hervorgethan, von dem man den Tag über keine Spur sieht. Es ist die Bastion des Stadtwalles, die gleich vor dem Burgthore liegt. Hier sind Zelte, mit allen Erfrischun- gen versehen, aufgeschlagen, mit Banken um- schlossen, durch Musik erheitert. Auf diesem engen Platze drängen sich Menschen aus allen Ständen, von jedem Alter und Geschlecht, unter Staubwolken herum, und er ist der Stapelplatz des verliebten Verkehrs geworden, doch nur den Verhandlungen und nicht dem Abschlusse nach, gegen welchen die Polizeysol- daten wachen. Man findet bis nach Mitter- nacht Leute auf diesem Spatziergange; aber er fängt schon an zu sinken, und treue Weiber und sorgsame Mütter und Väter kommen nicht, und lassen auch ihre Kinder nicht mehr hieher. Eine ähnliche Nachtpartie ist der Spatziergang und das Konzert am Graben, vor den dorti- gen berühmten Kaffeehäusern, die, so wie das nahe dabey am Kohlmarkt gelegene Milano, in Verfertigung des Gefrornen glänzen. Hier
P 2
hervorgethan, von dem man den Tag uͤber keine Spur ſieht. Es iſt die Baſtion des Stadtwalles, die gleich vor dem Burgthore liegt. Hier ſind Zelte, mit allen Erfriſchun- gen verſehen, aufgeſchlagen, mit Banken um- ſchloſſen, durch Muſik erheitert. Auf dieſem engen Platze draͤngen ſich Menſchen aus allen Staͤnden, von jedem Alter und Geſchlecht, unter Staubwolken herum, und er iſt der Stapelplatz des verliebten Verkehrs geworden, doch nur den Verhandlungen und nicht dem Abſchluſſe nach, gegen welchen die Polizeyſol- daten wachen. Man findet bis nach Mitter- nacht Leute auf dieſem Spatziergange; aber er faͤngt ſchon an zu ſinken, und treue Weiber und ſorgſame Muͤtter und Vaͤter kommen nicht, und laſſen auch ihre Kinder nicht mehr hieher. Eine aͤhnliche Nachtpartie iſt der Spatziergang und das Konzert am Graben, vor den dorti- gen beruͤhmten Kaffeehaͤuſern, die, ſo wie das nahe dabey am Kohlmarkt gelegene Milano, in Verfertigung des Gefrornen glaͤnzen. Hier
P 2
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0499"n="227"/>
hervorgethan, von dem man den Tag uͤber<lb/>
keine Spur ſieht. Es iſt die Baſtion des<lb/>
Stadtwalles, die gleich vor dem Burgthore<lb/>
liegt. Hier ſind Zelte, mit allen Erfriſchun-<lb/>
gen verſehen, aufgeſchlagen, mit Banken um-<lb/>ſchloſſen, durch Muſik erheitert. Auf dieſem<lb/>
engen Platze draͤngen ſich Menſchen aus allen<lb/>
Staͤnden, von jedem Alter und Geſchlecht,<lb/>
unter Staubwolken herum, und er iſt der<lb/>
Stapelplatz des verliebten Verkehrs geworden,<lb/>
doch nur den Verhandlungen und nicht dem<lb/>
Abſchluſſe nach, gegen welchen die Polizeyſol-<lb/>
daten wachen. Man findet bis nach Mitter-<lb/>
nacht Leute auf dieſem Spatziergange; aber er<lb/>
faͤngt ſchon an zu ſinken, und treue Weiber<lb/>
und ſorgſame Muͤtter und Vaͤter kommen nicht,<lb/>
und laſſen auch ihre Kinder nicht mehr hieher.<lb/>
Eine aͤhnliche Nachtpartie iſt der Spatziergang<lb/>
und das Konzert am Graben, vor den dorti-<lb/>
gen beruͤhmten Kaffeehaͤuſern, die, ſo wie das<lb/>
nahe dabey am Kohlmarkt gelegene <hirendition="#g">Milano</hi>,<lb/>
in Verfertigung des Gefrornen glaͤnzen. Hier<lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 2</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[227/0499]
hervorgethan, von dem man den Tag uͤber
keine Spur ſieht. Es iſt die Baſtion des
Stadtwalles, die gleich vor dem Burgthore
liegt. Hier ſind Zelte, mit allen Erfriſchun-
gen verſehen, aufgeſchlagen, mit Banken um-
ſchloſſen, durch Muſik erheitert. Auf dieſem
engen Platze draͤngen ſich Menſchen aus allen
Staͤnden, von jedem Alter und Geſchlecht,
unter Staubwolken herum, und er iſt der
Stapelplatz des verliebten Verkehrs geworden,
doch nur den Verhandlungen und nicht dem
Abſchluſſe nach, gegen welchen die Polizeyſol-
daten wachen. Man findet bis nach Mitter-
nacht Leute auf dieſem Spatziergange; aber er
faͤngt ſchon an zu ſinken, und treue Weiber
und ſorgſame Muͤtter und Vaͤter kommen nicht,
und laſſen auch ihre Kinder nicht mehr hieher.
Eine aͤhnliche Nachtpartie iſt der Spatziergang
und das Konzert am Graben, vor den dorti-
gen beruͤhmten Kaffeehaͤuſern, die, ſo wie das
nahe dabey am Kohlmarkt gelegene Milano,
in Verfertigung des Gefrornen glaͤnzen. Hier
P 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/499>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.