Werbungen viel Leute aus Wien gezogen; und die letztere hat, vielleicht aus zu großer Aengst- lichkeit, allen Fremden, die keine eigentlichen Geschäfte hatten, erinnert, Wien zu verlassen.
Joseph der Zweyte glaubte, durch die Erleichterung der Ehen unter den Bürgern und dem Volke zur Vermehrung der Einwoh- ner beyzutragen; und er erleichterte die Ehen durch die Aufhebung der Zünfte und die Frey- gebung der Gewerbe. Eine Menge Hülfsmit- tel für das Durchkommen der niedrigern Stände thaten sich dadurch freylich auf, und mithin entstand auch mehr Zuversicht bey dem Ge- danken ans Heirathen. Dieses wurde von der Polizey nicht mehr behindert, weil nicht ein- mal ein Taufschein dabey verlangt ward, und von der Kirche nicht, weil weder Braut noch Bräutigam des Glaubens wegen belästigt wer- den durften. Das neue Paar nährte sich dann, wie es konnte: der Mann, entweder durch ein Handwerk, das er gelernt hatte, oder durch Tagelöhnerey; die Frau, durch einen Höken-
Werbungen viel Leute aus Wien gezogen; und die letztere hat, vielleicht aus zu großer Aengſt- lichkeit, allen Fremden, die keine eigentlichen Geſchaͤfte hatten, erinnert, Wien zu verlaſſen.
Joſeph der Zweyte glaubte, durch die Erleichterung der Ehen unter den Buͤrgern und dem Volke zur Vermehrung der Einwoh- ner beyzutragen; und er erleichterte die Ehen durch die Aufhebung der Zuͤnfte und die Frey- gebung der Gewerbe. Eine Menge Huͤlfsmit- tel fuͤr das Durchkommen der niedrigern Staͤnde thaten ſich dadurch freylich auf, und mithin entſtand auch mehr Zuverſicht bey dem Ge- danken ans Heirathen. Dieſes wurde von der Polizey nicht mehr behindert, weil nicht ein- mal ein Taufſchein dabey verlangt ward, und von der Kirche nicht, weil weder Braut noch Braͤutigam des Glaubens wegen belaͤſtigt wer- den durften. Das neue Paar naͤhrte ſich dann, wie es konnte: der Mann, entweder durch ein Handwerk, das er gelernt hatte, oder durch Tageloͤhnerey; die Frau, durch einen Hoͤken-
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Werbungen viel Leute aus Wien gezogen; und
die letztere hat, vielleicht aus zu großer Aengſt-
lichkeit, allen Fremden, die keine eigentlichen
Geſchaͤfte hatten, erinnert, Wien zu verlaſſen.
Joſeph der Zweyte glaubte, durch die
Erleichterung der Ehen unter den Buͤrgern
und dem Volke zur Vermehrung der Einwoh-
ner beyzutragen; und er erleichterte die Ehen
durch die Aufhebung der Zuͤnfte und die Frey-
gebung der Gewerbe. Eine Menge Huͤlfsmit-
tel fuͤr das Durchkommen der niedrigern Staͤnde
thaten ſich dadurch freylich auf, und mithin
entſtand auch mehr Zuverſicht bey dem Ge-
danken ans Heirathen. Dieſes wurde von der
Polizey nicht mehr behindert, weil nicht ein-
mal ein Taufſchein dabey verlangt ward, und
von der Kirche nicht, weil weder Braut noch
Braͤutigam des Glaubens wegen belaͤſtigt wer-
den durften. Das neue Paar naͤhrte ſich dann,
wie es konnte: der Mann, entweder durch
ein Handwerk, das er gelernt hatte, oder durch
Tageloͤhnerey; die Frau, durch einen Hoͤken-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/438>, abgerufen am 24.11.2024.
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