Der Bergmeister hatte unterdessen einige kleine Anstalten getroffen, um die Reise für uns noch anziehender zu machen. Er hatte von Strecke zu Strecke einen Bergknappen gestellt, der irgend eine besondere Bergarbeit thun mußte. Einer trieb den Stollen weiter, ein anderer fuhr auf seinem Hunde das Erd- reich zu Tage, ein dritter besserte an der Röhre, welche die Sohle ausführte u. s. w. Auf einmal stand er mit uns am Abhange ei- nes tiefen Schlundes still, den unsre Kerzen nur auf ein paar Fuß hinab erleuchteten. Hier müssen wir hinein! sagte er; und obgleich un- sre Frauenzimmer sich ängstlich erkundigten, ob wir nicht auf einem andern Wege dahin kom- men könnten, wohin wir wollten, achtete er doch nicht darauf und versicherte: es sey kein anderer Weg.
Sogleich setzte er sich auf sein Schurzfell nieder. Unter sich hatte er zwey runde, ge- schälte, glatte Bäume, die parallel und schräg in den fürchterlichen Schlund hinab liefen. Ne-
Der Bergmeiſter hatte unterdeſſen einige kleine Anſtalten getroffen, um die Reiſe fuͤr uns noch anziehender zu machen. Er hatte von Strecke zu Strecke einen Bergknappen geſtellt, der irgend eine beſondere Bergarbeit thun mußte. Einer trieb den Stollen weiter, ein anderer fuhr auf ſeinem Hunde das Erd- reich zu Tage, ein dritter beſſerte an der Roͤhre, welche die Sohle ausfuͤhrte u. ſ. w. Auf einmal ſtand er mit uns am Abhange ei- nes tiefen Schlundes ſtill, den unſre Kerzen nur auf ein paar Fuß hinab erleuchteten. Hier muͤſſen wir hinein! ſagte er; und obgleich un- ſre Frauenzimmer ſich aͤngſtlich erkundigten, ob wir nicht auf einem andern Wege dahin kom- men koͤnnten, wohin wir wollten, achtete er doch nicht darauf und verſicherte: es ſey kein anderer Weg.
Sogleich ſetzte er ſich auf ſein Schurzfell nieder. Unter ſich hatte er zwey runde, ge- ſchaͤlte, glatte Baͤume, die parallel und ſchraͤg in den fuͤrchterlichen Schlund hinab liefen. Ne-
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><pbfacs="#f0386"n="114"/><p>Der Bergmeiſter hatte unterdeſſen einige<lb/>
kleine Anſtalten getroffen, um die Reiſe fuͤr<lb/>
uns noch anziehender zu machen. Er hatte<lb/>
von Strecke zu Strecke einen Bergknappen<lb/>
geſtellt, der irgend eine beſondere Bergarbeit<lb/>
thun mußte. Einer trieb den Stollen weiter,<lb/>
ein anderer fuhr auf ſeinem Hunde das Erd-<lb/>
reich zu Tage, ein dritter beſſerte an der<lb/>
Roͤhre, welche die Sohle ausfuͤhrte u. ſ. w.<lb/>
Auf einmal ſtand er mit uns am Abhange ei-<lb/>
nes tiefen Schlundes ſtill, den unſre Kerzen<lb/>
nur auf ein paar Fuß hinab erleuchteten. Hier<lb/>
muͤſſen wir hinein! ſagte er; und obgleich un-<lb/>ſre Frauenzimmer ſich aͤngſtlich erkundigten, ob<lb/>
wir nicht auf einem andern Wege dahin kom-<lb/>
men koͤnnten, wohin wir wollten, achtete er<lb/>
doch nicht darauf und verſicherte: es ſey kein<lb/>
anderer Weg.</p><lb/><p>Sogleich ſetzte er ſich auf ſein Schurzfell<lb/>
nieder. Unter ſich hatte er zwey runde, ge-<lb/>ſchaͤlte, glatte Baͤume, die parallel und ſchraͤg<lb/>
in den fuͤrchterlichen Schlund hinab liefen. Ne-<lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[114/0386]
Der Bergmeiſter hatte unterdeſſen einige
kleine Anſtalten getroffen, um die Reiſe fuͤr
uns noch anziehender zu machen. Er hatte
von Strecke zu Strecke einen Bergknappen
geſtellt, der irgend eine beſondere Bergarbeit
thun mußte. Einer trieb den Stollen weiter,
ein anderer fuhr auf ſeinem Hunde das Erd-
reich zu Tage, ein dritter beſſerte an der
Roͤhre, welche die Sohle ausfuͤhrte u. ſ. w.
Auf einmal ſtand er mit uns am Abhange ei-
nes tiefen Schlundes ſtill, den unſre Kerzen
nur auf ein paar Fuß hinab erleuchteten. Hier
muͤſſen wir hinein! ſagte er; und obgleich un-
ſre Frauenzimmer ſich aͤngſtlich erkundigten, ob
wir nicht auf einem andern Wege dahin kom-
men koͤnnten, wohin wir wollten, achtete er
doch nicht darauf und verſicherte: es ſey kein
anderer Weg.
Sogleich ſetzte er ſich auf ſein Schurzfell
nieder. Unter ſich hatte er zwey runde, ge-
ſchaͤlte, glatte Baͤume, die parallel und ſchraͤg
in den fuͤrchterlichen Schlund hinab liefen. Ne-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/386>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.