andern Ländern und Städten die Heirathen vermindern, sind natürlich auch hier, oft wol doppelt, vorhanden.
Nur schließe man aus diesen Angaben nicht, daß Wien den Anblick von Wohlstand und Wohlleben, wodurch es sich gleich hinter Lon- don, vor allen übrigen Europäischen Haupt- städten auszeichnete, verloren habe; verschönert und vervielfältigt habe ich ihn vielmehr gefun- den. Die Stadt selbst ist, wie oben erwähnt, fast ganz neu gekleidet; das Pflaster, wie sonst, vortreflich; die Straßenleuchten sind von guter Form, sauber geputzt, freygebig vertheilt und versorgt; die Fiaker großentheils neu, so- gar geschmackvoll und mit raschen Pferden be- spannt; die Kaufmannsgewölbe herrlich aufge- putzt; die Gold- Silber- und Moden-Laden strahlen verführerisch; die Obstkörbe auf dem Hofe stehen in langen Reihen, hoch aufge- schichtet da; große Korb- und Gitterwagen, mit allen Arten von zahmen Geflügel vollge- stopft, drängen sich auf den Märkten; die ge-
andern Laͤndern und Staͤdten die Heirathen vermindern, ſind natuͤrlich auch hier, oft wol doppelt, vorhanden.
Nur ſchließe man aus dieſen Angaben nicht, daß Wien den Anblick von Wohlſtand und Wohlleben, wodurch es ſich gleich hinter Lon- don, vor allen uͤbrigen Europaͤiſchen Haupt- ſtaͤdten auszeichnete, verloren habe; verſchoͤnert und vervielfaͤltigt habe ich ihn vielmehr gefun- den. Die Stadt ſelbſt iſt, wie oben erwaͤhnt, faſt ganz neu gekleidet; das Pflaſter, wie ſonſt, vortreflich; die Straßenleuchten ſind von guter Form, ſauber geputzt, freygebig vertheilt und verſorgt; die Fiaker großentheils neu, ſo- gar geſchmackvoll und mit raſchen Pferden be- ſpannt; die Kaufmannsgewoͤlbe herrlich aufge- putzt; die Gold- Silber- und Moden-Laden ſtrahlen verfuͤhreriſch; die Obſtkoͤrbe auf dem Hofe ſtehen in langen Reihen, hoch aufge- ſchichtet da; große Korb- und Gitterwagen, mit allen Arten von zahmen Gefluͤgel vollge- ſtopft, draͤngen ſich auf den Maͤrkten; die ge-
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andern Laͤndern und Staͤdten die Heirathen
vermindern, ſind natuͤrlich auch hier, oft wol
doppelt, vorhanden.
Nur ſchließe man aus dieſen Angaben nicht,
daß Wien den Anblick von Wohlſtand und
Wohlleben, wodurch es ſich gleich hinter Lon-
don, vor allen uͤbrigen Europaͤiſchen Haupt-
ſtaͤdten auszeichnete, verloren habe; verſchoͤnert
und vervielfaͤltigt habe ich ihn vielmehr gefun-
den. Die Stadt ſelbſt iſt, wie oben erwaͤhnt,
faſt ganz neu gekleidet; das Pflaſter, wie
ſonſt, vortreflich; die Straßenleuchten ſind von
guter Form, ſauber geputzt, freygebig vertheilt
und verſorgt; die Fiaker großentheils neu, ſo-
gar geſchmackvoll und mit raſchen Pferden be-
ſpannt; die Kaufmannsgewoͤlbe herrlich aufge-
putzt; die Gold- Silber- und Moden-Laden
ſtrahlen verfuͤhreriſch; die Obſtkoͤrbe auf dem
Hofe ſtehen in langen Reihen, hoch aufge-
ſchichtet da; große Korb- und Gitterwagen,
mit allen Arten von zahmen Gefluͤgel vollge-
ſtopft, draͤngen ſich auf den Maͤrkten; die ge-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/442>, abgerufen am 23.11.2024.
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