Bekanntlich ist zwischen der Stadt Wien und ihren Vorstädten nach Süden, Westen und Osten zu, ein großer leerer Raum gelas- sen, der, wenn man die jetzt fast unnützen Fe- stungswerke abtrüge, zur Erweiterung und Vergrößerung der Stadt fast noch einmal so viel Platz, als ihr jetziger Umfang einnimmt, darbieten würde. Keine andere Europäische Stadt übersieht ihre Vorstädte so vortheilhaft. Wien hat die seinigen vor sich, und sie erhe- ben sich theils amphitheatralisch, theils liegen sie auf ebenem Boden, rund umher in ihrer ganzen Länge und Breite. Der Stadtwall bietet schon an sich einen sehr angenehmen Spatziergang dar, aber er wird durch die Ue- bersicht, die er über die ungeheuren Vorstädte und die ganze umliegende Gegend gewährt, in der That einzig. Jeder neue Vorsprung des Walles eröffnet eine neue veränderte Aussicht; will man aber größere Theile auf einmal um- spannen, so ist es genug, über jedem Haupt- thore sich zu verweilen und solchergestalt die
Bekanntlich iſt zwiſchen der Stadt Wien und ihren Vorſtaͤdten nach Suͤden, Weſten und Oſten zu, ein großer leerer Raum gelaſ- ſen, der, wenn man die jetzt faſt unnuͤtzen Fe- ſtungswerke abtruͤge, zur Erweiterung und Vergroͤßerung der Stadt faſt noch einmal ſo viel Platz, als ihr jetziger Umfang einnimmt, darbieten wuͤrde. Keine andere Europaͤiſche Stadt uͤberſieht ihre Vorſtaͤdte ſo vortheilhaft. Wien hat die ſeinigen vor ſich, und ſie erhe- ben ſich theils amphitheatraliſch, theils liegen ſie auf ebenem Boden, rund umher in ihrer ganzen Laͤnge und Breite. Der Stadtwall bietet ſchon an ſich einen ſehr angenehmen Spatziergang dar, aber er wird durch die Ue- berſicht, die er uͤber die ungeheuren Vorſtaͤdte und die ganze umliegende Gegend gewaͤhrt, in der That einzig. Jeder neue Vorſprung des Walles eroͤffnet eine neue veraͤnderte Ausſicht; will man aber groͤßere Theile auf einmal um- ſpannen, ſo iſt es genug, uͤber jedem Haupt- thore ſich zu verweilen und ſolchergeſtalt die
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><pbfacs="#f0428"n="156"/><p>Bekanntlich iſt zwiſchen der Stadt Wien<lb/>
und ihren Vorſtaͤdten nach Suͤden, Weſten<lb/>
und Oſten zu, ein großer leerer Raum gelaſ-<lb/>ſen, der, wenn man die jetzt faſt unnuͤtzen Fe-<lb/>ſtungswerke abtruͤge, zur Erweiterung und<lb/>
Vergroͤßerung der Stadt faſt noch einmal ſo<lb/>
viel Platz, als ihr jetziger Umfang einnimmt,<lb/>
darbieten wuͤrde. Keine andere Europaͤiſche<lb/>
Stadt uͤberſieht ihre Vorſtaͤdte ſo vortheilhaft.<lb/>
Wien hat die ſeinigen vor ſich, und ſie erhe-<lb/>
ben ſich theils amphitheatraliſch, theils liegen<lb/>ſie auf ebenem Boden, rund umher in ihrer<lb/>
ganzen Laͤnge und Breite. Der Stadtwall<lb/>
bietet ſchon an ſich einen ſehr angenehmen<lb/>
Spatziergang dar, aber er wird durch die Ue-<lb/>
berſicht, die er uͤber die ungeheuren Vorſtaͤdte<lb/>
und die ganze umliegende Gegend gewaͤhrt, in<lb/>
der That einzig. Jeder neue Vorſprung des<lb/>
Walles eroͤffnet eine neue veraͤnderte Ausſicht;<lb/>
will man aber groͤßere Theile auf einmal um-<lb/>ſpannen, ſo iſt es genug, uͤber jedem Haupt-<lb/>
thore ſich zu verweilen und ſolchergeſtalt die<lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[156/0428]
Bekanntlich iſt zwiſchen der Stadt Wien
und ihren Vorſtaͤdten nach Suͤden, Weſten
und Oſten zu, ein großer leerer Raum gelaſ-
ſen, der, wenn man die jetzt faſt unnuͤtzen Fe-
ſtungswerke abtruͤge, zur Erweiterung und
Vergroͤßerung der Stadt faſt noch einmal ſo
viel Platz, als ihr jetziger Umfang einnimmt,
darbieten wuͤrde. Keine andere Europaͤiſche
Stadt uͤberſieht ihre Vorſtaͤdte ſo vortheilhaft.
Wien hat die ſeinigen vor ſich, und ſie erhe-
ben ſich theils amphitheatraliſch, theils liegen
ſie auf ebenem Boden, rund umher in ihrer
ganzen Laͤnge und Breite. Der Stadtwall
bietet ſchon an ſich einen ſehr angenehmen
Spatziergang dar, aber er wird durch die Ue-
berſicht, die er uͤber die ungeheuren Vorſtaͤdte
und die ganze umliegende Gegend gewaͤhrt, in
der That einzig. Jeder neue Vorſprung des
Walles eroͤffnet eine neue veraͤnderte Ausſicht;
will man aber groͤßere Theile auf einmal um-
ſpannen, ſo iſt es genug, uͤber jedem Haupt-
thore ſich zu verweilen und ſolchergeſtalt die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/428>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.