Aber schon vor dem Erscheinen des größeren Buches, das gleich als Vorläufer einer die Arbeit Jacob Grimms im 2. Bande der Deutschen Grammatik nach langer Pause wiederaufnehmenden und fortführenden Stamm- bildungslehre aller germanischen Sprachen gedacht war, hatte Zimmer eine Studie zur indogermanischen Mythologie, über 'Parjanya Fiörgyn, Vata Wodan' (Zeitschrift für Deutsches Altertum 19, 1876, 164--181), geschrie- ben, die den ruhelos Vorwärtsstrebenden auf dem Wege zu neuen, ent- legeneren Zielen zeigte. Am Ende dieses Weges steht, die erste Periode seiner Forschung weithin sichtbar abschließend, das 'Altindische Leben', dessen ursprünglicher (im Spätsommer und Herbst 1876 vollendeter, wesent- lich auf den Materialien des Rigveda aufgebauter) Fassung am i. Mai 1877 der Preis der Straßburger Max-Müller-Stiftung zufiel. Nach fast vollstän- diger Umarbeitung in den Herbstferien des Jahres 1877, deren Ziel die systematische Ausbeutung aller vedischen Samhitan war, erschien die mittler- weile auch von dem vierten Internationalen Orientalistenkongreß in Florenz durch einen italienischen Staatspreis ausgezeichnete Schrift 1879 als Buch, das zum ersten Male den ältesten indischen Quellen ein anschauliches Ge- samtbild der Kultur im Zeitalter der vedischen Arier nachzuzeichnen unter- nahm. An des Tacitus Germania knüpfen, gewiß nicht zufällig, die ersten Sätze der Vorrede an, und durch das ganze Buch zieht sich fortlaufend der Vergleich altindischen und altgermanischen Lebens (vgl. dazu Anzeiger für Deutsches Altertum 2, 296). In das Studium indischer Sprachen und Literaturen hatte Zimmer einer seiner Straßburger Lehrer, Siegfried Goldschmidt, eingeführt, dem er zeitlebens eine dankbare Erinnerung bewahrt hat. Aber neben ihn trat als Erzieher zum philologischen Verständnisse der ältesten Denkmäler, zu- nächst durch die in spröde Wörterbuchartikel gebannte Kraft seiner Inter- pretenkunst, dann -- in Tübingen, wohin Zimmer 1876 für ein Sommer- semester übersiedelte -- auch durch persönliche Unterweisung Rudolf Roth, der der Wissenschaft als Erster die verschütteten Zugänge zu den Rätseln der Vedendichtung wiedereröffnet hatte. Auch Roths Avesta- interpretation, an der Zimmer in Tübingen teilnahm, wird seiner Dar- stellung des 'Altindischen Lebens' zugute gekommen sein. Zwei Straßburger Preisaufgaben mit weit auseinander liegenden Zielen haben so der wissenschaftlichen Arbeit Zimmers schon während der ersten Studiensemester Richtung und Inhalt gegeben. Daß er fast gleichzeitig
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 5
Aber schon vor dem Erscheinen des größeren Buches, das gleich als Vorläufer einer die Arbeit Jacob Grimms im 2. Bande der Deutschen Grammatik nach langer Pause wiederaufnehmenden und fortführenden Stamm- bildungslehre aller germanischen Sprachen gedacht war, hatte Zimmer eine Studie zur indogermanischen Mythologie, über ‘Parjanya Fiörgyn, Vâta Wôdan’ (Zeitschrift für Deutsches Altertum 19, 1876, 164—181), geschrie- ben, die den ruhelos Vorwärtsstrebenden auf dem Wege zu neuen, ent- legeneren Zielen zeigte. Am Ende dieses Weges steht, die erste Periode seiner Forschung weithin sichtbar abschließend, das ‘Altindische Leben’, dessen ursprünglicher (im Spätsommer und Herbst 1876 vollendeter, wesent- lich auf den Materialien des Rigveda aufgebauter) Fassung am ı. Mai 1877 der Preis der Straßburger Max-Müller-Stiftung zufiel. Nach fast vollstän- diger Umarbeitung in den Herbstferien des Jahres 1877, deren Ziel die systematische Ausbeutung aller vedischen Samhitã war, erschien die mittler- weile auch von dem vierten Internationalen Orientalistenkongreß in Florenz durch einen italienischen Staatspreis ausgezeichnete Schrift 1879 als Buch, das zum ersten Male den ältesten indischen Quellen ein anschauliches Ge- samtbild der Kultur im Zeitalter der vedischen Arier nachzuzeichnen unter- nahm. An des Tacitus Germania knüpfen, gewiß nicht zufällig, die ersten Sätze der Vorrede an, und durch das ganze Buch zieht sich fortlaufend der Vergleich altindischen und altgermanischen Lebens (vgl. dazu Anzeiger für Deutsches Altertum 2, 296). In das Studium indischer Sprachen und Literaturen hatte Zimmer einer seiner Straßburger Lehrer, Siegfried Goldschmidt, eingeführt, dem er zeitlebens eine dankbare Erinnerung bewahrt hat. Aber neben ihn trat als Erzieher zum philologischen Verständnisse der ältesten Denkmäler, zu- nächst durch die in spröde Wörterbuchartikel gebannte Kraft seiner Inter- pretenkunst, dann — in Tübingen, wohin Zimmer 1876 für ein Sommer- semester übersiedelte — auch durch persönliche Unterweisung Rudolf Roth, der der Wissenschaft als Erster die verschütteten Zugänge zu den Rätseln der Vedendichtung wiedereröffnet hatte. Auch Roths Avesta- interpretation, an der Zimmer in Tübingen teilnahm, wird seiner Dar- stellung des ‘Altindischen Lebens‘ zugute gekommen sein. Zwei Straßburger Preisaufgaben mit weit auseinander liegenden Zielen haben so der wissenschaftlichen Arbeit Zimmers schon während der ersten Studiensemester Richtung und Inhalt gegeben. Daß er fast gleichzeitig
<TEI><text><body><div><pbfacs="#f0007"n="7"/><p><lb/>
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 5</p><p><lb/>
Aber schon vor dem Erscheinen des größeren Buches, das gleich als<lb/>
Vorläufer einer die Arbeit Jacob Grimms im 2. Bande der Deutschen<lb/>
Grammatik nach langer Pause wiederaufnehmenden und fortführenden Stamm-<lb/>
bildungslehre aller germanischen Sprachen gedacht war, hatte Zimmer eine<lb/>
Studie zur indogermanischen Mythologie, über ‘Parjanya Fiörgyn, Vâta<lb/>
Wôdan’ (Zeitschrift für Deutsches Altertum 19, 1876, 164—181), geschrie-<lb/>
ben, die den ruhelos Vorwärtsstrebenden auf dem Wege zu neuen, ent-<lb/>
legeneren Zielen zeigte. Am Ende dieses Weges steht, die erste Periode<lb/>
seiner Forschung weithin sichtbar abschließend, das ‘Altindische Leben’,<lb/>
dessen ursprünglicher (im Spätsommer und Herbst 1876 vollendeter, wesent-<lb/>
lich auf den Materialien des Rigveda aufgebauter) Fassung am ı. Mai 1877<lb/>
der Preis der Straßburger Max-Müller-Stiftung zufiel. Nach fast vollstän-<lb/>
diger Umarbeitung in den Herbstferien des Jahres 1877, deren Ziel die<lb/>
systematische Ausbeutung aller vedischen Samhitã war, erschien die mittler-<lb/>
weile auch von dem vierten Internationalen Orientalistenkongreß in Florenz<lb/>
durch einen italienischen Staatspreis ausgezeichnete Schrift 1879 als Buch,<lb/>
das zum ersten Male den ältesten indischen Quellen ein anschauliches Ge-<lb/>
samtbild der Kultur im Zeitalter der vedischen Arier nachzuzeichnen unter-<lb/>
nahm. An des Tacitus Germania knüpfen, gewiß nicht zufällig, die ersten<lb/>
Sätze der Vorrede an, und durch das ganze Buch zieht sich fortlaufend der<lb/>
Vergleich altindischen und altgermanischen Lebens (vgl. dazu Anzeiger für<lb/>
Deutsches Altertum 2, 296).<lb/>
In das Studium indischer Sprachen und Literaturen hatte Zimmer<lb/>
einer seiner Straßburger Lehrer, Siegfried Goldschmidt, eingeführt, dem<lb/>
er zeitlebens eine dankbare Erinnerung bewahrt hat. Aber neben ihn trat<lb/>
als Erzieher zum philologischen Verständnisse der ältesten Denkmäler, zu-<lb/>
nächst durch die in spröde Wörterbuchartikel gebannte Kraft seiner Inter-<lb/>
pretenkunst, dann — in Tübingen, wohin Zimmer 1876 für ein Sommer-<lb/>
semester übersiedelte — auch durch persönliche Unterweisung Rudolf<lb/>
Roth, der der Wissenschaft als Erster die verschütteten Zugänge zu den<lb/>
Rätseln der Vedendichtung wiedereröffnet hatte. Auch Roths Avesta-<lb/>
interpretation, an der Zimmer in Tübingen teilnahm, wird seiner Dar-<lb/>
stellung des ‘Altindischen Lebens‘ zugute gekommen sein.<lb/>
Zwei Straßburger Preisaufgaben mit weit auseinander liegenden Zielen<lb/>
haben so der wissenschaftlichen Arbeit Zimmers schon während der ersten<lb/>
Studiensemester Richtung und Inhalt gegeben. Daß er fast gleichzeitig</p></div></body></text></TEI>
[7/0007]
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 5
Aber schon vor dem Erscheinen des größeren Buches, das gleich als
Vorläufer einer die Arbeit Jacob Grimms im 2. Bande der Deutschen
Grammatik nach langer Pause wiederaufnehmenden und fortführenden Stamm-
bildungslehre aller germanischen Sprachen gedacht war, hatte Zimmer eine
Studie zur indogermanischen Mythologie, über ‘Parjanya Fiörgyn, Vâta
Wôdan’ (Zeitschrift für Deutsches Altertum 19, 1876, 164—181), geschrie-
ben, die den ruhelos Vorwärtsstrebenden auf dem Wege zu neuen, ent-
legeneren Zielen zeigte. Am Ende dieses Weges steht, die erste Periode
seiner Forschung weithin sichtbar abschließend, das ‘Altindische Leben’,
dessen ursprünglicher (im Spätsommer und Herbst 1876 vollendeter, wesent-
lich auf den Materialien des Rigveda aufgebauter) Fassung am ı. Mai 1877
der Preis der Straßburger Max-Müller-Stiftung zufiel. Nach fast vollstän-
diger Umarbeitung in den Herbstferien des Jahres 1877, deren Ziel die
systematische Ausbeutung aller vedischen Samhitã war, erschien die mittler-
weile auch von dem vierten Internationalen Orientalistenkongreß in Florenz
durch einen italienischen Staatspreis ausgezeichnete Schrift 1879 als Buch,
das zum ersten Male den ältesten indischen Quellen ein anschauliches Ge-
samtbild der Kultur im Zeitalter der vedischen Arier nachzuzeichnen unter-
nahm. An des Tacitus Germania knüpfen, gewiß nicht zufällig, die ersten
Sätze der Vorrede an, und durch das ganze Buch zieht sich fortlaufend der
Vergleich altindischen und altgermanischen Lebens (vgl. dazu Anzeiger für
Deutsches Altertum 2, 296).
In das Studium indischer Sprachen und Literaturen hatte Zimmer
einer seiner Straßburger Lehrer, Siegfried Goldschmidt, eingeführt, dem
er zeitlebens eine dankbare Erinnerung bewahrt hat. Aber neben ihn trat
als Erzieher zum philologischen Verständnisse der ältesten Denkmäler, zu-
nächst durch die in spröde Wörterbuchartikel gebannte Kraft seiner Inter-
pretenkunst, dann — in Tübingen, wohin Zimmer 1876 für ein Sommer-
semester übersiedelte — auch durch persönliche Unterweisung Rudolf
Roth, der der Wissenschaft als Erster die verschütteten Zugänge zu den
Rätseln der Vedendichtung wiedereröffnet hatte. Auch Roths Avesta-
interpretation, an der Zimmer in Tübingen teilnahm, wird seiner Dar-
stellung des ‘Altindischen Lebens‘ zugute gekommen sein.
Zwei Straßburger Preisaufgaben mit weit auseinander liegenden Zielen
haben so der wissenschaftlichen Arbeit Zimmers schon während der ersten
Studiensemester Richtung und Inhalt gegeben. Daß er fast gleichzeitig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Digitalisate und OCR.
(2020-03-03T12:13:05Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, OCR-D: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-03-04T12:13:05Z)
Weitere Informationen:
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und
anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern
nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bogensignaturen: nicht übernommen;
Druckfehler: ignoriert;
fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;
Schulze, Wilhelm: Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. Berlin, 1911, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulze_zimmer_1911/7>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.