Umlauf. Seit dem Eintritt der jetzigen Zei- ten ist diese Freyheit des Lesens und Druckens, und die Einfuhr der Bücher, durch Zoll, Cen- sur und gänzliches Verbot, eingeschränkt worden.
Die Leserey der Romane, Schauspiele, Journale und Zeitungen, die unbedenklich sind, ist aber noch stark im Schwunge, und man findet letztere in allen Kaffeehäusern in großer Menge. Da in Wien nur Eine Zeitung her- auskömmt, so druckt man fremde ganz oder im Auszuge nach; eben so die neuesten Ritter- romane, die in ganzen, sehr bändereichen Sammlungen, unter allgemeinen Titeln, her- auskommen, und in Wien selbst verbraucht werden. Das junge Volk der Universität, der Kaufmanns- und Krämergewölbe, des Schrei- ber und Bedientenstandes etc. verschlingt diese pilzartigen Erzeugnisse des nördlichen Deutsch- landes; und ich zweifle, ob in irgend einer an- dern deutschen Stadt, unter den gemeinen Volksklassen, die Lesesucht so stark um sich gegriffen hat, als in Wien.
Umlauf. Seit dem Eintritt der jetzigen Zei- ten iſt dieſe Freyheit des Leſens und Druckens, und die Einfuhr der Buͤcher, durch Zoll, Cen- ſur und gaͤnzliches Verbot, eingeſchraͤnkt worden.
Die Leſerey der Romane, Schauſpiele, Journale und Zeitungen, die unbedenklich ſind, iſt aber noch ſtark im Schwunge, und man findet letztere in allen Kaffeehaͤuſern in großer Menge. Da in Wien nur Eine Zeitung her- auskoͤmmt, ſo druckt man fremde ganz oder im Auszuge nach; eben ſo die neueſten Ritter- romane, die in ganzen, ſehr baͤndereichen Sammlungen, unter allgemeinen Titeln, her- auskommen, und in Wien ſelbſt verbraucht werden. Das junge Volk der Univerſitaͤt, der Kaufmanns- und Kraͤmergewoͤlbe, des Schrei- ber und Bedientenſtandes ꝛc. verſchlingt dieſe pilzartigen Erzeugniſſe des noͤrdlichen Deutſch- landes; und ich zweifle, ob in irgend einer an- dern deutſchen Stadt, unter den gemeinen Volksklaſſen, die Leſeſucht ſo ſtark um ſich gegriffen hat, als in Wien.
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0508"n="236"/>
Umlauf. Seit dem Eintritt der jetzigen Zei-<lb/>
ten iſt dieſe Freyheit des Leſens und Druckens,<lb/>
und die Einfuhr der Buͤcher, durch Zoll, Cen-<lb/>ſur und gaͤnzliches Verbot, eingeſchraͤnkt worden.</p><lb/><p>Die Leſerey der Romane, Schauſpiele,<lb/>
Journale und Zeitungen, die unbedenklich ſind,<lb/>
iſt aber noch ſtark im Schwunge, und man<lb/>
findet letztere in allen Kaffeehaͤuſern in großer<lb/>
Menge. Da in Wien nur Eine Zeitung her-<lb/>
auskoͤmmt, ſo druckt man fremde ganz oder<lb/>
im Auszuge nach; eben ſo die neueſten Ritter-<lb/>
romane, die in ganzen, ſehr baͤndereichen<lb/>
Sammlungen, unter allgemeinen Titeln, her-<lb/>
auskommen, und in Wien ſelbſt verbraucht<lb/>
werden. Das junge Volk der Univerſitaͤt, der<lb/>
Kaufmanns- und Kraͤmergewoͤlbe, des Schrei-<lb/>
ber und Bedientenſtandes ꝛc. verſchlingt dieſe<lb/>
pilzartigen Erzeugniſſe des noͤrdlichen Deutſch-<lb/>
landes; und ich zweifle, ob in irgend einer an-<lb/>
dern deutſchen Stadt, unter den gemeinen<lb/>
Volksklaſſen, die Leſeſucht ſo ſtark um ſich<lb/>
gegriffen hat, als in Wien.</p><lb/></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[236/0508]
Umlauf. Seit dem Eintritt der jetzigen Zei-
ten iſt dieſe Freyheit des Leſens und Druckens,
und die Einfuhr der Buͤcher, durch Zoll, Cen-
ſur und gaͤnzliches Verbot, eingeſchraͤnkt worden.
Die Leſerey der Romane, Schauſpiele,
Journale und Zeitungen, die unbedenklich ſind,
iſt aber noch ſtark im Schwunge, und man
findet letztere in allen Kaffeehaͤuſern in großer
Menge. Da in Wien nur Eine Zeitung her-
auskoͤmmt, ſo druckt man fremde ganz oder
im Auszuge nach; eben ſo die neueſten Ritter-
romane, die in ganzen, ſehr baͤndereichen
Sammlungen, unter allgemeinen Titeln, her-
auskommen, und in Wien ſelbſt verbraucht
werden. Das junge Volk der Univerſitaͤt, der
Kaufmanns- und Kraͤmergewoͤlbe, des Schrei-
ber und Bedientenſtandes ꝛc. verſchlingt dieſe
pilzartigen Erzeugniſſe des noͤrdlichen Deutſch-
landes; und ich zweifle, ob in irgend einer an-
dern deutſchen Stadt, unter den gemeinen
Volksklaſſen, die Leſeſucht ſo ſtark um ſich
gegriffen hat, als in Wien.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/508>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.