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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Augusten in dieser Rücksicht hier herrschte, ist
längst verschwunden. Auch hierin geht der jetzi-
ge Fürst mit einem lehrreichen Beyspiele voran,
und Regellosigkeit in diesem Punkte kann mehr,
als alles übrige, sein Mißfallen erregen, beson-
ders wenn Personen sie sich zu Schulden kom-
men lassen, die näher oder entfernter zu seinem
Hofstaate gehören.

Wenn aber Ausschweifungen dieser Art un-
möglich ganz unterbleiben können, so werden sie
hier wenigstens mit mehr Vorsicht und Ver-
heimlichung getrieben, als z. B. in Warschau,
Berlin, Wien, München. Nichts von der Art
ist hier privilegirt. Liederliche Häuser hängen
hier wenigstens das Kaffee- Wein- oder Bier-
schild aus, und die feilen Geschöpfe in denselben
spielen die Rolle der Aufwärterinnen. Auch sind
diese Häuser nur meist für den Pöbel, oder zum
Pöbel hinabgesunkene Wollüstlinge aus bessern
Ständen, die sich zuweilen, verkleidet, an
der Stadtmauer, im Loche, in der Fi-
scherstraße, in der Friedrichsstadt
etc.

Auguſten in dieſer Ruͤckſicht hier herrſchte, iſt
laͤngſt verſchwunden. Auch hierin geht der jetzi-
ge Fuͤrſt mit einem lehrreichen Beyſpiele voran,
und Regelloſigkeit in dieſem Punkte kann mehr,
als alles uͤbrige, ſein Mißfallen erregen, beſon-
ders wenn Perſonen ſie ſich zu Schulden kom-
men laſſen, die naͤher oder entfernter zu ſeinem
Hofſtaate gehoͤren.

Wenn aber Ausſchweifungen dieſer Art un-
moͤglich ganz unterbleiben koͤnnen, ſo werden ſie
hier wenigſtens mit mehr Vorſicht und Ver-
heimlichung getrieben, als z. B. in Warſchau,
Berlin, Wien, Muͤnchen. Nichts von der Art
iſt hier privilegirt. Liederliche Haͤuſer haͤngen
hier wenigſtens das Kaffee- Wein- oder Bier-
ſchild aus, und die feilen Geſchoͤpfe in denſelben
ſpielen die Rolle der Aufwaͤrterinnen. Auch ſind
dieſe Haͤuſer nur meiſt fuͤr den Poͤbel, oder zum
Poͤbel hinabgeſunkene Wolluͤſtlinge aus beſſern
Staͤnden, die ſich zuweilen, verkleidet, an
der Stadtmauer, im Loche, in der Fi-
ſcherſtraße, in der Friedrichsſtadt
ꝛc.

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[22/0030] Auguſten in dieſer Ruͤckſicht hier herrſchte, iſt laͤngſt verſchwunden. Auch hierin geht der jetzi- ge Fuͤrſt mit einem lehrreichen Beyſpiele voran, und Regelloſigkeit in dieſem Punkte kann mehr, als alles uͤbrige, ſein Mißfallen erregen, beſon- ders wenn Perſonen ſie ſich zu Schulden kom- men laſſen, die naͤher oder entfernter zu ſeinem Hofſtaate gehoͤren. Wenn aber Ausſchweifungen dieſer Art un- moͤglich ganz unterbleiben koͤnnen, ſo werden ſie hier wenigſtens mit mehr Vorſicht und Ver- heimlichung getrieben, als z. B. in Warſchau, Berlin, Wien, Muͤnchen. Nichts von der Art iſt hier privilegirt. Liederliche Haͤuſer haͤngen hier wenigſtens das Kaffee- Wein- oder Bier- ſchild aus, und die feilen Geſchoͤpfe in denſelben ſpielen die Rolle der Aufwaͤrterinnen. Auch ſind dieſe Haͤuſer nur meiſt fuͤr den Poͤbel, oder zum Poͤbel hinabgeſunkene Wolluͤſtlinge aus beſſern Staͤnden, die ſich zuweilen, verkleidet, an der Stadtmauer, im Loche, in der Fi- ſcherſtraße, in der Friedrichsſtadt ꝛc.

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/30>, abgerufen am 21.11.2024.