauher Wind unter Augen wehet/ alsbald
ſagen/ ich bin der geplagte Hiob. Wie ſchoͤn und artig verſtehen ſie/
was Hiob fuͤr ein Mann geweſen ſey/ ꝛc. Jener Cardinal wolt eins-
mals fruͤſtuͤcken/ und wolt ein ſtuͤck von einem gebratenen Phaſan
ſchneiden/ und der Phaſan war eben vom Spieß kommen/ daß er
ſeine zarte Finger ein wenig verbrente/ da ſagt er: O quàm multa
patimur propter regnum Cœlorum!
Jene Graͤfin hoͤrte/ daß
ſo viel Leut Hungers ſterben/ da ſagte ſie: Die Leut muͤſten groſſe
Narꝛen ſeyn/ daß ſie Hunger ſterben. Ehe ſie wolte vom Hunger
ſterben/ ſie wolte Hollaͤndiſch Kaͤs und Zweybacken eſſen/
und wuſte nicht/ wie mancher frommer Chriſt auff den Oſtertag
ſolche Speiſe fuͤr koͤſtliche Tractament halte. Man ſagt von einem
Prieſter in D. daß er geſagt hab: Wann man in Jtalien
kommt/ ſo findet man/ in groſſer Meng/ die ſchöne Po-
merantzen/ Citronen/ Granaten/ Melonen. Allein/ was
haben wir hier? Gammelmatt/ Speck/ Wuͤrſt/ geräu-
chert Fleiſch/ und dergleichen.
Was iſt die Urſach? Unſer
Suͤnd/ Unſer Sünd.
Dieſer gute einfaͤltige Mann hat gemeint/
daß er Hiobs Bruder ſey/ daß er ein groſſer Creutztraͤger ſey/ weil
er Gammelmatt eſſen muͤſſe/ und keine Citrone oder Pomerantzen
da bey hab. Solchen Leuten den Jrꝛthum zubenehmen/ hab ich die-
ſes Buͤchlein geſchrieben. Darnach richte alle Reden und Proſo-
popœias,
die ich in dieſem Tractaͤtlein eingefuͤhret hab. Beſpiegel
dich an dieſem Hiob/ dem Gott ſelbſt das Zeugniß gab/ daß er ein
frommer/ ein ehrlicher und auffrichtiger Mann ſey/ und lerne/ was
fuͤr ein vergaͤnglich Ding ſey zeitlich Gluͤck/ Reichthum/ Geld und
Gut. Du denckeſt zwar/ du ſeyſt mir guͤldenen Ketten an den Him-
mel gebunden/ daß du nicht fallen koͤnneſt. Wann du zu Waſſer
oder Land Schaden leideſt/ ſo habſt du deine gewiſſe Renthe. Blei-
ben die Renthe auß/ ſo habſt du deine liegende Guͤter. Wannſchon
ein Krieg komme/ Land und Leut verderben/ ſo koͤnne zwar ein
Kriegsmann uͤber deine Acker und Wieſen reiten/ aber er koͤnne A-
cker und Wieſen nicht mitnehmen. Du meinſt vielleicht/ du wolleſt
dich wol dafuͤr huͤten/ daß es dir oder deinen Kindern nicht gehe
wie dem Hiob. Allein du weiſt nicht/ was ſich zutragen koͤnne/ ehe
denn 24. Stunde vergehen. Beſpiegle dich in dieſem Buͤchlein recht
und wol/ und wann du reich biſt/ ſo werde nicht hoffaͤrtig. Biſt du
arm/ ſo werde nit kleinmuͤtig. Gott iſt und bleibt ein ſolcher Mañ/
der Gluͤck und Ungluͤck in einem moment und Augenblick aͤndern
kan. Gehab dich wol/ und wann dir der geplagte Hiob nicht
Miß faͤllt/ ſo erwarte bald des getroͤſten
Hiobs.

Cum
I 4
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[135/0177] An den Leſer. tiſche als Theologiſche Schrifft/ und zielet dahin/ diejenige zu unter- richten/ welche nicht wiſſen/ was Ungluͤck und Creutz ſey/ ſondern wann ihnen ein geringer rauher Wind unter Augen wehet/ alsbald ſagen/ ich bin der geplagte Hiob. Wie ſchoͤn und artig verſtehen ſie/ was Hiob fuͤr ein Mann geweſen ſey/ ꝛc. Jener Cardinal wolt eins- mals fruͤſtuͤcken/ und wolt ein ſtuͤck von einem gebratenen Phaſan ſchneiden/ und der Phaſan war eben vom Spieß kommen/ daß er ſeine zarte Finger ein wenig verbrente/ da ſagt er: O quàm multa patimur propter regnum Cœlorum! Jene Graͤfin hoͤrte/ daß ſo viel Leut Hungers ſterben/ da ſagte ſie: Die Leut muͤſten groſſe Narꝛen ſeyn/ daß ſie Hunger ſterben. Ehe ſie wolte vom Hunger ſterben/ ſie wolte Hollaͤndiſch Kaͤs und Zweybacken eſſen/ und wuſte nicht/ wie mancher frommer Chriſt auff den Oſtertag ſolche Speiſe fuͤr koͤſtliche Tractament halte. Man ſagt von einem Prieſter in D. daß er geſagt hab: Wann man in Jtalien kommt/ ſo findet man/ in groſſer Meng/ die ſchöne Po- merantzen/ Citronen/ Granaten/ Melonen. Allein/ was haben wir hier? Gammelmatt/ Speck/ Wuͤrſt/ geräu- chert Fleiſch/ und dergleichen. Was iſt die Urſach? Unſer Suͤnd/ Unſer Sünd. Dieſer gute einfaͤltige Mann hat gemeint/ daß er Hiobs Bruder ſey/ daß er ein groſſer Creutztraͤger ſey/ weil er Gammelmatt eſſen muͤſſe/ und keine Citrone oder Pomerantzen da bey hab. Solchen Leuten den Jrꝛthum zubenehmen/ hab ich die- ſes Buͤchlein geſchrieben. Darnach richte alle Reden und Proſo- popœias, die ich in dieſem Tractaͤtlein eingefuͤhret hab. Beſpiegel dich an dieſem Hiob/ dem Gott ſelbſt das Zeugniß gab/ daß er ein frommer/ ein ehrlicher und auffrichtiger Mann ſey/ und lerne/ was fuͤr ein vergaͤnglich Ding ſey zeitlich Gluͤck/ Reichthum/ Geld und Gut. Du denckeſt zwar/ du ſeyſt mir guͤldenen Ketten an den Him- mel gebunden/ daß du nicht fallen koͤnneſt. Wann du zu Waſſer oder Land Schaden leideſt/ ſo habſt du deine gewiſſe Renthe. Blei- ben die Renthe auß/ ſo habſt du deine liegende Guͤter. Wannſchon ein Krieg komme/ Land und Leut verderben/ ſo koͤnne zwar ein Kriegsmann uͤber deine Acker und Wieſen reiten/ aber er koͤnne A- cker und Wieſen nicht mitnehmen. Du meinſt vielleicht/ du wolleſt dich wol dafuͤr huͤten/ daß es dir oder deinen Kindern nicht gehe wie dem Hiob. Allein du weiſt nicht/ was ſich zutragen koͤnne/ ehe denn 24. Stunde vergehen. Beſpiegle dich in dieſem Buͤchlein recht und wol/ und wann du reich biſt/ ſo werde nicht hoffaͤrtig. Biſt du arm/ ſo werde nit kleinmuͤtig. Gott iſt und bleibt ein ſolcher Mañ/ der Gluͤck und Ungluͤck in einem moment und Augenblick aͤndern kan. Gehab dich wol/ und wann dir der geplagte Hiob nicht Miß faͤllt/ ſo erwarte bald des getroͤſten Hiobs. Cum I 4

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/177>, abgerufen am 25.11.2024.