berechnet, aber für die Erweckung und Ausbil- dung eigentlicher Gelehrten, unzulänglich zu seyn. Auch denkt selten ein junger Mensch daran, die Wissenschaften ihrer selbst wegen zu schätzen und zu üben; er macht seinen Lehr- lauf, um ein Zeugniß zu erhalten, daß er ihn gemacht hat, und um sodann sein Brot zu finden. Das übrige kümmert ihn nicht. Auf den protestantischen hohen Schulen ist dieß wohl auch der Fall, aber er ist es nicht so all- gemein. Man kann die dort gezogenen be- rühmten Schüler berühmter Lehrer gewisser Fächer in Menge nennen. Wem fällt hier nicht Göttingen, Jena und Halle ein; wer kömmt hier nicht auf den Gedanken, daß die Wiener Universität nützlicher werden würde, wenn sie sich diesen Mustern näherte, als wenn sie sich, wie es jetzt das Ansehen ge- winnen will, in entgegengesetzter Richtung von denselben entfernet?
Doch diese Maßregel ist gewiß nur für die laufende Zeit, und wird nur so lange dauern,
Sechstes Heft. Q
berechnet, aber fuͤr die Erweckung und Ausbil- dung eigentlicher Gelehrten, unzulaͤnglich zu ſeyn. Auch denkt ſelten ein junger Menſch daran, die Wiſſenſchaften ihrer ſelbſt wegen zu ſchaͤtzen und zu uͤben; er macht ſeinen Lehr- lauf, um ein Zeugniß zu erhalten, daß er ihn gemacht hat, und um ſodann ſein Brot zu finden. Das uͤbrige kuͤmmert ihn nicht. Auf den proteſtantiſchen hohen Schulen iſt dieß wohl auch der Fall, aber er iſt es nicht ſo all- gemein. Man kann die dort gezogenen be- ruͤhmten Schuͤler beruͤhmter Lehrer gewiſſer Faͤcher in Menge nennen. Wem faͤllt hier nicht Goͤttingen, Jena und Halle ein; wer koͤmmt hier nicht auf den Gedanken, daß die Wiener Univerſitaͤt nuͤtzlicher werden wuͤrde, wenn ſie ſich dieſen Muſtern naͤherte, als wenn ſie ſich, wie es jetzt das Anſehen ge- winnen will, in entgegengeſetzter Richtung von denſelben entfernet?
Doch dieſe Maßregel iſt gewiß nur fuͤr die laufende Zeit, und wird nur ſo lange dauern,
Sechstes Heft. Q
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berechnet, aber fuͤr die Erweckung und Ausbil-
dung eigentlicher Gelehrten, unzulaͤnglich zu
ſeyn. Auch denkt ſelten ein junger Menſch
daran, die Wiſſenſchaften ihrer ſelbſt wegen
zu ſchaͤtzen und zu uͤben; er macht ſeinen Lehr-
lauf, um ein Zeugniß zu erhalten, daß er ihn
gemacht hat, und um ſodann ſein Brot zu
finden. Das uͤbrige kuͤmmert ihn nicht. Auf
den proteſtantiſchen hohen Schulen iſt dieß
wohl auch der Fall, aber er iſt es nicht ſo all-
gemein. Man kann die dort gezogenen be-
ruͤhmten Schuͤler beruͤhmter Lehrer gewiſſer
Faͤcher in Menge nennen. Wem faͤllt hier
nicht Goͤttingen, Jena und Halle ein; wer
koͤmmt hier nicht auf den Gedanken, daß die
Wiener Univerſitaͤt nuͤtzlicher werden wuͤrde,
wenn ſie ſich dieſen Muſtern naͤherte, als
wenn ſie ſich, wie es jetzt das Anſehen ge-
winnen will, in entgegengeſetzter Richtung von
denſelben entfernet?
Doch dieſe Maßregel iſt gewiß nur fuͤr die
laufende Zeit, und wird nur ſo lange dauern,
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/513>, abgerufen am 25.11.2024.
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