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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Wie offen, wie allgemein und wie ungestört,
wenn nur einigermaßen der Wohlstand beob-
achtet wird, diese Art von Verkehr hier getrie-
ben werde, ist übrigens sattsam bekannt. Wenn
der Leser, mit einigen kleinen Veränderungen,
die aus der Verfassung und Oertlichkeit her-
vorgehen, die Schilderung der Warschauer
Unsittlichkeit oben noch einmal nachsehen will,
so wird er auch die Wienerische kennen. Hier
sind nicht minder reiche, verderbte, brutale
Liebhaber; nicht minder schöne, üppige, be-
dürftige, gewandte, listige Weiber; nicht min-
der liederliche, höhere, mittlere und niedere
Klassen. Man sagt mir von einem jungen --
Großen, daß er sich jetzt Sieben Mätressen hält
und sie, wenn sie irgend eine seiner Launen
nicht ausführen wollen, oder wenn er den
Verdacht einer "passade" auf sie geworfen
hat, regelmäßig mit der Hetzpeitsche abkar-
batscht, sie aber übrigens vortrefflich bezahlt.

Ich hebe noch ein paar zerstreuete Beob-
achtungen über die Einwohner von Wien aus,

Wie offen, wie allgemein und wie ungeſtoͤrt,
wenn nur einigermaßen der Wohlſtand beob-
achtet wird, dieſe Art von Verkehr hier getrie-
ben werde, iſt uͤbrigens ſattſam bekannt. Wenn
der Leſer, mit einigen kleinen Veraͤnderungen,
die aus der Verfaſſung und Oertlichkeit her-
vorgehen, die Schilderung der Warſchauer
Unſittlichkeit oben noch einmal nachſehen will,
ſo wird er auch die Wieneriſche kennen. Hier
ſind nicht minder reiche, verderbte, brutale
Liebhaber; nicht minder ſchoͤne, uͤppige, be-
duͤrftige, gewandte, liſtige Weiber; nicht min-
der liederliche, hoͤhere, mittlere und niedere
Klaſſen. Man ſagt mir von einem jungen —
Großen, daß er ſich jetzt Sieben Maͤtreſſen haͤlt
und ſie, wenn ſie irgend eine ſeiner Launen
nicht ausfuͤhren wollen, oder wenn er den
Verdacht einer „paſſade“ auf ſie geworfen
hat, regelmaͤßig mit der Hetzpeitſche abkar-
batſcht, ſie aber uͤbrigens vortrefflich bezahlt.

Ich hebe noch ein paar zerſtreuete Beob-
achtungen uͤber die Einwohner von Wien aus,

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[229/0501] Wie offen, wie allgemein und wie ungeſtoͤrt, wenn nur einigermaßen der Wohlſtand beob- achtet wird, dieſe Art von Verkehr hier getrie- ben werde, iſt uͤbrigens ſattſam bekannt. Wenn der Leſer, mit einigen kleinen Veraͤnderungen, die aus der Verfaſſung und Oertlichkeit her- vorgehen, die Schilderung der Warſchauer Unſittlichkeit oben noch einmal nachſehen will, ſo wird er auch die Wieneriſche kennen. Hier ſind nicht minder reiche, verderbte, brutale Liebhaber; nicht minder ſchoͤne, uͤppige, be- duͤrftige, gewandte, liſtige Weiber; nicht min- der liederliche, hoͤhere, mittlere und niedere Klaſſen. Man ſagt mir von einem jungen — Großen, daß er ſich jetzt Sieben Maͤtreſſen haͤlt und ſie, wenn ſie irgend eine ſeiner Launen nicht ausfuͤhren wollen, oder wenn er den Verdacht einer „paſſade“ auf ſie geworfen hat, regelmaͤßig mit der Hetzpeitſche abkar- batſcht, ſie aber uͤbrigens vortrefflich bezahlt. Ich hebe noch ein paar zerſtreuete Beob- achtungen uͤber die Einwohner von Wien aus,

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/501>, abgerufen am 22.11.2024.