Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

hen[d]ste Erscheinung hatte der erfinderische Berg-
meister bis zuletzt für uns aufgespart. Er führte
uns zu dem Eingange eines neuen Stollens,
wie es schien. Wir traten hinein und auf
einmal dehnte sich ein weites schwarzes Ge-
wölbe vor uns aus, dessen Umfang wir nach
dem Scheine der Lichter abmaßen, die rund
herum aufgepflanzt waren. Auf den ersten
Blick hatte das Ganze die Ansicht eines dicht-
bezogenen Himmels, an welchem aus weiter
Ferne helle Sterne funkelten. Diese verloren
sich, sobald das Auge an diese Erleuchtung ge-
wöhnt war, und gingen in dampfende Flämm-
chen über, welche die Gegenstände um sich her
anstrahlten und ihnen den Ton von Licht und
Schatten mittheilten, der die Beleuchtung ei-
ner großen Höle so anziehend macht. Roma-
nenschreiber, die in der neuesten Gattung ihrer
Dichtungsart etwas leisten wollen, müssen nach
dieser Höhle wallfahrten, sonst werden sie in
der That nur Stümperey machen, wenn sie

hen[d]ſte Erſcheinung hatte der erfinderiſche Berg-
meiſter bis zuletzt fuͤr uns aufgeſpart. Er fuͤhrte
uns zu dem Eingange eines neuen Stollens,
wie es ſchien. Wir traten hinein und auf
einmal dehnte ſich ein weites ſchwarzes Ge-
woͤlbe vor uns aus, deſſen Umfang wir nach
dem Scheine der Lichter abmaßen, die rund
herum aufgepflanzt waren. Auf den erſten
Blick hatte das Ganze die Anſicht eines dicht-
bezogenen Himmels, an welchem aus weiter
Ferne helle Sterne funkelten. Dieſe verloren
ſich, ſobald das Auge an dieſe Erleuchtung ge-
woͤhnt war, und gingen in dampfende Flaͤmm-
chen uͤber, welche die Gegenſtaͤnde um ſich her
anſtrahlten und ihnen den Ton von Licht und
Schatten mittheilten, der die Beleuchtung ei-
ner großen Hoͤle ſo anziehend macht. Roma-
nenſchreiber, die in der neueſten Gattung ihrer
Dichtungsart etwas leiſten wollen, muͤſſen nach
dieſer Hoͤhle wallfahrten, ſonſt werden ſie in
der That nur Stuͤmperey machen, wenn ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <floatingText>
          <body>
            <div n="1">
              <p><pb facs="#f0388" n="116"/>
hen<supplied>d</supplied>&#x017F;te Er&#x017F;cheinung hatte der erfinderi&#x017F;che Berg-<lb/>
mei&#x017F;ter bis zuletzt fu&#x0364;r uns aufge&#x017F;part. Er fu&#x0364;hrte<lb/>
uns zu dem Eingange eines neuen Stollens,<lb/>
wie es &#x017F;chien. Wir traten hinein und auf<lb/>
einmal dehnte &#x017F;ich ein weites &#x017F;chwarzes Ge-<lb/>
wo&#x0364;lbe vor uns aus, de&#x017F;&#x017F;en Umfang wir nach<lb/>
dem Scheine der Lichter abmaßen, die rund<lb/>
herum aufgepflanzt waren. Auf den er&#x017F;ten<lb/>
Blick hatte das Ganze die An&#x017F;icht eines dicht-<lb/>
bezogenen Himmels, an welchem aus weiter<lb/>
Ferne helle Sterne funkelten. Die&#x017F;e verloren<lb/>
&#x017F;ich, &#x017F;obald das Auge an die&#x017F;e Erleuchtung ge-<lb/>
wo&#x0364;hnt war, und gingen in dampfende Fla&#x0364;mm-<lb/>
chen u&#x0364;ber, welche die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde um &#x017F;ich her<lb/>
an&#x017F;trahlten und ihnen den Ton von Licht und<lb/>
Schatten mittheilten, der die Beleuchtung ei-<lb/>
ner großen Ho&#x0364;le &#x017F;o anziehend macht. Roma-<lb/>
nen&#x017F;chreiber, die in der neue&#x017F;ten Gattung ihrer<lb/>
Dichtungsart etwas lei&#x017F;ten wollen, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nach<lb/>
die&#x017F;er Ho&#x0364;hle wallfahrten, &#x017F;on&#x017F;t werden &#x017F;ie in<lb/>
der That nur Stu&#x0364;mperey machen, wenn &#x017F;ie<lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0388] hendſte Erſcheinung hatte der erfinderiſche Berg- meiſter bis zuletzt fuͤr uns aufgeſpart. Er fuͤhrte uns zu dem Eingange eines neuen Stollens, wie es ſchien. Wir traten hinein und auf einmal dehnte ſich ein weites ſchwarzes Ge- woͤlbe vor uns aus, deſſen Umfang wir nach dem Scheine der Lichter abmaßen, die rund herum aufgepflanzt waren. Auf den erſten Blick hatte das Ganze die Anſicht eines dicht- bezogenen Himmels, an welchem aus weiter Ferne helle Sterne funkelten. Dieſe verloren ſich, ſobald das Auge an dieſe Erleuchtung ge- woͤhnt war, und gingen in dampfende Flaͤmm- chen uͤber, welche die Gegenſtaͤnde um ſich her anſtrahlten und ihnen den Ton von Licht und Schatten mittheilten, der die Beleuchtung ei- ner großen Hoͤle ſo anziehend macht. Roma- nenſchreiber, die in der neueſten Gattung ihrer Dichtungsart etwas leiſten wollen, muͤſſen nach dieſer Hoͤhle wallfahrten, ſonſt werden ſie in der That nur Stuͤmperey machen, wenn ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/388
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/388>, abgerufen am 24.11.2024.